Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Faltung der Kulturen

Lucius I. Brutus, Friday, 11.11.2005, 15:41 (vor 6944 Tagen)

Man hört öfters von den Mendlungen, wie unten angelinkt.

Ich möchte es in den Raum stellen, auch wenn es vielleicht einigen weit hergeholt scheint.

Die ach-so zivilisierte westliche Welt griff mit "autoritärer" Menschenrechtsrhetorik in einer fremden Welt und einer fremden Kultur, den Irak, ein. Resultat: Sie metzeln sich gegenseitig ab. Mit ähnlicher Menschen- und Frauenrechtsrhetorik beeinflusst man heute andere Kulturen, hier im Beispiel der türkischen. Das Resultat: Sie metzeln sich gegenseitig ab.

Vielleicht muß man langsam verkünden, daß Demokratie und Menschenrechte, das Ergebnis jahrhundertlanger dialektischer Entwicklung unserer Kultur sind und keineswegs moralische absolute Werte darstellen, die man durch besser werden einfach besitzen oder kaufen kann.

Lucius

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,384343,00.html

Re: Faltung der Kulturen

Zeitgenosse, Friday, 11.11.2005, 19:28 (vor 6943 Tagen) @ Lucius I. Brutus

Als Antwort auf: Faltung der Kulturen von Lucius I. Brutus am 11. November 2005 13:41:

Vielleicht muß man langsam verkünden, daß Demokratie und Menschenrechte, das Ergebnis jahrhundertlanger dialektischer Entwicklung unserer Kultur sind und keineswegs moralische absolute Werte darstellen, die man durch besser werden einfach besitzen oder kaufen kann.

Sehr richtig! Das Herummoralisieren anderen Kulturkreisen gegenüber mit Idealen aus dem unseren ist nichts anderes als Kulturimperialismus. Genausogut könnten uns die Chinesen mahnen irgendwelche konfuzianischen Maximen zukünftig besser zu beachten.

Die Propagierung von Menschenrechten zB gegenüber Morgenländern ist schon allein deshalb grotesk, da nach deren Verständnis nicht so sehr der Mensch Rechte hat, als vielmehr das Recht Menschen! Es gibt das eine göttlich gesetzte, durch die Propheten verkündete Recht, das die Rechtschaffenen=Rechtgläubigen um sich schart. Das ist morgendländisches Rechtsverständnis. Und das nicht nur im Islam, sondern auch im orthodoxen Christentum. Vor dem Hintergrund einer solchen Einstellung muß das Konstrukt von Menschenrechten nur absurd erscheinen.

Natürlich stellt auch im morgenländischen Verständnis die körperliche Unversehrtheit und die Rechtssicherheit allgemein einen hohen Wert dar - vor dem Hintergrund der dortigen Weltsicht.

Demokratie dort ist gleichermaßen absurd. Das Staatswesen ist dann wohlgeordnet, wenn es die göttlichen Maximen getreu umsetzt. Es geht nicht darum, einen Bevölkerungswillen durch Volksentscheid zum Ausdruck zu bringen, sondern die göttlichen Botschaften richtig zu verstehen und einzuhalten. Die Rechtgläubigen werden nie etwas anderes das die Interpretation des göttlichen Willens durch die Schriftgelehrten als ihren Willen verstehen können. Also gibt es nichts mehr durch Abstimmungen festzustellen, wenn diese ihre Auslegung erst einmal verkündet haben. Passend dazu stellen sich in freien Wahlen in islamischen Ländern ja meist islamistische Mehrheiten ein, sobald denn erst einmal frei gewählt wurde. Und die Gewählten sorgen dann als erstes dafür, daß zukünftig die Wahlfarce (Scholl-Latour: der "Stimmzettelfetischismus") unterbleibt.

In der Türkei ist das antidemokratische Militär der eigentliche Stützpfeiler des säkularisierten Staates. Wenn sich dort die Militärs nicht immer wieder an die Macht geputscht hätten, sobald Wahlen islamistische Mehrheiten erbracht haben, wäre die Türkei heute längst eine andere. Das westliche Staatsverständnis kann auch dort nur durch "undemokratische" Mittel aufoktroyiert werden.

Es grüßt der

Zeitgenosse

Re: Faltung der Kulturen

Lucius I. Brutus, Friday, 11.11.2005, 21:29 (vor 6943 Tagen) @ Zeitgenosse

Als Antwort auf: Re: Faltung der Kulturen von Zeitgenosse am 11. November 2005 17:28:

Die Propagierung von Menschenrechten zB gegenüber Morgenländern ist schon allein deshalb grotesk, da nach deren Verständnis nicht so sehr der Mensch Rechte hat, als vielmehr das Recht Menschen! Es gibt das eine göttlich gesetzte, durch die Propheten verkündete Recht, das die Rechtschaffenen=Rechtgläubigen um sich schart. Das ist morgendländisches Rechtsverständnis. Und das nicht nur im Islam, sondern auch im orthodoxen Christentum. Vor dem Hintergrund einer solchen Einstellung muß das Konstrukt von Menschenrechten nur absurd erscheinen.

