neue und alte Medien in der heutigen Zeit
Martina, Sunday, 30.10.2005, 11:55 (vor 6956 Tagen)
Ich studiere an einer Uni in Berlin Informatik und schreibe an einer
Arbeit zum Thema "neue und alte Medien in der heutigen Zeit" Auch
Bewerbungen ist ein Teilthema meiner Arbeit. Um der Sichtweise eines
Bewerbers näher zu kommen habe ich 17 Fragen erstellt, die die
Situation eines Bewerbers verdeutlichen sollen. Ich würde mich freuen,
wenn Sie mir diese 17 Fragen kurz beantworten könnten.
Ich hab diese Online gestellt. Nicht zutreffendes einfach löschen und
abschicken. Danke.
http://people.freenet.de/studentin/umfrage.html
Sollte ich Sie mit diesem Posting gestört haben bitte ich um
Verzeihung.
Liebe Grüße
Martina
Bewerbungen in der heutigen Zeit
Harry006, Sunday, 30.10.2005, 15:08 (vor 6956 Tagen) @ Martina
Als Antwort auf: neue und alte Medien in der heutigen Zeit von Martina am 30. Oktober 2005 09:55:
Auch Bewerbungen ist ein Teilthema meiner Arbeit.
Um der Sichtweise eines Bewerbers näher zu kommen
Da hilft dir vielleicht folgender Bericht:
*******************
Vom Nobody zum Tellerwäscher
Berufspraktikanten eröffnen sich unerschöpfliche Möglichkeiten
von sonja fahrenhorst
»Wir würden Sie gerne einstellen«, sagt der nette Herr, Chef einer
TV-Firma, der auf einem grünen Gymnastikball an seinem Schreibtisch
sitzt und mit einem Lächeln auf den Lippen hin und her wippt. »Allerdings
ist es bei uns so, dass Sie erst ein Praktikum absolvieren müssen.«
Das soll sechs Monate dauern. In dieser Zeit werde sich herausstellen,
ob jemand über die Voraussetzungen verfüge, um in seinem Unternehmen
zu arbeiten.
Dass der Bewerber ein abgeschlossenes Studium nachweisen kann,
bereits zahlreiche journalistische Praktika absolviert und zuletzt als
freier Autor für einen TV-Sender gearbeitet hat, findet er super.
»Das sind genau die richtigen Voraussetzungen für ein Praktikum bei
uns«, strahlt er und spricht leiser und in einem vertraulichen Tonfall
weiter: »Wir arbeiten hier nur mit erfahrenen Leuten. Hier kommt
keiner rein, der noch nichts kann!« Es bringe schließlich nichts, wenn
man Praktikanten erst grundlegende Dinge wie Recherchieren oder Texten
beibringen müsse.
Da es sich um ein Vollzeitpraktikum handele, erwarte man unter der
Woche ständige Präsenz. Was das Thema Bezahlung angehe: »Im ersten
Monat zahlen wir nichts, man muss sich ja erstmal beschnuppern«, sagt
er. »Dann gibts 260 Euro im Monat.« Das sei fair, andere Firmen
würden schließlich auch nicht mehr zahlen. Man könne ja abends noch
Geld verdienen. Und nach sechs Monaten warte das Volontärsgehalt von
1100 Euro, vorausgesetzt, man habe sich bewährt und der Firma gehe es
finanziell weiterhin so gut wie jetzt. Der Bewerber solle sich das
Angebot durch den Kopf gehen lassen und sich dann melden. »Aber lassen
sie sich nicht zu viel Zeit, es haben sich über 100 Leute auf die
Stelle beworben!«
Jedes Mal nimmt er sich vor, es nie wieder zu tun. Und doch sitzt er
wenig später beim nächsten Bewerbungsgespräch, in der Hoffnung, nun
werde es aber endgültig das letzte Mal sein. Und jedes Mal ist dieses
Gefühl spätestens nach zehn Minuten da. Wie oft hat er es sich schon
ausgemalt, dem Chef und dem ganzen Rest des Ladens gehörig die Meinung
zu geigen. Zu sagen, hier werde eine miese Ausbeutung betrieben, die
hunderten, nein hunderttausenden von gut ausgebildeten und
arbeitswilligen Hochschulabsolventen den Eintritt ins Berufsleben mies
mache. Dass diese Unart, die sich Unternehmen ungestraft leisten
können, nicht nur für die finanzielle Misere, sondern auch für die
desolate Gemütslage einer gesamten Generation verantwortlich sei. Zu
sagen, er kündige auf der Stelle und hoffe, der Laden werde als
Strafe für die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte den Bach runtergehen.
