Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Die Rolle der Lesben in der Frauenbewegung

Eugen, Tuesday, 15.11.2005, 23:17 (vor 6939 Tagen) @ DsP

Als Antwort auf: Die Rolle der Lesben in der Frauenbewegung von DsP am 15. November 2005 19:32:

Eine Frage zur Geschichte und tieferen Motivationslage des Feminismus:
Nahmen/nehmen Lesben eine entscheidende oder nur eine Mitläuferrolle ein? (Tippe auf Ersteres: Meines Wissens ist Alice Schwartzer lesbisch und damit nicht die einzige bedeutende Figur in der Frauenbewegung.)

Hallo,
dazu ein kleiner Ausschnitt aus dem Handbuch für Männer in Zeiten von Aids und Feminismus:
Gruß, Eugen
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Lesben und heterosexuelle Männer
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Lesben lieben Frauen? Sieh mal an! Da hätten wir sogar etwas gemeinsam!
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Warum beschäftigen wir uns hier mit Lesben? Dafür gibt es private und gesellschaftliche Gründe. Wer von der Vorstellung beseelt ist eine Lesbe zu ‘bekehren’, tut mir schon jetzt leid. Die Befürchtung, es könne bei Männern solche Phantasien geben, ist nicht unbegründet. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge reagieren Männer sexuell am stärksten auf solche Abbildungen, die zwei Frauen in zärtlichem Umgang miteinander zeigen. Es sei das Fehlen eines männlichen Rivalen auf diesen Bildern, was anmacht, so wurde spekuliert. Wie auch immer: Männer haben eine natürliche promiskuitive Veranlagung, und der Wunsch vieler Männer ist, einmal mit zwei oder mehreren Frauen im Bett zu sein. Die Vorstellung, dies müssten idealerweise Lesben sein, kann allerdings nur aus einer ignoranten Verkennung der lesbischen ‘Philosophie’ entspringen. Vergiss es! Heterofrauen sind schon kompliziert genug. Wenn du Masochist bist, dann kannst du’s ja probieren...
Weitaus bedeutsamer sind gesellschaftliche Gründe, sich mit Lesben zu beschäftigen. Der lesbische und der feministische Kosmos überschneiden sich erheblich. Was Lesben privat in ihrem Kämmerlein treiben, ist ihre Sache. Öffentlich aber scheinen sie weniger mit Homosexualität beschäftigt, als damit, die ‘patriarchalisch dominierte Heterosexualität’ abzulehnen. Das (Männer-)Vermeidungs-Motiv erscheint mindestens ebenso stark, wie das (Frauen-)Annäherungs-Motiv. Die bewusste „Unter­schei­dung der lesbisch-feministischen von einer männlichen Lebensweise wurde (in den siebziger Jahren) zu einem zentralen Thema.“ Und „Die lesbische Szene ist heute weithin Teil der Frauenbewegung. Der Feminismus will neue gesellschaftliche Verhältnisse etablieren. In erster Linie geht es dabei [...] um die Abschaffung des Pa­tri­archats.“(184)
Dass Lesben nicht mit Männern vögeln wollen, ist ihre Sache. Müssen sie deswegen Männer schlecht machen, sie öffentlich diskriminieren, sie ‘abschaffen’? Offenbar...
„Die wortgewaltigsten Sprecherinnen der feministischen Sex­ual­kritik ha­ben mit Heterosexualität wenig bis gar nichts im Sinn, weil diese ihrer eigenen Präferenz zuwiderläuft... Männer erscheinen dort vor allem deswegen als so lieblos, weil die Autorinnen sie nicht... lieben und begehren können.“ (Lautmann, Rüdiger in: Pro Familia Magazin, Heft 3/97). Der Feminismus, eine lesbische Kon­troll­strategie, vergesellschaftete Sexualpräferenz, latente oder manifeste Männerfeindlichkeit... interessant! Und Grund genug, einen Blick auf den lesbischen Kosmos zu werfen.
