Geschlechterdemokratie als Männlichkeitskritik
Geschlechterdemokratie als Männlichkeitskritik
Männerforschung, Männerpolitik und der "neue Mann"
Peter Döge
Inhalt
I. Männer-Bewegung und Männerforschung
Kritische Männerforschung als kritische Analyse von Männern und von Männlichkeit ist im Kontext der antisexistischen Männerbewegung in den USA entstanden [1] . 1969 wurde in Berkeley die erste Männergruppe gebildet, die ersten kritischen Bücher von Männern über Männer und Männlichkeit erschienen zu Beginn der siebziger Jahre. Bereits Mitte der siebziger Jahre fanden an Universitäten in den USA Seminare zum Thema ,Männer' statt, 1991 wurden schon 400 Kurse angeboten. Zeitlich etwas versetzt erschienen auch in Großbritannien Männerstudien, und in den skandinavischen Ländern wurden im Rahmen der dort verfolgten Geschlechterpolitik Untersuchungen zu Männern und zu Männlichkeit initiiert.
Mit ihren Analysen der Innenperspektive männlicher Macht hat kritische Männerforschung, die sich insgesamt einer egalitären Gestaltung der Geschlechterverhältnisse verpflichtet sieht [2] , bisher wichtige Beiträge zu einem umfassenden Verständnis der Geschlechterverhältnisse geliefert. Von Bedeutung ist dabei die Erkenntnis, dass Männlichkeit, die ein soziales Konstrukt darstellt, historisch und kulturell variabel sowie mit anderen sozialen Differenzierungsmustern wie Ethnie, Schicht und Alter verschränkt ist. Folglich existiert nicht eine homogene Männlichkeit, sondern es muss von einer Vielzahl unterschiedlicher Männlichkeiten ausgegangen werden [3] . Diese sind zudem nicht gleichwertig, sondern stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander, wobei das jeweils dominante Bild von Männlichkeit als hegemoniale Männlichkeit bezeichnet wird [4] . Dieses Männlichkeitsmuster, das quasi den Bezugspunkt männlichen Verhaltens abgibt, ist seinerseits zwar historisch variabel, in den westlichen Industriestaaten jedoch immer weiß und heterosexuell sowie mit Macht und beruflichem Erfolg eng verbunden.
Im Vergleich zu den angloamerikanischen Ländern ist kritische Männerforschung in der bundesdeutschen Wissenschaftslandschaft kaum institutionalisiert, Lehrangebote an Hochschulen und Universitäten sind nur sehr vereinzelt zu finden [5] . Die bisher veröffentlichten Sammelwerke zeigen eine thematische Konzentration auf den Bereich der Männer- und Jungenarbeit, der Entwicklungspsychologie sowie auf die historische Männerforschung [6] . Erst in den letzten Jahren entwickeln sich in Deutschland eigenständige Ansätze zu einer Soziologie der Männlichkeit, einer politikwissenschaftlichen sowie einer kriminologischen Männer- und Männlichkeitsforschung [7] .
Einmalig in der bundesdeutschen Männerforschung dürften jedoch die Studien zum Einstellungswandel von Männern sein [8]. Fanden sich hier in den siebziger Jahren noch überwiegend traditionelle Vorstellungen hinsichtlich der Gestaltung des Geschlechterverhältnisses, sind nach der jüngst vorgelegten Männerstudie von Paul M. Zulehner und Rainer Volz rund ein Fünftel der bundesdeutschen Männer so genannte "neue Männer" [9]. Diese sind partnerschaftlicher in der Beziehung, beteiligen sich deutlich mehr an Haus- und Familienarbeit, sind neue Väter, unterstützen ihre Partnerinnen in ihrer Berufstätigkeit und lehnen Gewalt als Mittel der Konfliktlösung in der Partnerschaft eindeutig ab. Ein Fünftel der Männer verhält sich jedoch nach wie vor traditionell, sieht den passenden Platz der Frauen im Heim und am Herd - eine Meinung, die allerdings auch rund ein Sechstel der befragten Frauen vertritt. Dazwischen finden sich die pragmatischen und unsicheren Männer, deren zukünftiges Rollenmuster eher noch unklar zu sein scheint.
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen zeigt ein Blick auf vorliegende Ergebnisse der kritischen Männerforschung [10] , dass zwei hegemoniale Männerbilder, die auch gut 30 Jahre Frauen- und Männerbewegung nicht schwächen konnten, als zentrale Blockaden einer weiteren geschlechterdemokratischen Ausgestaltung des Geschlechterverhältnisses von Seiten der Männer gesehen werden können: der Mächtige Mann und der Arbeitsmann.