Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Kindererziehung - "Der Wille muss erst gebrochen werden"

Sven, Friday, 17.02.2006, 10:55 (vor 6854 Tagen)

Die "Erzieher" dürften vermutlich hauptsächlich Frauen/Nonnen gewesen sein.
Einige dieser "Erziehungsmethoden" sind, in vielleicht etwas abgewandelter Form, auch heute noch bei vielen Müttern sehr beliebt....

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HEIMKINDER-SCHICKSALE

"Wie geprügelte Hunde"

Von Peter Wensierski

Sie wurden geschlagen, erniedrigt und eingesperrt. Unter oft unvorstellbaren Bedingungen wuchsen in den fünfziger und sechziger Jahre Hunderttausende Kinder und Jugendliche in kirchlichen Heimen auf. "Wir waren Zwangsarbeiter", sagen sie heute. Ein dunkles Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte.

Hamburg - In den sechziger Jahren trimmten staatliche, katholische und evangelische Erzieher Kinder und Jugendliche in rund 3000 Heimen mit mehr als 200.000 Plätzen. Gut die Hälfte der Kinder war zwei bis vier Jahre lang in solchen Heimen. Andere verbrachten ihre ganze Kindheit und Jugend in den oft hermetisch abgeschlossenen Häusern. Erst wenn sie das 21. Lebensjahr vollendet hatten, als Volljährige, wurden sie in die Gesellschaft entlassen. Heute leben vermutlich noch mindestens eine halbe, wahrscheinlich aber mehr als eine Million ehemaliger Heimkinder aus dieser Zeit in Deutschland. Sie sind zwischen 40 und 65 Jahre alt.

Rund 80 Prozent der Heime waren in konfessioneller Hand. Insbesondere die katholischen Frauen- und Männerorden führten jahrzehntelang zahlreiche Erziehungsanstalten. Sie hießen "Zum Guten Hirten" oder waren nach Heiligen und Ordensgründern benannt: "Don-Bosco-Heim", "St. Vincenzheim", "St. Hedwig" oder "Marienheim". Die alte Mönchsregel "Bete und arbeite" erlebte eine perverse Renaissance in diesen konfessionellen Erziehungsheimen der jungen Bundesrepublik.

In der Diakonie Freistatt bei Diepholz, einer Zweigstelle der von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel, wurde sie brutal umgesetzt. Freistatt mit seiner Presstorfproduktion, mit seinen Schlossereien und Schmieden war als reiner Wirtschaftsbetrieb konzipiert, der die billigen Arbeitskräften ausnutzte. Wenn nicht gerade Choräle gesungen wurden, mussten die 14- bis 21-Jährigen im Sommer wie im Winter im Moor Torf stechen und pressen.

"Besenstiele als Züchtigungsmittel"

In der abgelegenen Anstalt schufteten viele Jugendliche, bei denen "Verwahrlosung drohte", bis 1970 getreu dem Motto des Pastors Gustav von Bodelschwingh: "Ein Junge, der am Tage stramm gearbeitet hat, der hat nach dem Feierabend keine Neigung für dumme Streiche mehr." Dennoch versuchten Zöglinge zu fliehen.

Diese mussten nach ihrer Ergreifung den Torf in schweren "Kettenhosen" stechen, die nur Trippelschritte erlaubten. Selbst zum Kirchgang mussten die Jugendlichen die Beinschellen tragen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die inzwischen auf sechs Häuser angewachsene Diakonie Freistatt ständig überfüllt. In den fünfziger Jahren waren in Freistatt etwa 500 junge Männer eingesperrt. Damals war es noch üblich, dass Neuankömmlinge, die etwa aus anderen Heimen entwichen waren, aus Schikane anfangs auf dem Boden schlafen mussten.

Trotz des Verbots staatlicher Stellen, zu züchtigen oder als Strafmaßnahme die Haare abzuschneiden, prügelten die Erzieher in Freistatt, meist evangelische Diakone, munter weiter. 1960 beanstandete das Landesjugendamt Hannover "die Verwendung von Forkenstielen, Torflatten, Pantoffeln und Besenstielen als Züchtigungsmittel".

"Der Wille muss erst gebrochen werden"

Schon 1928 war die SPD Hannover bei Pastor von Bodelschwingh abgeblitzt, als die Genossen nach der Entlohnung für die harte Arbeit fragten: Die jungen Männer könnten ja frei wohnen, antwortete der Gottesmann, ein Lohn sei nicht drin, sie würden hier als Pfleglinge vor einer Notlage in Freiheit geschützt. Das Torfstechen wird bei einer Tagung der "Betheler Inneren Missions Anstalt Freistatt" auch 1950 noch als "eine wertvolle Beschäftigungsmöglichkeit" bezeichnet. "Wer nicht spurte, wurde verprügelt", berichtet Dieter Grünenbaum, ein ehemaliger Erzieher und Diakon. Ihm wurde zum Dienstantritt von einem älteren Aufseher gesagt, er solle doch einfach nur den Stärksten in seiner Gruppe herausfinden: "Dem müssen Sie rechts und links hinter die Ohren hauen, dann haben Sie hier die nötige Autorität." Grünenbaum begriff rasch: "Der Wille musste erst gebrochen werden. Das Prinzip war, der Jugendliche muss erst ganz unten sein."

