Landgericht spricht Stiefvater (35) frei
Landgericht spricht Stiefvater (35) frei
Traunstein/Rosenheim (kd) - Freispruch für einen 35-jährigen Mann aus dem Landkreis Rosenheim: Die Jugendkammer am Landgericht Traunstein sah es auch am sechsten Verhandlungstag und nach Anhörung zahlreicher Zeugen nicht als erwiesen an, dass der Mann seine Stieftochter zwischen 1993 und 1995 sexuell missbraucht hatte, wie man ihm vorwarf.
Vorsitzender Richter Ulrich Becker führte in der Urteilsbegründung an, dass der Bundesgerichtshof (BGH) in Fällen, bei denen «Aussage gegen Aussage» steht, besonders hohe Anforderungen an die Glaubwürdigkeit von Zeugen stellt.
Im vorliegenden Fall seien viele Widersprüche ungeklärt und zahlreiche Fragen offen geblieben. «Deshalb konnten wir nur einen Freispruch erteilen», so Becker. Staatsanwalt Johannes Hofer hatte den Sachverhalt der Anklage als bestätigt gesehen und eine siebenjährige Freiheitsstrafe beantragt. Die Vertreterin der Nebenklage, Manuela Denneborg aus Rosenheim, hatte sich dem angeschlossen. Der Verteidiger, Harald Baumgärtl aus Bernau, hatte hingegen auf Freispruch mangels hinreichender Beweise plädiert. Sein Hauptargument waren die Widersprüche, in die sich die Zeugen verstrickt hatten. Der Angeklagte selbst hatte die Vorwürfe von Anfang an als unwahr und erfunden bezeichnet.
Wie der langwierige Prozess zeigte, war in der zusammengewürfelten Familie mit Kindern aus mehreren Beziehungen und wechselnden Partnern Gewalt an der Tagesordnung. Aus nichtigem Anlass heraus wurden Kinder zum Beispiel mit einem Kochlöffel geschlagen. Ohrfeigen hagelte es bei jeder Kleinigkeit. Ein Bub wurde verprügelt, weil er es nicht geschafft hatte, zur Strafe wegen einer anderen Sache zwei Stunden lang aufrecht auf der Bettkante zu sitzen und stattdessen eingeschlafen war. Immer wieder herrschte Streit um das Umgangsrecht der leiblichen Väter mit ihren Kindern. Sexuelle Dinge wurden in äußerst freizügiger Weise vor den noch kleinen Kindern debattiert. Eine Zeugin von der Kripo Rosenheim bestätigte die schwierigen Familienverhältnisse. Der erste Hinweis auf angeblichen Missbrauch der Stieftochter im Alter von acht bis etwa zehn Jahren kam von dem Mädchen selbst und in ganz anderem Zusammenhang bei einem Termin bei der Polizeiinspektion Brannenburg.
Widersprüche nicht aufgeklärt
Trotz der Vernehmung vieler Zeugen konnte die Jugendkammer die Widersprüche der Aussagen in wichtigen Kernbereichen nicht aufklären. Das Gericht vermochte nach Worten Beckers nicht auszuschließen, «dass das Opfer von der Mutter instrumentalisiert wurde», um dem Angeklagten, mit dem die Mutter in Streit lag, zu schaden.