Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: abendliche Ausgangssperre & Führerscheinentzug für Unterhaltsverweigerer

Maesi, Thursday, 05.01.2006, 20:34 (vor 6888 Tagen) @ Gast-MS

Als Antwort auf: abendliche Ausgangssperre & Führerscheinentzug für Unterhaltsverweigerer von Gast-MS am 04. Januar 2006 19:03:

Hallo zusammen

Britische Väter, die mit den Alimente-Zahlungen im Rückstand liegen, sollen abends nicht mehr ausgehen dürfen. Entsprechende Pläne enthüllte Londons Arbeits- und Sozialminister John Hutton am Mittwoch in einem BBC-Interview. Die Kontrolle solle erfolgen, indem den Schuldnern Armbänder mit elektronischen Positionssendern angebracht werden.

Die Methode mit den elektronischen Positionssendern zur Ueberwachung des 'Hausarrests' wird immer oefter angewandt als billige Alternative zur Gefaengnisstrafe. Sofern der saeumige Vater rechtskraeftig verurteilt wurde und ihm eine vom Gesetz dafuer vorgesehene Gefaengnisstrafe aufgebrummt wurde, geht das formalrechtlich in Ordnung. Allerdings frage ich mich grundsaetzlich, ob Gefaengnisstrafen fuer unterhaltssaeumige Vaeter ueberhaupt sinnvoll sind. Meines Wissens wurde der Schuldturm abgeschafft, d.h. ein saeumiger Schuldner wird grundsaetzlich nicht mehr ins Gefaengnis gesteckt. Waere es anders, dann koennte man einen nicht unbetraechtlichen Anteil der Bevoelkerung in den Knast stecken, da voellig ueberschuldet - insbesondere 'alleinerziehende Mamis' haetten da ein erhebliches Problem.

Ich finde es ausserdem gefaehrlich, wenn man Unterhaltsforderungen von Kindern an ihre Eltern anders behandeln will als stinknormale Geldforderungen, die dem Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz unterstehen. Damit fuehrt man bei den Glaeubigern Klassenunterschiede (Kinder = Glaeubiger 1. Klasse, uebrige Menschen = Glaeubiger 2. Klasse) ein, die es gemaess dem Grundsatz 'vor dem Gesetz sind alle gleich' eigentlich gar nicht geben duerfte.

Eine Gefaengnisstrafe oder ersatzweise die Methode mit dem Positionssender zur Ueberwachung des abendlichen Hausarrests kommt fuer mich nur dann in Frage, wenn der Unterhaltsschuldner zahlungsunwillig ist, obwohl er eigentlich zahlungsfaehig waere, er also vorsaetzlich und ohne Not die Zahlung verweigert und vorhandenes Einkommen/Vermoegen verschleiert oder beiseiteschafft; dann handelt es sich naemlich nicht mehr um blosse Unterhaltssaeumigkeit sondern um Unterhaltsbetrug. Wie jedem anderen Angeklagten auch muesste ihm das aber vor Gericht nachgewiesen werden (Grundsatz: keine Strafe ohne fairen Prozess), und das ist meist recht schwierig. Einen unverschuldet auf dem Existenzminimum lebenden Menschen wegen Zahlungsunfaehigkeit einzusperren oder auch nur zu naechtlichem Hausarrest zu verdonnern ist hingegen nicht bloss unsinnig sondern widerspricht auch den Menschenrechten und den elementaren Buergerrechten - selbst wenn der Unterhaltsempfaenger noch ein Kind ist und die Nichtzahlung des Unterhalts in diesem Fall als 'besonders schlimm' empfunden wird.

"Ich bin sehr dafür, dass wir hart umgehen mit Leuten, die ihre Pflichten gegenüber den eigenen Kindern nicht erfüllen", sagte Hutton. Die Behörde werde künftig auch stärker die Möglichkeit nutzen, Alimente-Schuldner durch Führerscheinentzug zur Zahlung zu veranlassen.
Quelle: n-tv

Auch diese Moeglichkeit ist fragwuerdig. Soweit jemand zur Berufsausuebung sogar aufs Auto angewiesen ist, ist sie sogar kontraproduktiv. Hier gilt ebenfalls wieder der Grundsatz: keine Strafe ohne fairen Prozess. Ohne Gerichtsverhandlung, in deren Verlauf dem Angeklagten aufgrund der geltenden Menschenrechte die Moeglichkeit zur Verteidigung gegeben werden muss, darf niemandem der Fuehrerschein entzogen werden. Sonst droht eine Behoerdendiktatur, die willkuerlich als Verwaltungsakte getarnte Strafen verhaengen kann.

Gruss

Maesi


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