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http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,400215,00.html

Re: Kindererziehung - "Der Wille muss erst gebrochen werden"

Wodan, Friday, 17.02.2006, 13:31 (vor 6854 Tagen) @ Sven

Als Antwort auf: Kindererziehung - "Der Wille muss erst gebrochen werden" von Sven am 17. Februar 2006 08:55:

Die "Erzieher" dürften vermutlich hauptsächlich Frauen/Nonnen gewesen sein.

Woraus folgerst Du das? Das scheint mir ein Resultat für die nicht auszurottende Mär zu sein, Erziehungsberufe seien klassische Frauenberufe. Das ist aber falsch und völlig unhistorisch. In den 60er Jahren war der Männeranteil in diesen Berufen noch wesentlich höher als heute. In Jungeninternaten gab es beinah ausschließlich männliches Erziehungpersonal. Nonnen waren nur für Mädchen zuständig.

Gruß
Wodan

Re: Kindererziehung - "Der Wille muss erst gebrochen werden"

Garfield, Friday, 17.02.2006, 14:24 (vor 6854 Tagen) @ Sven

Als Antwort auf: Kindererziehung - "Der Wille muss erst gebrochen werden" von Sven am 17. Februar 2006 08:55:

Hallo Sven!

Das finde ich höchst interessant. Ich frage mich sowieso schon lange, welchen Grund es wohl haben mag, daß man Paaren, die ein Kind adoptieren möchten, dies in Deutschland so enorm schwer macht. Da wird alles penibelst durchleuchtet, die Paare dürfen ein bestimmtes Alter nicht überschreiten... Viele Menschen sind deshalb gezwungen, sich im Ausland nach Kindern umzusehen (und müssen sich dann obendrein noch vorwerfen lassen, daß sie sich Kinder kaufen würden).

Eigentlich könnte man doch annehmen, daß man froh ist, wenn man Heimkinder an neue Eltern vermitteln kann und so ihren Unterhalt nicht mehr finanzieren muß. Wenn aber ganz im Gegenteil die Kinder mit allen Mitteln in den Heimen gehalten werden, dann kann das nur einen Grund haben: Daß sie für die Träger dieser Heime eine gute Geldquelle darstellen.

Offensichtlich nutzte man Heimkinder also noch bis mindestens in die 1960er Jahre hinein als billige Arbeitskräfte und hat deshalb in früheren Jahrzehnten all diese Hürden für adoptionswillige Menschen installiert. Heute dürfte es schwieriger sein, Kinder als billige Arbeitskräfte auszunutzen. Dafür kassieren die Heime aber sicher ordentlich Steuergelder, sicher pro Kopf. So muß die Kopfzahl eben hoch bleiben, und deshalb soll es weiterhin so wenige Adoptionen geben wie irgend möglich. Die Leidtragenden sind die Kinder, die in den Heimen oft seelisch geschädigt werden, die adoptionswilligen Menschen, die entweder ganz auf Kinder verzichten oder aber im Ausland weiter suchen müssen und natürlich die Effektiv-Steuerzahler, die den ganzen Unsinn finanzieren dürfen. Aber das interessiert ja nicht - Hauptsache, der dicke Reibach rollt an.

Freundliche Grüße
von Garfield

Re: Kindererziehung - "Der Wille muss erst gebrochen werden"

Paul, Friday, 17.02.2006, 15:42 (vor 6854 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Kindererziehung - "Der Wille muss erst gebrochen werden" von Garfield am 17. Februar 2006 12:24:35:

Eigentlich könnte man doch annehmen, daß man froh ist, wenn man Heimkinder an neue Eltern vermitteln kann und so ihren Unterhalt nicht mehr finanzieren muß. Wenn aber ganz im Gegenteil die Kinder mit allen Mitteln in den Heimen gehalten werden, dann kann das nur einen Grund haben: Daß sie für die Träger dieser Heime eine gute Geldquelle darstellen.

Der Gedanke ist nicht ganz abwegig. Es gab erst vor kurzem wieder einen (von der Öffentlichkeit allerdings weitgehend ignorierten) Skandal, bei dem herauskam, dass katholische Kinderheime in den USA ihre Häftl... ähm, Pfleglinge gegen deren Willen Pharamaunternehmen als Versuchspersonen für Medikamententests "zur Verfügung stellten." Es gab auch Todesfälle dabei.

Re: Kindererziehung - "Der Wille muss erst gebrochen werden"

ChrisTine, Saturday, 18.02.2006, 13:33 (vor 6853 Tagen) @ Paul

Als Antwort auf: Re: Kindererziehung - "Der Wille muss erst gebrochen werden" von Paul am 17. Februar 2006 13:42:

Eigentlich könnte man doch annehmen, daß man froh ist, wenn man Heimkinder an neue Eltern vermitteln kann und so ihren Unterhalt nicht mehr finanzieren muß. Wenn aber ganz im Gegenteil die Kinder mit allen Mitteln in den Heimen gehalten werden, dann kann das nur einen Grund haben: Daß sie für die Träger dieser Heime eine gute Geldquelle darstellen.

Der Gedanke ist nicht ganz abwegig. Es gab erst vor kurzem wieder einen (von der Öffentlichkeit allerdings weitgehend ignorierten) Skandal, bei dem herauskam, dass katholische Kinderheime in den USA ihre Häftl... ähm, Pfleglinge gegen deren Willen Pharamaunternehmen als Versuchspersonen für Medikamententests "zur Verfügung stellten." Es gab auch Todesfälle dabei.

Ich kann mich auch daran erinnern, aber kurioserweise findet man in keiner Suchmaschine darüber etwas.
Na ja, vielleicht habe ich ja auch die falschen Wörter benutzt.

Gruß - Christine

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