Jubel: Erste "verzweifelte Mutter" Deutschlands endlich gefunden
Erstes Kind in Potsdamer Babyklappe
Neugeborenes Mädchen anonym abgelegt - es ist bereits bei Pflegeeltern
Jens Blankennagel und Martin Klesmann
POTSDAM. Erstmals hat eine Mutter in der ersten und einzigen Babyklappe im Land Brandenburg ihr neugeborenes Kind abgelegt. Das am 8. Februar geborene Mädchen wurde am selben Tag in der Babyklappe am St.-Josefs-Krankenhaus in Potsdam entdeckt. "Das Mädchen ist gesund und bei einer Pflegefamilie", sagte Krankenhausdirektorin Adelheid Lanz.
Kritiker bemängeln, dass Babyklappen Mütter animieren könnten, es sich leicht zu machen und keine Verantwortung für ihr Kind zu übernehmen. Die Befürworter sehen sie als oft letzten Ausweg für Mütter in Notlagen, da sie ihre Neugeborenen dort anonym abgeben können, statt sie auszusetzen. Die Klappen sollen verhindern helfen, dass verzweifelte Mütter ihre Kinder töten.
30 solcher Tötungsfälle werden jährlich bundesweit registriert. Besonderes Aufsehen erregte der Fall Sabine H., die von 1988 bis 1999 neun Neugeborene getötet haben soll. Ihre in Blumenkübeln versteckten Leichen waren erst im August 2005 in Brieskow-Finkenheerd entdeckt worden.
Anonymität wichtig
"Eigentlich sollte der Fund des Mädchens in der Babyklappe nicht öffentlich bekannt werden", sagte Klinikchefin Lanz. Denn die Klinik sichere den Müttern Verschwiegenheit zu. Die Potsdamer Klappe gibt es seit Juni 2003. Dort kann eine Mutter ihr Baby hinter einer Luke in der Außenwand der Klinik in ein Wärmebett legen. Sie wird nicht beobachtet oder gefilmt und bleibt anonym. Kurz nachdem das Kind in der Klappe abgelegt ist, werden die Ärzte automatisch alarmiert. In der Babyklappe liegt ein Brief an die Mutter. Darin steht, dass sie ihr Kind acht Wochen lang wieder abholen kann, falls der Weg zur Klappe eine Kurzschlussreaktion war.
"Wir sind ein katholisches Krankenhaus, bei uns gibt es keinen Schwangerschaftsabbruch. An erster Stelle steht der Schutz des Lebens", sagte Lanz. Daher habe sich die Klinik nach langer Diskussion für diese Art der Hilfe entschieden. "Sie darf aber nicht als einziger Lösungsweg gesehen werden", sagte sie. Wichtig seien die Hilfs- und Beratungsangebote für verzweifelte Mütter. "Dass die Klappe bei uns so lange nicht genutzt wurde, zeigt, dass sie keine Einladung an die Mütter ist, ihr Kind leichtfertig wegzugeben."
Auch Potsdams Jugendamtsleiter Norbert Schweers teilt die Meinung der Klinikchefin, dass die Gesellschaft es stärker akzeptieren soll, wenn Mütter ihre Kinder zur Adoption freigeben wollen. "Das ist immer besser, als wenn Babys ausgesetzt werden", sagte er.
"Meine Damen hier im Amt waren von dem hübschen Mädel sehr angetan", so Schweers. Das Amtsgericht hat dem Amt die Vormundschaft für das Kind übertragen. Das Mädchen sei an eine Familie gegeben worden, die das Kind adoptieren will und eingehend vom Amt überprüft wurde. "Das wird ein langwieriger Prozess", sagte er. Auch weil die leibliche Mutter ihr Kind zurückverlangen könnte.
"Wir wollen das Problem an der Wurzel packen. Dafür brauchen wir aber keine weiteren Babyklappen", sagte Thomas Wendt, Sprecher des Sozialministeriums. Werdende Mütter mit problematischem Hintergrund müssten bereits während der Schwangerschaft betreut werden. Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD) will im Land ein neues Konzept der Familienbetreuung nach finnischem Vorbild einführen. Kostenlose Babyausstattung, eine eigens angelegte Kinderakte und ehrenamtliche Paten sollen familiäre Notlagen vermeiden helfen. Ein Pilotprojekt entsteht derzeit am Klinikum Niederlausitz in Lauchhammer. Eigens geschulte Helfer sollen jungen Problemfamilien ehrenamtlich unter die Arme greifen - schon vor der Geburt. Später werden die Kinder weiter beobachtet.
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/brandenburg/526433.html