Er stellt sich vor, wie er sich auf dem Absatz umdreht, die Tür
hinter sich zuknallt und einen verstörten und nachdenklichen Chef
zurücklässt.
An das Gefühl kann sich Martin noch gut erinnern, allerdings auch
daran, dass die Wirklichkeit dann doch etwas anders ausgesehen hat:
Weil der Chef am nächsten Tag seine Arbeit lobte und ihm noch ein wenig
mehr Verantwortung zugestand, hielt er die Klappe und schluckte den
Frust runter. Er arbeitete weiter als unbezahlte Vollzeitkraft, denn
er dachte: Bald kommt vielleicht die Chance aus dem allzeit
verfügbaren Heer von Praktikanten aufzusteigen.
»Junges, kreatives Unternehmen für Internetdienste im Bereich
Tourismus und Information bietet redaktionelle Praktika. Deine
Aufgaben sind das Verfassen von Reiseführern sowie die Überarbeitung
und Aktualisierung von Texten. Die Praktikumsdauer beträgt drei bis
sechs Monate, ca. 30 Stunden pro Woche. Eine Vergütung gibt es leider
nicht, bei langfristigen Praktika sind nach einer Zeit von vier bis
sechs Monaten aber erfolgsabhängige Zahlungen möglich. Das Praktikum
kann auch in bequemer Heimarbeit absolviert werden.« Die Internet-
Jobportale quellen über von Angeboten wie diesem. Immer mehr
Unternehmen sind wegen der hohen Bewerberzahlen dazu übergegangen,
ihre Praktikanten gar nicht zu entlohnen. Warum auch, die Stellen sind
trotzdem begehrt.
Um Berufseinsteigern die Suche nach einem wenigstens sinnvollen
Praktikumsplatz ein wenig zu erleichtern, hat die Jugend des Deutschen
Gewerkschaftsbunds das Projekt »Students@Work« gestartet. In der
Firmenübersicht kann man nachlesen, wie ehemalige Praktikanten die
Arbeitsbedingungen bei den Unternehmen bewertet haben. Wer sich hier
informiert, findet nur wenige Firmen mit einer positiven Bewertung.
Bei fast allen Unternehmern wird beanstandet, dass die Praktikanten
fest eingeplant sind und somit reguläre und bezahlte Arbeitskräfte
ersetzen. Das Beispiel eines Berliner Medienunternehmens macht Schule:
Auf zwei fest Angestellte kommen vier freie Mitarbeiter und die stolze
Zahl von zehn Praktikanten.
»Es ist immer noch besser, umsonst zu arbeiten, als zu Hause zu
sitzen«, hört man oft als Rechtfertigung. »Ich mache gerade ein
Praktikum« sagen zu können, scheint auch Akademiker mit größerem Stolz
zu erfüllen als vom Staat Geld zu beziehen. Und das, obwohl Hartz IV
lukrativer ist.
Das Praktikantengeschäft expandiert, und es wird
Universitätsabsolventen immer normaler, mit 30 Jahren wie zu
Studentenzeiten abends in der Bar zu stehen, nachdem man den ganzen
Tag umsonst geackert hat. So kann man sich weiter jung und frei
fühlen, denn die Stelle fürs Leben ist in weiter Ferne, alle Wege sind
offen, das Studentenleben geht irgendwie weiter.
Doch wer weiß, wie lange Martin und die vielen anderen noch bezahlte
Kneipenjobs finden werden. Schon stößt man auf Anzeigen wie diese: Ein
Café in Berlin sucht einen Praktikanten für drei bis sechs Monate, für
fünf Tage die Woche. Eine Vergütung gibt es leider nicht, aber während
der Arbeitszeit ist für die Verpflegung gesorgt. Immerhin kann man
dort alles von der Pieke auf lernen und sich vom Nobody zum
Tellerwäscher hocharbeiten.
*******************