Für die jenigen, die mal dort gewesen sind, ist das zum Greifen spürbar. Ich persönlich habe den nahen Osten regelmäßig bereist und man spürt in den Umgang mit den Menschen, auf welche langen und festen kulturellen Erbe ihr Leben beruht. Es gibt dieses allgemein Verbindende, allgegenwärtig, fast in der Luft wabernd aber von einem Fremden wie mich kaum fassbar. Ich würde zwar niemals die morgenländische Lebensart leben wollen, aber ich spürte auf welche großartige Vergangenheit (und zwar lange vor dem Islam und den monotheistischen Religionen) sie verfügen und wie tief sie ihre geistige Spuren hinterließ, wahrscheinlich das was wir im allgemeinen und die Amerikaner im besonderen nie nachvollziehen oder verstehen können.

Durch zahlreiche Diskussionen hat mich zu Anfang überrascht, mit welchem Respekt, sie einem begegnen, trotz dem manchmal deutlichen aufgetretenen Meinungsunterschied. Es ist ein beschämendes Gefühl, mit welcher Geringschätzung wir im Abendland auf diese Menschen und ihre Kultur und Gebräusche blicken. Der kulturelle und politische Austausch mit der abendländlichen Kultur versetzt die meisten dort in Verwirrung, denn sie haben eine sehr feine Nase für Widersprüche unserer politischen und kulturellen Auffassungen, Widersprüche, die uns nicht mehr auffalen, da sie von uns bereits aximoatisch verinnerlicht sind.

Um nicht lange zu schwafeln und das Thema in dem Blickpunkt des Forums zurückzubringen, folgende Anekdote. Bei einer kurzen Plauderei fragte mich dort unser "Guide" (ein einfacher Beduin), warum wir Westler beim Thema Menschenrechte immer als erstes von ihnen fordern, daß ihre Frauen nackter herum laufen sollten. Eine einfache Frage, die einem was zum Denken gibt.

In diesem Sinne,
Gruß.

Re: Faltung der Kulturen

Zeitgenosse, Friday, 11.11.2005, 21:59 (vor 6943 Tagen) @ Lucius I. Brutus

Als Antwort auf: Re: Faltung der Kulturen von Lucius I. Brutus am 11. November 2005 19:29:

... Bei einer kurzen Plauderei fragte mich dort unser "Guide" (ein einfacher Beduin), warum wir Westler beim Thema Menschenrechte immer als erstes von ihnen fordern, daß ihre Frauen nackter herum laufen sollten. Eine einfache Frage, die einem was zum Denken gibt.

Großartig!

Gruß

Zeitgenosse

Re: Faltung der Kulturen

Magnus, Friday, 11.11.2005, 19:46 (vor 6943 Tagen) @ Lucius I. Brutus

Als Antwort auf: Faltung der Kulturen von Lucius I. Brutus am 11. November 2005 13:41:

Vielleicht muß man langsam verkünden, daß Demokratie und Menschenrechte, das Ergebnis jahrhundertlanger dialektischer Entwicklung unserer Kultur sind

Schön wäre es, wenn dem so wäre. Ist es aber nicht.

Magnus

Re: Faltung der Kulturen

Scipio Africanus, Tuesday, 15.11.2005, 13:40 (vor 6940 Tagen) @ Lucius I. Brutus

Als Antwort auf: Faltung der Kulturen von Lucius I. Brutus am 11. November 2005 13:41:

Man hört öfters von den Mendlungen, wie unten angelinkt.
Ich möchte es in den Raum stellen, auch wenn es vielleicht einigen weit hergeholt scheint.
Die ach-so zivilisierte westliche Welt griff mit "autoritärer" Menschenrechtsrhetorik in einer fremden Welt und einer fremden Kultur, den Irak, ein. Resultat: Sie metzeln sich gegenseitig ab. Mit ähnlicher Menschen- und Frauenrechtsrhetorik beeinflusst man heute andere Kulturen, hier im Beispiel der türkischen. Das Resultat: Sie metzeln sich gegenseitig ab.
Vielleicht muß man langsam verkünden, daß Demokratie und Menschenrechte, das Ergebnis jahrhundertlanger dialektischer Entwicklung unserer Kultur sind und keineswegs moralische absolute Werte darstellen, die man durch besser werden einfach besitzen oder kaufen kann.
Lucius

Es gibt da ein gutes altes deutsches Sprichwort : Jeder kehre zuerst vor der eigenen Tür. Es ist sehr bequem, andere auf ihre Unzulänglichkeiten hinzuweisen, dabei die eigenen zu ignorieren. FeministInnen haben diesen ekelhaften Missionarsgedanken neu belebt. Es gilt, die unzivilisierten Wilden zur reinen Lehre zu bekehren. Mir graust schon lange davor !

Scipio Africanus

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