Die 2 Seiten der Gleichberechtigung - Böse Väter und gute Mütter und umgekehrt .
Böse Väter und gute Mütter - oder umgekehrt
Es ist selten, dass am letzten Sessionstag die Wogen derart hoch schlagen, und das erst noch aufgrund eines simplen Postulats. Es ging jedoch um ein Thema, bei dem jeder und jede aus eigener Erfahrung oder mindestens aufgrund von Erlebnissen aus dem Bekanntenkreis mitreden konnte: das Sorgerecht für Kinder von Eltern, die sich trennen. Der Schwyzer CVP-Nationalrat Reto Wehrli hatte mit seinem Vorstoss in ein feministisches Wespennest gestochen. Er bat den Bundesrat, zu prüfen, ob das gemeinsame Sorgerecht nicht die Regel werden sollte - und zwar bei allen Paaren, ob unverheiratet, getrennt oder geschieden. Groteskerweise entartete die Debatte im Nationalrat zu einer Art Rosenkrieg, so dass Bundesrat Blocher zum Schluss etwas entgeistert feststellte, er komme sich vor, wie wenn er eben an einer Kampfscheidung teilgenommen hätte.
Tatsächlich ist kaum nachvollziehbar, weshalb sich drei gestandene SP-Frauen - Jacqueline Fehr, Anita Thanei und Ruth- Gaby Vermot - derart vehement gegen die blosse Prüfung eines Anliegens wehrten. Ihre Argumentation, dass jene, die die Kinder hauptsächlich betreuten, auch das Bestimmungsrecht über sie haben sollten, wirkte reichlich handgestrickt. Und auch die Behauptung, dass sich die von der Partnerin getrennten Väter kaum mehr für ihren Nachwuchs interessierten und nach wenigen Jahren bereits dessen Geburtstag vergessen hätten, tönte wie aus einer frustrierten Therapiegruppe. Längst ist doch das Sorgerecht für die Kinder zur äusserst wirkungsvollen Waffe der Frau geworden. Wenn die Frau nicht will, hat der Mann kaum eine Chance, weiterhin bei der Erziehung der Kinder mitzureden, obwohl mit dem neuen Scheidungsrecht das gemeinsame Sorgerecht beantragt werden kann - aber eben nur im beidseitigen Einverständnis. In der Regel darf der Mann für den Unterhalt bezahlen und im Gegenzug seine Kinder ab und zu sehen.
Zu Recht wurde in diesem Zusammenhang ein Verstoss gegen das sonst hochgelobte Gleichstellungsgebot kritisiert. Das heutige System, in dem normalerweise das Sorgerecht der Mutter zugesprochen wird, benachteiligt ausgerechnet jene Väter, die sich emotional und zeitlich für ihre Kinder engagieren wollen. Auch wenn das gemeinsame Sorgerecht zum Regelfall würde, könnte davon abgewichen werden, sollte es dem Kindeswohl widersprechen. Genau darum ging es auch Bundesrat Blocher, der sich für den Vorstoss stark machte, ohne sich bereits auf die darin vorgeschlagene Lösung festzulegen: Nicht das Wohlbefinden der Eltern, sondern das Kindeswohl stehe im Vordergrund. Es gebe Anzeichen, dass die jetzige Regelung in Bezug auf das Sorgerecht nicht unbedingt die beste Lösung für die Kinder sei.
Die Debatte entbehrte nicht der Pikanterie, indem beispielsweise die betont feministische Berner SP-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot enthüllte, hinter dem Postulat stünden «militante Männerorganisationen». In Tat und Wahrheit wurde der Vorstoss von rund einem Viertel der Mitglieder des Nationalrats querbeet durch alle Parteien unterzeichnet, inklusive vier SP-Nationalrätinnen. Barbara Marty Kälin (sp., Zürich) vermochte beispielsweise nicht einzusehen, weshalb ein Scheitern als Ehepaar auch ein Scheitern als Elternpaar zur Folge haben soll, und Chantal Galladé (sp., Zürich) verabschiedete sich vom überholten Geschlechterkampf, indem sie die Gleichberechtigung im neuen Jahrtausend eher als Miteinander denn als Gegeneinander definierte. Das Postulat, das lediglich einen Prüfungsauftrag an die Verwaltung auslöst, wurde schliesslich mit 136 zu 44 Stimmen gutgeheissen.