Frauen finden Frauen gut
aus der aktuellen "Psychologie heute" S 9
Frauen finden Frauen gut
Bislang neigten Frauen dazu, ihre Geschlechtsgenossinnen kritischer zu beäugen als Männer. Das hat sich nun geändert, wie neuere Studien belegen.
"Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus", heißt ein altes Sprichwort. Dies schien bislang aber stärker für Männer als für Frauen zu gelten. Denn in ihrem Urteil über dieKompetenzen von Frauen urteilten Frauen in zurückliegenden Studien wesentlich kritischer, als es Männer taten. Derselbe Text wurde von Frauen für besser und der Autor für kompetenter gehalten, wenn ein Männername anstelle eines Frauennamens darüber stand.
Doch dieses Bewertungsverhalten hat sich in Deutschland verändert, wie Melanie C. Steffens berichtet. Die Psychologin von der Universität Jena konnte in einer aktuellen Untersuchung keine Hinweise darauf finden, dass Bewerberinnen für weniger kompetent gehalten werden als Bewerber. Bei der Studie wurden Probanden angebliche Bewerberinterviews vorgespielt: Der gesprochene Text war identisch, die Stimme war weiblich oder männlich.
"In vier Untersuchungen haben wir nicht einmal gefunden, dass ein Bewerber für kompetenter gehalten wurde als eine Bewerberin", sagt Steffens.
In einer weiteren Studie hat die Jenaer Psychologin zusammen mit ihren Kolleginnen ein Reaktionszeitmaß verwendet, um zu prüfen, ob im Allgemeinen Männer mit Kompetenz und Frauen mit Inkompetenz assoziiert werden. Teilgenommen haben männliche und weibliche Führungskräfte, Studenten und Studentinnen sowie Frauenbeauftragte. "Wir haben ermittelt, dass Männer eine Assoziation männlich = kompetent haben, Frauen dagegen eine Assoziation weiblich = kompetent", fasst Steffens zusammen. Es wurde also jeweils das eigene Geschlecht favorisiert. Der alte Befund, wonach Männer auch von Frauen für kompetenter gehalten werden als Angehörige des eigenen Geschlechts, lässt sich nicht mehr bestätigen.