Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de

Conny, Saturday, 31.12.2005, 17:24 (vor 6893 Tagen)

http://de.wikipedia.org/wiki/Wahlrecht#Geschichte_des_Wahlrechts

Geschichte des Wahlrechts in Deutschland

Im Deutschen Reich hatten bis 1919 nur die Männer ein Wahlrecht. Erst nach Ende des ersten Weltkrieges, der Abschaffung des Kaiserreichs (Monarchie) und Gründung einer neuen republikanischen Staatsform (Weimarer Republik) wurde das Frauenwahlrecht eingeführt. Gleichzeitig wurde auch das bis dahin nur in Preußen und Sachsen noch geltende "Dreiklassenwahlrecht" abgeschafft, das die besitzenden (z.B. Hausbesitzer) und einkommensstarken Bevölkerungsschichten bei der Zuteilung von Mandaten im Preußischen Landtag bis dahin bevorteilt hatte.

Die Grundsätze für die Wahl in der Bundesrepublik Deutschland (seit 1949) sind im Grundgesetz aufgelistet, Details der Wahl bestimmt das Bundeswahlgesetz.

* 1945 Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht wird von 20 auf 21 Jahre angehoben.
* 1970 Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht wird von 21 auf 18 Jahre gesenkt.
* 1995 In Niedersachsen wird das Wahlalter für Kommunalwahlen auf 16 gesenkt. Weitere Bundesländer folgten.
* 2004 Ein neues Hamburger Wahlrecht wird per Volksentscheid für die Landesebene eingeführt. Es gibt der Direktwahl von Kandidaten für die Hamburgische Bürgerschaft und die Bezirksparlamente eine höhere Gewichtung als der Wahl von Parteilisten.

Stimmt das so? Das habe ich schon anders gelesen.

Freundliche Grüße
Conny

Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de

Dark Knight, Sunday, 01.01.2006, 05:17 (vor 6893 Tagen) @ Conny

Als Antwort auf: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de von Conny am 31. Dezember 2005 15:24:

Im Deutschen Reich hatten bis 1919 nur die Männer ein Wahlrecht. Erst nach Ende des ersten Weltkrieges, der Abschaffung des Kaiserreichs (Monarchie) und Gründung einer neuen republikanischen Staatsform (Weimarer Republik) wurde das Frauenwahlrecht eingeführt.

So weit richtig.
Wobei allerdings die Frage ist, ob das Frauenwahlrecht durch die Revolution und Gründung der Republik erst mitgeboren wurde, oder ob es nach dem Krieg auch so gekommen wäre.
Ich denke, eher letzteres, denn die allgemeine Entwicklung ging Richtung Frauenwahlrecht... und ob nun eine Republik oder eine konstitutionelle Monarchie - dem hätte sich Deutschland auf Dauer nicht verweigern können.

Übrigens... das Frauenwahlrecht ist meines Wissens ohnehin ein Kind der Moderne... die antiken Staaten, die demokratisch, bzw. republikanisch waren (z.B. Rom oder Athen), kannten das Frauenwahlrecht überhaupt nicht, und, soweit mir bekannt, die mittelalterliche Republik in Venedig auch nicht.

Zu den anderen Sachen kann ich nichts weiter sagen, da mögen bitte andere Experten in die Bresche springen.

Dark Knight

Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de

stiller Mitleser ;-), Sunday, 01.01.2006, 16:40 (vor 6892 Tagen) @ Dark Knight

Als Antwort auf: Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de von Dark Knight am 01. Januar 2006 03:17:

"Männerwahlrecht" - "Frauenwahlrecht"

Muß man das nicht eher im gesellschaftlichen Zusammenhang sehen? Ich denke nicht, daß den Frauen das Wahlrecht verwehrt wurde, um sie zu diskriminieren. Die Stimme des Mannes sollte wohl eher die Stimme der Familie sein, denn der Mann war ja der Repräsentant der Familie. Ungerecht war dabei natürlich schon, daß ein alleinstehender Mann eine Stimme hatte - die alleinstehende Frau oder eine Witwe dagegen nicht. Aber gab es damals nennenswert viele Singles?

Ich bin der Meinung, daß eine gemeinsame "Familienstimme" durchaus Sinn macht - wenn man die Institution Familie als Projekt mit Zukunft und nicht nur als Lebensabschnittsphase zur persönlichen Bereicherung betrachtet. Welchen Sinn macht es, wenn zwei Partner gegensätzliche politische Positionen wählen, wenn sie ein gemeinsames Zukunftsziel haben?

Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de

Dark Knight, Sunday, 01.01.2006, 18:48 (vor 6892 Tagen) @ stiller Mitleser ;-)

Als Antwort auf: Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de von stiller Mitleser ;-) am 01. Januar 2006 14:40:

Ungerecht war dabei natürlich schon, daß ein alleinstehender Mann eine Stimme hatte - die alleinstehende Frau oder eine Witwe dagegen nicht. Aber gab es damals nennenswert viele Singles?

