Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Neues vom verschwundenen Zweijährigen

Maesi, Friday, 25.11.2005, 00:26 (vor 6930 Tagen) @ Lucius I. Brutus

Als Antwort auf: Re: Neues vom verschwundenen Zweijährigen von Lucius I. Brutus am 22. November 2005 18:30:

Hallo Lucius

Danke für den Link, sowas suche ich ständig. Hast auch Links zu Studien über Alleinerziehende Mütter, zum gleichen Thema (Stör- und Strafanfälligkeit Kinder alleinerziehenden Mütter). Die Zahlen, die im Thread zu lesen sind, sind zwar jedem bekannt. Es fehlt mir dennoch eine grundsolide Studie bzw. Analsysen oder Artikel dazu.

Eine Studie, die explizit alleinerziehende Muetter und ihre Kinder untersucht, kenne ich leider nicht. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die meisten Studien ueber Scheidungskinder die reale Situation beruecksichtigen und groesstenteils Einelternfamilien mit Mutter und Kindern untersuchen. Interessant erscheinen mir v.a. Langzeitstudien, die Nachscheidungs-Familien ueber mehrere Jahre hinweg untersuchen. Leider gibt es auf diesem Gebiet gar nicht so viele Forschungsberichte, wie man aufgrund des permanenten Interesses vielleicht vermuten koennte. Im deutschsprachigen Raum ist mir nur die Arbeit von Dr. Anneke Napp-Peters bekannt, die waehrend 12 Jahren 150 Familien wissenschaftlich begleitete; ihre Forschungsergebnisse sind auch als Buch (Familien nach der Scheidung, ISBN 3-888-97159-4) herausgekommen, das ich bisher aber nicht gelesen habe, da es in der oeffentlichen Bibliothek, die ich besuche, leider nicht vorhanden ist. Nachfolgend noch ein Link zu einem Referat von Frau Dr. Napp-Peters, in der sie die Ergebnisse ihrer Forschung zusammenfasst. Daneben gibt es zwar noch andere Wissenschaftler und Sozialarbeiter im deutschsprachigen Raum (z.B. Dr. Wassilios Fthenakis, Wera Fischer), die aber weniger aufgrund statistisch ausgewerter Faelle sondern vielmehr infolge ihrer praktischen paedagogischen Arbeit Aufsaetze und Buecher verfasst haben; Dr. Fthenakis hat mehrere Buecher ueber Scheidungsfamilen geschrieben und vertritt vehement das Prinzip der doppelten Residenz der Kinder nach der Scheidung.

In den USA hat Judith Wallerstein seit 1971 Langzeitstudien (ueber einen Zeitraum von 25 Jahren hinweg) ueber Scheidungskinder betrieben; man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet hat. Auch sie hat zusammen mit zwei Co-Autorinnen ein Buch herausgegeben, das sogar ins Deutsche uebersetzt worden ist ('Scheidungsfolgen - Die Kinder tragen die Last', von Judith Wallerstein, Julia Lewis und Sandra Blakeslee, ISBN 3-935-98403-0). Meines Wissens beziehen sich die am meisten zitierten negativen Auswirkungen von Scheidungen auf die Kinder mittelbar oder unmittelbar auf ihre Forschungsarbeiten.

Einen eher theoretischen Ansatz hat die franzoesische Psychoanalytikerin Dr. Christiane Olivier gewaehlt. Ihr Buch 'Die Soehne des Orest' ist eher ein Plaedoyer fuer die Wichtigkeit beider Elternteile fuer die gesunde Entwicklung des Kindes aus theoretisch-psychologischer Sicht, sie selbst hat diesbezueglich jedoch IMHO keine empirische Forschung betrieben; das Buch selbst scheint in seiner deutschen Ausgabe vergriffen zu sein.

Zusammenfassung: Am ergiebigsten werden wahrscheinlich die Arbeiten von Napp-Peters und Wallerstein sein, denn diese beiden Wissenschaftlerinnen haben sich intensiv und ueber laengere Zeitraeume hinweg mit Auswirkungen von Scheidungen auf die betroffenen Kinder befasst. Links zu ihren vollstaendigen Arbeiten sind wohl kaum zu finden - wenn sie sie in Buchform herausgeben, werden sie diese natuerlich auch verkaufen wollen. Allenfalls muesstest Du nach Zusammenfassungen/Rezensionen ueber Arbeiten dieser Autorinnen googeln oder (so wie ich) in einer oeffentlichen Bibliothek nach deren Buechern Ausschau halten.

Insgesamt moechte ich aber nochmals betonen, dass ich eine strikte Trennung in alleinerziehende Muetter und Vaeter fuer wenig sinnvoll halte. Ich glaube nicht an geschlechterspezifische Strategien in diesem Bereich sondern eher daran, dass Alleinerziehende aufgrund der angetroffenen Umstaende und ihrer individuellen Charakterzuege gewisse Strategien entwickeln, die oftmals wenig kinderfreundlich sind; die Realitaet in der Rechtsprechung und die sehr unterschiedliche Qualitaet der Jugendaemter haben ebenfalls einen entscheidenden Einfluss. Den praktischen Wert der Studie des Daenischen Sozialforschungsinstituts ueber alleinerziehende Vaeter sehe ich denn auch weniger darin, die Maenner als die besseren Alleinerziehenden hinzustellen sondern vielmehr darin, dass Muetter keineswegs die besseren Alleinerziehenden (oder gar die besseren Kindererzieher insgesamt) sind.

Gruss

Maesi

Vortrag Anneke Napp-Peters


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