Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Meine Korrespondenz bezüglich "Freier Eintritt für Frauen beim VfL Wolfsburg"

Silvain, Monday, 01.08.2005, 16:45 (vor 7046 Tagen)

Anbei mein Mailverkehr mit dem VfL Wolfsburg. Bitte um Kommentare.

1. Meine Mail vom 27.07.05:

---- schnipp ----

Sehr geehrte Damen und Herren,

bezüglich des UI-Cup Hinspiels des VfL gegen den RC Lens war auf ihrer Website folgendes zu lesen:

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Frauen und Mädchen haben zu dieser Begegnung freien Eintritt. Manager Thomas Strunz: "Der VfL übertrifft mit einem Anteil von rund 30 Prozent weiblicher Besucher bei seinen Heimspielen zwar schon jetzt den Ligaschnitt deutlich. Doch wollen wir mit dieser Aktion gerade weitere Frauen und Mädchen auf den VfL neugierig machen."
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Mein Freundeskreis möchte ihrem Manager Thomas Strunz bei der Steigerung des Anteils weiblicher Besucher behilflich sein und hat sich aufgrund obiger Stellungnahme dazu entschlossen, Spiele des VfL Wolfsburg nicht mehr zu besuchen und somit auch dem heutigen Spiel fernzubleiben.

Solch geschlechterrassistisches Geschäftsgebaren ist leider nicht mit unserer Ethik zu vereinbaren. Wir nehmen weiterhin zur Kenntnis, dass der VfL Wolfsburg seine zahlende Kundschaft derart wenig achtet, dass er es billigt, dass sie für jene mitzubezahlen hat, die laut Herrn Strunz kostenlosen Eintritt haben sollen.

Ich bin mir sicher, Herr Strunz hat vollstes Verständnis dafür, dass wir unter diesen Umständen nicht länger bereit sind, solche "Aktionen" mit unseren Eintrittsgeldern zu finanzieren, die einseitig zu Lasten der männlichen Fans gehen, welche ihre Hauptkundschaft darstellen.

Hochachtungsvoll,
XXX

---- schnapp ----

2. Die Antwort des VfL vom 01.08.05:

---- schnipp ----

Sehr geehrter Herr XXXX,
damit wir Ihre Email richtig verstehen nachfolgende Nachfragen von Mann zu
Mann: Was haben Sie gegen Frauen im allgemeinen? Und was haben Sie gegen
Fußballspiele in der VOLKSWAGEN ARENA besuchende Frauen im Besonderen?

Mit bestem Gruß

---- schnapp ----

3. Meine Antwort vom 01.08.05:

---- schnipp ----

Sehr geehrter Herr XXXX,

Es verwundert mich doch sehr, dass Sie von der doch recht eindeutigen Formulierung meiner Email auf die kurzsichtige und sehr einseitige Schlussfolgerung kommen, ich hätte etwas gegen Frauen bzw. gegen weibliche Besucher des VfL. Aber ich will es gerne noch einmal ausführlicher formulieren:

Damit Ihr Stadion und folglich auch Ihr Verein wirtschaftlich arbeiten kann, ist es erforderlich, dass bei jedem Spiel eine gewisse Anzahl Plätze für eine gewisse Gebühr vergeben wird. Wenn nun aber ein Teil dieser Plätze - in diesem Fall 30% laut Herrn Strunz - kein Geld einbringen, fehlt dieses Geld für einen wirtschaftlichen Betrieb des Stadions, es stellt sich folglich die Frage nach der Gegenfinanzierung. Da nicht zu erwarten ist, dass der Verein hierfür bei diesem Spiel bereit ist, 30% Verlust einzufahren und ferner ebenfalls nicht zu erwarten ist, dass Herr Strunz diese Idee aus seiner Privatkasse finanzieren wird, werden diese Kosten umgelegt werden müssen. Und da die einzige restliche Gruppe an Besuchern aus Männern besteht, ist aus unserer Sicht zu erwarten, dass die Männer, die schon seit Jahren ihre Spiele besuchen, diese grandiose Idee aus ihrer Tasche mitfinanzieren sollen. Und genau das stößt bei uns nicht auf Verständnis. Sie können nun natürlich einwenden, dass das Stadion nicht voll besucht war und es so ohnehin freie Plätze gegeben hätte, die kein Geld eingebracht haben. Aber auch bei den bisherigen Spielen soll der Frauenanteil ja bei 30% gelegen haben, so dass Ihnen diese Einnahmen trotzdem entgehen, mit obiger Konsequenz.

Völlig grotesk wird ihre Unterstellung aber angesichts der Tatsache, dass in besagtem Freundeskreis sich auch Frauen befinden, die diese Aktion ebenfalls nicht gutheißen konnten. Die Männer, weil sie sich ob obiger Konsequenz diskriminiert sehen und die Frauen, weil sie den Eindruck gewonnen haben, dass der VfL die Frauen nicht als "normale" Fans ansieht, sondern als eine Gruppe, die gesondert zu fördern wäre, was diese mit ihrem Selbstverständnis jedoch nicht vereinbaren können. Wir haben folglich nichts gegen Frauen - ganz im Gegenteil - aber wir haben etwas dagegen, wenn bestimmte Gruppen auf unsere Kosten kostenlosen Eintritt haben.

Abschließend möchte ich Sie noch bitten, folgendes zu bedenken:

Nehmen wir einmal an, Sie stellten fest, dass eine bestimmte Ethnie oder religiöse Gruppe in den Besucherrängen des VfL unterrepräsentiert wäre. Würden Sie eine solche Aktion dort dann auch starten mit dem Hintergrund, diese Besucher dazu zu bewegen, vermehrt den VfL zu besuchen? Nein, das würden Sie wahrscheinlich nicht. Denn bei diesen zwei Beispielen handelt es sich um welche, die sehr negativ belegt sind aufgrund zahlloser Beispiele von Segregation in der Geschichte. Bei Männern und Frauen kann man es ja machen, da es hierfür noch kein solches historisches Beispiel gibt und zudem das Ganze im heutigen Zeitgeist akzeptiert wird. Das ändert aber nichts an der Vergleichbarkeit der Sache.

Nehmen Sie einfach zur Kenntnis, dass es Menschen gibt, für die Diskriminierung auch dann eine ist, wenn sie im Zeitgeist als korrekt anerkannt wird. Falsches Verhalten richtet sich an der Frage der Sache aus und nicht danach, wie breit die Zustimmung zu einer Position in der öffentlichen Meinung ist. Das, Herr Rippholz, ist einer der wichtigsten Faktoren der menschlichen Ethik. Und wir würden uns selbst belügen, wenn wir durch den Besuch eines solchen Spiels solch fragwürdiges Handeln auch noch fördern würden - Männer wie Frauen.

Im übrigen bitte ich, von weiteren Unterstellungen, die Sie nicht belegen können, abzusehen. Unseren Entschluss, unsere Freizeitaktivitäten in Zukunft ohne den VfL durchzuführen, haben Sie durch diese stereotypische Mail allerdings nur bestätigt.

Mit dennoch freundlichen Grüßen,

i.A. XXXX

---- schnapp ----


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