Warum sind Computer-Experten fast immer männlich? [Bildungsforschung]
Warum sind Computer-Experten fast immer männlich? [Bildungsforschung]
San Diego (USA)/Bellingham (USA) - Frauen müssen im Beruf heutzutage
fast genauso häufig mit "Kollege Computer" zusammenarbeiten wie Männer.
Doch wenn der Computer "abstürzt" oder von Viren heimgesucht wird, dann
müssen oft Spezialisten anrücken - und die sind fast überall auf der
Welt mehrheitlich männlich. Ein amerikanisches Wissenschaftlerinnen-Team
wollte jetzt wissen, warum das so ist und hat 21 Industrie-Länder in
ihrer Bildungspolitik verglichen. Auf der Jahrestagung der American
Sociological Association in Philadelphia haben sie ihr provokantes
Ergebnis vorgestellt: Die meisten Industrienationen seien selbst schuld,
wenn sich in ihren Gesellschaften "rosa-Kragen-Gettos" bildeten. Es sei
nicht förderlich, wenn Mädchen oder Frauen bereits früh ihren Interessen
- nämlich "menschelnden" Bereichen wie Erziehungswissenschaft oder
Gesundheitsfürsorge - nachgehen könnten. In allen Gesellschaften, in
denen dies der Fall sei, bleibe der Männeranteil in der Informatik und
anderen naturwissenschaftlich-technischen Bereichen überwältigend hoch.
"Die überall verbreitete Unterrepräsentiertheit von Frauen [in
technischen Berufen] scheint die tief sitzende und weit verbreitete
Annahme zu unterstützen, dass Männer und Frauen von Natur aus
unterschiedlich seien und also für unterschiedliche Berufsfelder
geeignet seien", erklärt Maria Charles von der University of California
in San Diego. "Aber Fakt ist: Die immer noch so hohe übernationale
Variabilität legt den Schluss nahe, dass es noch Raum gibt für länder-
und kulturspezifische Einflüsse." Bei ihrer Analyse von 21
Industrieländern haben Charles und ihre Kollegin Karen Bradley von der
Western Washington University festgestellt, dass zum Beispiel in der
Türkei "nur" etwa doppelt so viele Männer wie Frauen in der
Computertechnik tätig sind. In Deutschland oder den Niederlanden gibt es
etwa drei bzw. fünf Mal so viele Männer wie Frauen im Computerbereich.
In Tschechien stehen einer Frau schon sechs Männer gegenüber.
Die Forscherinnen haben sich gefragt, was Länder mit stark
mehrheitlichem Männeranteil und solche mit eher "schwach" mehrheitlichem
Männeranteil in der Computertechnik und -wissenschaft jeweils gemeinsam
haben. In Ländern wie Deutschland oder den Niederlanden, so die
Forscherinnen, können technische oder naturwissenschaftliche Fächer früh
abgewählt werden. Mädchen sollen sich in ihren Interessen
selbstverwirklichen, sollen sich nicht danach richten, was die
Gesellschaft von ihnen erwartet. Da aber ihre Interessen nun einmal doch
deutlich in Richtung Humanwissenschaften gehen, kommen sie am Ende eben
wieder in typischen Frauenberufen an.
In der Türkei, aber auch in Irland oder Süd-Korea - die alle drei nicht
im Ruf stehen, für die Frauen-Emanzipation zu kämpfen - müssen Jungen
wie Mädchen Mathematik und Naturwissenschaften bis zum Abitur oder
zumindest bis kurz davor belegen. Tatsächlich sind es genau diese
Länder, bei denen "nur" etwa doppelt so viele Männer wie Frauen
Computerspezialisten werden. (wsa050812dm1)
Autor: Doris Marszk
Quelle: University of California, San Diego