Die Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Homosexualität sind andere, aber keinesfalls geringer, als die zwischen männlicher und weiblicher Heterosexualität. Schwule sind nicht schwul, weil sie Frauen ablehnen, sondern weil sie Männer begehren. Sie sind durchaus nicht den ganzen Tag damit beschäftigt Frauen abzulehnen, weder gesellschaftlich noch privat. Ob sie sich offenbaren oder nicht - sie brauchen keine Avancen von Frauen zurückweisen, weil Männern generell keine gemacht werden. Lesben stehen schon eher mal vor diesem Problem, was aber meist zu einem Problem des irregeleiteten Heteromannes wird.
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Übungsaufgabe
In der Wissenschaft muss man für die Ausnahme dankbar sein. Wie sollten wir sonst die Regel erkennen? Wenn du gerade nichts besseres zu tun hast, erforsche: Gibt es Schwule, die Kinder möchten? Welche Möglichkeiten haben sie? Was machen Lesben, die Kinder wollen? Warum gibt es schwule Prostitution? Gibt es auch einen Lesbenstrich? Wenn nein, warum nicht? Spielt Jungfernschaft eine Rolle? Gibt es sexistische Anmache, sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung unter Lesben? Wo finden wir Antworten auf solche Fragen und was können zu unserem Bild der Heterofrau beitragen?
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Gewiss, auch Lesben haben Plätze der dinglichen und ästhetischen Ausgestaltung ihrer Lebensweise. Die Medien haben es jedoch leider an sich, nur Naturkatastrophen, Hella von Sinnen und anderen Schrecknissen Gehör zu verleihen. Im übrigen ist der lesbische Kosmos weniger öffentlich präsent, kapselt sich gegen Männer, insbesondere Heteros, mehr ab, erscheint öffentlich mehr als gekränkter Narzissmus, denn als ungenierte Eigenliebe. „Als Lesbe gehst du ständig gegen Männer, Macker, bestehende Strukturen an. ...eine Art Profilneurose.“ Sigrid (Sado-Maso-Anhängerin) über die Lesben-Szene (s. Fußnote, S. 224).
Die Anmutungsqualitäten des lesbischen Kosmos haben deutlich weniger Unterhaltungswert als die des schwulen. Das ist nicht verwun­derlich. Mit einem bewusst asexuell gehaltenen Äußeren versuchen bestimmte Lesben jeden Anschein zu vermeiden, hetero­sexu­elle Lebensweise zu kopieren. Ein Film wie: „Ein Käfig voller Narren“ im Lesbenmilieu? Undenkbar! Was Lesben dazu offenbar fehlt ist kritische Selbstironie. Viel zu sehr sind sie mit der Abgrenzung gegenüber Männern, ‘dem Patriarchat’, ‘der Heterozwangssexualität’ und ähnlichen Windmühlen beschäftigt. Auf diesem Felde zumindest sind (Homo-) Männer den (Homo-) Frauen weit voraus.
Männer wollen Sex - Frauen wollen Kinder! Dies ist sicher nicht die ganze Wahrheit, aber falsch ist es darum noch lange nicht. Die lesbische Rolle bringt demnach eher einen Nachteil mit sich - erhebliche Komplikationen und Zugeständnisse, wenn die Lesbe Kinder will. Männern hingegen beschert die Homosexualität einen erweiterten Nutzen. Sie müssen nicht befürchten, dass ihre sexuellen Bedürfnisse für den Kinderwunsch einer Frau instrumentalisiert werden. Ganz anders als der Hetero können sie ihre Sexualität ausleben. Sie ist eben nicht in den Dienst eines fremden Programms gestellt.
