Kinder und Sucht
Beschluss der Kinderkommission des Bundestages zum Thema Kinder und
Sucht
Kinder fangen immer früher an, Suchtmittel zu konsumieren. Das ergab
ein Fachgespräch der Kinderkommission mit dem Leiter der Deutschen
Hauptstelle für Suchtfragen e. V., Prof. Dr. Jobst Böning. Das
Durchschnittsalter für den ersten Alkoholrausch liegt in Deutschland bei 15,5 Jahren.
Je früher das Einstiegsalter für den ersten Konsum von Alkohol liegt,
desto größer ist die Gefahr für junge Menschen, in eine so genannte
Alkohol-Karriere einzusteigen. Gleiches gilt für Tabakkonsum: Auch wenn die
Raucherquote bei den 12- bis 17-Jährigen von 28 Prozent im Jahr 2001
auf 20 Prozent im Jahr 2005 zurückgegangen ist, gibt es beim Tabak einen
immer früheren Konsum. Insbesondere mehr junge Frauen und Mädchen
greifen zur Zigarette.
Bei jungen Menschen ist Suchtverhalten besonders dramatisch. Sie sind
vor allem aus zwei Gründen gefährdet: körperlich, weil der Organismus
noch nicht ausgewachsen und besonders anfällig ist, seelisch, weil in
diesem Lebensalter spezielle Anforderungen an junge Menschen gestellt
werden - Umbrüche und Neuorientierungen zu bewältigen.
Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages fordert deshalb:
Die Einhaltung der Jugendschutzgesetze muss durchgehend erfolgen.
Auflagen für die Werbewirtschaft bezüglich suchterzeugender Stoffe
sind notwendig.
Selbstverpflichtung der Tabakindustrie für die Aufstellung von
Zigarettenautomaten in Schulnähe muss eingehalten werden.
Prävention an Schulen und Ausbildungsstätten, wie das Bekenntnis zur
rauchfreien Schule, sind fortzuführen und auszubauen.
Besondere Aufmerksamkeit und besonderen Schutz brauchen Kinder aus
Suchtfamilien, denn sie sind die größte Sucht-Risikogruppe überhaupt. Ihr
Risiko, im Erwachsenenleben selber suchtkrank zu werden, ist vier- bis
achtfach höher als bei Kindern aus nicht suchtkranken Familien.
Für Kinder suchtkranker Eltern klaffen Anspruch und Wirklichkeit in
Deutschland weit auseinander, denn sie sind den negativen
Begleiterscheinungen des Suchtverhaltens ausgesetzt. 2,65 Millionen Kinder wachsen mit
Eltern auf, die alkoholkrank, tablettensüchtig oder von anderen
Substanzen abhängig sind. Das ist fast jedes sechste Kind. Bislang ist Sucht
in der Familie weitgehend ein Tabu. Für Eltern ist es schmerzhaft,
eingestehen zu müssen, dass sie mit ihrem Suchtverhalten ihre Kinder massiv
schädigen. Viel zu wenige Kinder können Hilfsangebote wie
Selbsthilfegruppen, Spielgruppen oder therapeutische Angebote wahrnehmen, denn es
fehlt an Problembewusstsein und Einsicht bei den Eltern und am
öffentlichen Bewusstsein für diese Risikogruppe. Alle Kinder und Jugendlichen
haben das Recht, in einer Umwelt aufzuwachsen, in der sie vor den
negativen Begleiterscheinungen des Suchtverhaltens der Eltern geschützt werden.
Kinder aus suchtbelasteten Familien haben ein Recht auf Unterstützung
und Hilfe, unabhängig davon, ob ihre Eltern Hilfe bekommen.
Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages fordert:
ein gesellschaftliches Klima, in dem betroffene Eltern und Kinder
Scham- und Schuldgefühle leichter überwinden und Hilfe annehmen können;
die Öffentlichkeit muss über die Auswirkungen von Suchterkrankungen
auf Kinder und Familien besser als bisher informiert werden, denn eine
sensibilisierte Öffentlichkeit erleichtert es Eltern, die Sucht als
Krankheit anzunehmen;
eine bessere Vernetzung von Schule und Jugendhilfe als Unterstützung
für Kinder aus Suchtfamilien;
Bezugspersonen von Kindern in Schulen, Sportvereinen und
Kindertagesstätten müssen für das Suchtproblem in Familien sensibilisiert werden;
bei Therapieangeboten für suchtkranke Eltern sind die Belange der
Kinder verstärkt zu berücksichtigen und eigene Hilfsangebote zu
unterbreiten.
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