DNA-Tests: Männer wollen Klarheit über ihre Vaterschaft
NEWS 02.04.2006 16:35 Uhr
DNA-Tests
Männer wollen Klarheit über ihre Vaterschaft
Marburg. Beim Bundesverfassungsgericht sind Beschwerden über die Zulässigkeit heimlicher Vaterschaftstests anhängig. Der Marburger Medizin-Soziologe Ulrich Mueller hat dazu eine Stellungnahme verfasst.
von Werner Girgert
Etwa 40.000 Vaterschaftstests finden nach Schätzungen jährlich in Deutschland statt. In den meisten Fällen ahnen die betroffenen Kinder und Mütter nichts davon, wenn sich Männer mittels DNA-Analyse Gewissheit über ihre Vaterschaft verschaffen.
Denn der Speichel im Kaugummi oder eine Haarprobe des Kindes genügen. Die Ergebnisse dieser heimlichen Vaterschaftstests dürfen jedoch nicht vor Gericht verwertet werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe im Januar vergangenen Jahres festgestellt.
Nach Meinung der Richter kann bei Zweifeln an der Vaterschaft ein Anfangsverdacht nicht auf die privaten DNA-Analysen gestützt werden, selbst wenn sie die Vaterschaft sicher ausschließen. Denn nach dem Grundsatzurteil verletzt ein Gentest, der ohne Einwilligung der betroffenen Kinder und Mütter zustande gekommen ist, deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Dieses Grundrecht wiegt nach Ansicht der Richter schwerer als das Recht des Mannes auf Kenntnis seiner Vaterschaft. Der Bundesgerichtshof wies damit die Klagen zweier Männer ab, die aufgrund von Zweifeln an ihrer leiblichen Vaterschaft heimlich Genmaterial ihrer vermeintlichen Kinder hatten testen lassen, um ihre Vaterschaft vor Gericht anzufechten.
Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich im Sommer über die Verfassungsbeschwerden der beiden Männer entscheiden. In seiner Stellungnahme für den Bundesvorstand des Väteraufbruch für Kinder zu den Verfassungsbeschwerden plädiert der Marburger Medizin-Soziologe Professor Ulrich Mueller dafür, Männern die Möglichkeit zu geben, Sicherheit über ihre Vaterschaft zu erlangen.
Die zweifelsfreie Gewissheit, die jede Frau über ihre Mutterschaft habe, müsse auch für Männer hinsichtlich ihrer Vaterschaft möglich sein. Dieses Recht darf laut Mueller nicht ausschließlich von der Zustimmung der Frau abhängig gemacht werden.
Die Gentests mit ihrer nahezu hundertprozentigen Genauigkeit machen nach Muellers Ansicht die Notwendigkeit einer veränderten rechtlichen und gesellschaftlichen Bewertung von Vaterschaft deutlich. Das bedeute einen Bruch mit der bisherigen Rechtstradition, wonach ein Mann rechtlich nur durch die Beziehung zur Mutter zum Vater wird.
Dies ist der Fall, wenn er mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, oder er mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkennt, oder aber, weil die Frau ihn als Vater angibt, der dann gegebenenfalls vor Gericht beweisen muss, dass er es nicht ist. Umgekehrt verhält es sich, wenn die Mutter des Kindes die Anerkennung der Vaterschaft nicht annehmen will.
Mueller weist in seiner Stellungnahme auf das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitende Recht eines Mannes hin, sich ungestört am Aufwachsen der eigenen Kinder zu erfreuen, wozu auch gehöre, zu wissen, ob die auf seine Kosten heranwachsenden Kinder seine eigenen sind.
Beeinträchtigungen dieses Rechts wiegen nach Meinung Muellers nicht weniger schwer, als Beeinträchtigungen des Rechts einer Frau, die aus Fragen nach ihrer sexuellen Vergangenheit einschließlich sich daraus ergebender möglicher Vermögensnachteile resultieren.
Auch das im öffentlichen Interesse liegende Wohl des Kindes verlangt nach Ansicht des Experten nicht nur, dass der leibliche Vater bekannt ist, sondern dass grundsätzlich die rechtlichen Abstammungsverhältnisse den leiblichen entsprechen.
Mueller verweist dabei auf zahlreiche Studien, die belegen, dass bei Kindern, die mit Stiefvätern aufwachsen, das Risiko tödlicher Vernachlässigung oder Misshandlung deutlich höher ist, als bei Kindern, die mit leiblichen Vätern aufwachsen.
In der Stellungnahme für den Väteraufbruch spricht sich Mueller darüber hinaus für eine Mitwirkungspflicht der Mutter und des Kindes bei der Aufklärung von Abstammungsverhältnissen aus. Diese Mitwirkungspflicht müsse der an seiner leiblichen Vaterschaft zweifelnde Mann einfordern können.