1919, bei der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland ? Ich denke mal, ja... schließlich war der Erste Weltkrieg ja noch nicht sooooo lange vorbei... (nur nannten sich die "Singles" da wohl eher "Kriegerwitwen")

Dark Knight

Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de

Conny, Sunday, 01.01.2006, 21:38 (vor 6892 Tagen) @ Dark Knight

Als Antwort auf: Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de von Dark Knight am 01. Januar 2006 16:48:

Ungerecht war dabei natürlich schon, daß ein alleinstehender Mann eine Stimme hatte - die alleinstehende Frau oder eine Witwe dagegen nicht. Aber gab es damals nennenswert viele Singles?
1919, bei der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland ? Ich denke mal, ja... schließlich war der Erste Weltkrieg ja noch nicht sooooo lange vorbei... (nur nannten sich die "Singles" da wohl eher "Kriegerwitwen")
Dark Knight

Ich dachte, daß das so war mit dem Wahlrecht der Frau: das erkämpften sich 1918 bauern, soldaten und matrosen, die vorher ebenfalls nicht wählen durften.

Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de

Rüdiger, Sunday, 01.01.2006, 22:46 (vor 6892 Tagen) @ Conny

Als Antwort auf: Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de von Conny am 01. Januar 2006 19:38:

Dark Knight[/i]

Ich dachte, daß das so war mit dem Wahlrecht der Frau: das erkämpften sich 1918 bauern, soldaten und matrosen, die vorher ebenfalls nicht wählen durften.

Natürlich durften die vorher schon wählen. Bei den Wahlen zum gesamtdeutschen Reichstag war das Wahlrecht (der Männer) schon im Kaiserreich meines Wissens allgemein und gleich. Das vielzitierte Dreiklassenwahlrecht galt NUR innerhalb Preußens (bzw. Sachsens) und galt für die Wahlen zum preußischen bzw. sächsischen Landtag. In den einzelnen deutschen Staaten (man sagte damals "Staaten", nicht Länder) galten ganz verschiedene Wahlrechte für die Landtage, vom liberal-fortschrittlichen allgemeinen und gleichen Wahlrecht in Baden etwa bis zum rückständigen Mecklenburg, das noch bis 1918 gar kein allgemeines Wahlrecht für den Landtag kannte, vielmehr noch eine alte landständische Verfassung aus dem 15. Jahrhundert. Auch Kuriosa gab's wie eine Zweitstimme für die über 40jährigen (allerdings nicht in Schwaben!). Auch bedeutete das Dreiklassenwahlrecht keineswegs, daß die Bauern und Arbeiter nicht wählen durften, sondern ihre Stimme hatte lediglich weniger Gewicht.

Gruß, Rüdiger

Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de

Garfield, Monday, 02.01.2006, 18:43 (vor 6891 Tagen) @ stiller Mitleser ;-)

Als Antwort auf: Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de von stiller Mitleser ;-) am 01. Januar 2006 14:40:

Hallo Mitleser!

Ich denke, es hing sehr damit zusammen, daß bestimmte Pflichten eben auch nur für Männer galten (und teilweise heute immer noch nur für sie gelten). Man sah es eben so, daß ein Wahlrecht nur jemandem zusteht, der im Gegenzug auch entsprechende Verpflichtungen hat.

Ähnlich begründete man auch das Klassenwahlrecht bzw. in früheren Zeiten die Tatsache, daß das einfache Volk politisch gar nicht mitbestimmen konnte. Man sah es eben so, daß jemand, der Land besaß, somit auch ein Interesse daran hatte, dieses Land zu verteidigen und deshalb auch wehrpflichtig sein mußte. Wenn er aber wehrpflichtig war, dann war es logisch, daß er auch ein gewisses politisches Mitbestimmungsrecht hatte.

Das alles erschien so erst einmal logisch, ließ aber gewisse Fakten außen vor. Z.B. die Tatsache, daß Menschen ohne eigenes Land ja zu Zeiten der Leibeigenschaft oftmals nicht einfach so auswandern durften, wenn ihnen etwas im Land nicht gefiel. Überhaupt wurden viele Bauern ja erst durch die Wehrpflicht dazu gezwungen, ihr Land zu verkaufen, weil sie sich die immer weiter steigenden Kosten für die militärische Ausrüstung nicht mehr leisten konnten. Übersehen wurde auch gern die Tatsache, daß es in vielen Ländern für Reiche die Möglichkeit gab, sich von der Wehrpflicht freizukaufen und daß es dann letztendlich doch überwiegend Angehörige des einfachen Volkes waren, die im Krieg tatsächlich ihr Leben riskieren mußten - wenn sie Glück hatten, als Söldner, wenn sie Pech hatten, aber auch zwangsweise.

