Das Verfassungsgericht zum Thema: Pflicht für Männer, Freiwilligkeit für Frauen
Im folgenden eine kleine Argumentationshilfe zum Thema "Wehrpflicht für Männer":
Das Bundesverfassungsgericht hat sich schon einmal mit der Frage einer Dienstpflicht für Männer und der gleichzeitigen Freiwilligkeit für Frauen beschäftigt, nämlich mit der "Feuerwehrdienstpflicht" in Bayern und Baden-Württemberg.
quelle:
www.forum-recht-online.de/101/101tobiassen.htm
Bereits 1995 hat sich das Bundesverfassungsgericht zu der Frage des geschlechtsspezifischen Dürfens und Müssens eindeutig geäußert: "Die festgestellte Ungleichbehandlung ist auch nicht durch das Gleichberechtigungsgebot des Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz gerechtfertigt." Worum ging es in diesem Streitverfahren, lange vor der Erkenntnis, dass auch Frauen in der Bundeswehr Waffendienst leisten können? Die Länder Bayern und Baden-Württemberg hatten eine Feuerwehrdienstpflicht für Männer. Männer waren danach verpflichtet, in den Feuerwehren mitzuwirken oder ersatzweise eine Feuerwehrabgabe zu zahlen. Frauen waren von der Feuerwehrdienstpflicht ausgenommen, weil sie - nach den Vorstellungen der Männer, die diese Dienstpflicht einführten - für die Arbeit von Feuerwehrmännern nicht geeignet seien. Diese Vorstellung ist inzwischen längst überholt, und Frauen sind - wie überall in den Feuerwehren - auch in den Feuerwehren Bayerns und Baden-Württembergs gern gesehene Mitwirkende. Frauen durften also, aber nur Männer mussten. Zu diesem Sachverhalt hat das Bundesverfassungsgericht, das übrigens erst durch eine eindeutige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Änderung seiner Rechtsauffassung gebracht werden musste, im Leitsatz zum Beschluss festgelegt:
"Die Beschränkung einer Feuerwehrdienstpflicht und einer hieran anknüpfenden Abgabepflicht auf Männer verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz." In den Urteilsgründen wird dazu ausgeführt: "Die festgestellte Ungleichbehandlung ist auch nicht durch das Gleichberechtigungsgebot des Artikels 3 Absatz 2 Grundgesetz gerechtfertigt. Die zur Prüfung stehenden Vorschriften des baden-württembergischen und bayerischen Landesrechts bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit der Beschränkung der Feuerwehrdienst- und abgabepflicht auf Männer faktische, typischerweise Frauen treffende Nachteile (in anderen Lebensbereichen) ausgeglichen werden sollten. Die Feuerwehrdienstpflicht ist nicht deshalb auf Männer beschränkt worden, um frauenspezifische Nachteile zu kompensieren, sondern weil Frauen nach überkommener Vorstellung als weniger geeignet galten. Die Beschränkung der Feuerwehrdienstpflicht auf Männer ist auch mit den Zielen des inzwischen ergänzten Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz, die Gleichberechtigung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen und überkommene Rollenverteilungen zu überwinden (vgl. BVerfGE 85, 191 <207>), nicht förderlich, sondern verfestigt im Gegenteil die überkommene Rollenverteilung. Den auch heute noch typischerweise Frauen treffenden Mehrfachbelastungen durch Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf kann bei einer vom Gesetzgeber angeordneten grundsätzlichen Inanspruchnahme für den Feuerwehrdienst sachgerechter und spezifischer durch Freistellungsregelungen Rechnung getragen werden, die (geschlechtsunabhängig) an solche Mehrfachbelastungen anknüpfen."
"Wehrpflicht nur für Männer" dürfte nach dieser Entscheidung kaum noch möglich sein. Die Beschränkung der Wehrpflicht auf Männer bei deren Einführung 1956 beruhte unstreitig auf der überkommenen Vorstellung, Frauen seien für den Waffendienst nicht geeignet. Diese Ansicht ist spätestens seit der Verfassungsänderung vom 27.10.2000 obsolet. Durch die Beschränkung der Wehrpflicht auf Männer sollten 1956 wahrlich keine frauenspezifischen gesellschaftlichen Nachteile ausgeglichen werden.
PS:
Da ich aus BW und männlich (und nicht Mitglied der Feuerwehr) bin, mußte ich früher jedes Jahr diese "Feuerwehrabgabe" zahlen (ca. 50 DM jährlich). Diese Praxis wurde dann wegen des Verfassungsgerichts-Urteils abgeschafft.
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Depp, weil Mann,
19.11.2001, 13:16
- Re: Das Verfassungsgericht zum Thema: Pflicht für Männer, Freiwilligkeit für Frauen -
plupp,
19.11.2001, 15:29
- Re: Das Verfassungsgericht zum Thema: Pflicht für Männer, Freiwilligkeit für Frauen - Depp, weil Mann, 19.11.2001, 17:14
- Re: Das Verfassungsgericht zum Thema: Pflicht für Männer, Freiwilligkeit für Frauen -
Dieter,
19.11.2001, 17:40
- Richter sind Kinder ihrer Zeit -
Depp, weil Mann,
20.11.2001, 11:06
- Re: Richter sind Kinder ihrer Zeit -
Jörg,
20.11.2001, 14:31
- Re: Richter sind Kinder ihrer Zeit - Norbert, 21.11.2001, 08:48
- Re: Richter sind Kinder ihrer Zeit -
Jörg,
20.11.2001, 14:31
- Richter sind Kinder ihrer Zeit -
Depp, weil Mann,
20.11.2001, 11:06
- Re: Das Verfassungsgericht zum Thema: Pflicht für Männer, Freiwilligkeit für Frauen - Chris, 21.11.2001, 21:27
- Re: Das Verfassungsgericht zum Thema: Pflicht für Männer, Freiwilligkeit für Frauen -
plupp,
19.11.2001, 15:29