Daraus ergibt sich einiges, worum wir schwule Männer beneiden können: Ihre hohe sexuelle Identität, ihre unzweideutige Sprache und ihre griffige Ästhetik. Ein schöner Traum! wird vielleicht mancher Schwule seufzen. Aber die Außenseitersituation bringt es mit sich, dass unter Schwulen mehr Männer zu finden sind, die zu ihrer Sexualität explizit Stellung beziehen müssen. „Ein schwuler Mann entscheidet sich nicht für ‘seine’ Homosexualität, aber er kommt im Laufe seiner Geschichte an einen Punkt, an dem er gezwungen ist, sich mit seinem Anderssein, mit seiner anderen sex­u­­ellen Vorliebe auseinanderzusetzen.“ (M.T.J. Grimme) (185) Nun, wir brauchten nur die Hinzufügung ‘anders’ weglassen und kämen zu der Empfehlung, dass solche Übung auch keinem Hetero schadet.
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Die Homoehe
Ratgeber Frauenfragen
Napoleon Seyfarth, bekennend schwul, hat eine Lesbe geheiratet: „Wir führen eine ideale Ehe. Ich habe ihr geschworen, sie nie mit einer anderen Frau zu betrügen.“
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Nun fordern Homosexuelle heiraten zu dürfen. Ein zweifelhafter Fortschritt - haben wir doch geglaubt, jene seien der sexuellen Anarchie186 prinzipiell einen Schritt näher. Aber es geht nicht um Emanzipation und auch nicht um den Ritus. Schließlich können sie jederzeit ‘heiraten’. Es geht ihnen darum, sich an ein öffentliches Reglementierungs- und Subventionierungsmodell dranzuhängen.
Die Gründe sind dann auch keine anderen wie bei Heteros. Natürlich lassen sich Fragen wechselseitiger Fürsorge auch privatvertraglich regeln, aber dazu gehört etwas Grips und die Offenheit, Probleme anzusprechen. Bei der bürgerlichen Ehe ist das Paket schon geschnürt. Da ist alles drin, keiner muss sich Gedanken machen, emanzipatorisches Bewusstsein ist eher hinderlich. Deswegen wurde sie wohl auch erfunden. Kurz: Die Forderung homosexueller Paare, heiraten zu ‘dürfen’ ist antiemanzipatorisch und deswegen ebenso abzulehnen, als wollte ich mich selbst oder meinen Kater heiraten, um Steuervorteile zu haben. Dennoch spricht nichts dagegen im Einzelfall Gewinn aus albernen Vorgaben des Staates zu schlagen, sofern dies nicht dazu beiträgt, emanzipationsfeindliche Strukturen zu stabilisieren.
Es gibt Lesben, so ist zu hören, die die Homoehe ablehnen. Ah schön! Ist Fortschritt möglich...? Aber warum lehnen sie die Ehe ab? Nicht etwa, weil das ein antiemanzipatorisches Instru­ment ist, sondern weil sie „... diese patriarchalische Struktur“ ablehnen. Die Ehe als patriarchalische Struktur - das ist grotesk, wirklich komisch, müsste man nicht befürchten, dass sie es ernst meinen. Dennoch ist selbst eine solche groteske Argumentation nicht ohne Gewinn, verhilft sie uns doch zur sensationellen Entdeckung einer neuen Spezies: Den Frauenfrauen - Lesben, die den Feminismus vor sich hertragen, die Männer mithin gleich zweifach ablehnen. Das macht uns echt betroffen, so ungeliebt zu sein...

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(Auszug aus: 'Handbuch für Männer in Zeiten von Aids und Feminismus' von Eugen Prinz. Copyright: Maus-Verlag, 2001)
(z.Zt. vergriffen)

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184 Wetzenstein, T., Steinmetz, L., Reis, C., Eckert, R.: Sadomasochismus. Szenen und Rituale. Rororo
185 Grimme, Matthias T.J. in: Die Ungleichen Brüder - Zum Verhältnis zwischen schwulen und heterosexuellen Männern. rororo.


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