Was nun das Frauenwahlrecht angeht, so war es eben so, daß Frauen in den meisten Ländern tatsächlich niemals wehrpflichtig waren und daß sie auch oft nicht dazu verpflichtet waren, die Familien zu ernähren. Deshalb erschien es logisch, ihnen kein Wahlrecht zu geben. Die Mächtigen haben dem einfachen Volk ja ohnehin das Wahlrecht nur widerwillig zugestanden, und da nutzte man jede Gelegenheit, um dieses Wahlrecht einzuschränken. Daß es für die Reichstagswahlen schon vor 1918 ein vollwertiges Wahlrecht für alle Männer gab, resultierte vor allem daraus, daß viele Deutsche 1871 noch gar nicht national dachten. Das betraf auch viele Herrscher der deutschen Staaten. Selbst der preußische König ließ sich 1871 nur widerwillig von Bismarck dazu überreden, sich zum Kaiser eines neuen Deutschen Reiches krönen zu lassen. Er tat das auch nur unter der Bedingung, weiterhin auch König von Preußen zu bleiben, denn dieser Titel war ihm weitaus wichtiger. Deshalb interessierten sich viele deutsche Herrscher wohl auch wenig für die Reichstagswahlen. Wichtiger war ihnen, daß es in ihren Landesparlamenten weiterhin ein Klassenwahlrecht (oder wie in Mecklenburg gar kein allgemeines Wahlrecht) gab.

Es hat in Deutschland zwar Frauen gegeben, die sich für das Frauenwahlrecht einsetzten, z.B. Klara Zetkin. Aber sehr viele waren das nicht, und sie veranstalteten auch keine so großen Aktionen dafür, wie es sie teilweise in anderen Ländern gab. Ich schätze, ohne den Ersten Weltkrieg und die Revolution von 1918 wäre das Frauenwahlrecht in Deutschland wohl sehr viel später eingeführt worden. Als aber durch die revolutionären Ereignisse von 1918 die Sozialdemokraten an Einfluß gewannen, mußten sie möglichst viel tun, um den unzufriedenen Massen etwas zu bieten, ohne ihnen zu weit entgegen zu kommen. Das Frauenwahlrecht hielt man dazu für geeignet, weil es etwas Neues war und somit vielleicht den Eindruck erwecken konnte, daß sich nun etwas bewegt. Und natürlich erhoffte man sich als Dank dafür sicher auch die Stimmen der Frauen bei der nächsten Wahl. Da ja viele Männer im Krieg gefallen waren und es durch Kriegseinwirkung nur wenige Opfer unter der deutschen Zivilbevölkerung gegeben hatte, waren die Frauen zu der Zeit noch etwas mehr in der Überzahl als gewöhnlich. Da lohnte sich so etwas schon.

Tatsächlich hat also niemand in Deutschland das Frauenwahlrecht wirklich erkämpft. Es waren vor allem die Soldaten, die die Voraussetzungen für die Einführung des Frauenwahlrechts geschaffen haben. Wilhelm II. ist ja auch erst abgetreten, nachdem man ihm versichert hatte, daß die Masse der Soldaten nicht mehr loyal zum Kaiserreich steht, deshalb nicht mehr zuverlässig ist und somit weder gegen die Kriegsgegner noch gegen die protestierende Bevölkerung mit Aussicht auf Erfolg eingesetzt werden kann. (Übrigens hatten Matrosen keinen großen Anteil an den Unruhen von 1918 - es war nur unter Revolutionären sehr populär, sich als Matrosen auszugeben und Marineuniformen zu tragen, weil Matrosen in den russischen Revolutionen teilweise eine große Rolle gespielt haben.)

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de

ChriBu (Gast), Sunday, 01.01.2006, 21:41 (vor 6892 Tagen) @ Conny

Als Antwort auf: Geschichte des Wahlrechts auf wikipedia.de von Conny am 31. Dezember 2005 15:24:

Wenn ein Absatz schon mit "Im Deutschen Reich hatten bis 1919 nur die Männer ein Wahlrecht ..." beginnt, ist doch wohl klar woher der Wind weht. Wenn man sich die Geschichte der Demokratie in Deutschland nämlich mal genauer anschaut, dürfte recht schnell klar werden, dass bis 1919 durchaus nicht jederman(n) hat wählen dürfen. Es wahr also auch noch von anderen Faktoren abhängig, als NUR dem Geschlecht - und damit ganz und gar nicht volksdemokratisch. Das wird zwar ein paar Sätze später unter "Dreiklassenwahlrecht" kurz erwähnt, relativiert jedoch die absolute "Eröffnung" nicht.

Der ganze Absatz ist sowieso grottenschlecht formuliert. Vermutlich wurde er aus einzelnen Sätzen, wie dem ersten, einfach nur "zusammengestückelt". Man sollte ihn "wellformed" entsprechend sachlich gestalten.

Wikipedia eben ... Tummelplatz für Profilneurotiker!

Gruß, Christian (ein anderer)

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