Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Weitere Artikel

Maesi, Wednesday, 19.04.2006, 01:04 (vor 6583 Tagen) @ newbie

Als Antwort auf: Re: Weitere Artikel von newbie am 11. April 2006 22:27:

Hallo newbie

Die Schweizer haben meines Wissens auch keinen Staatsfeminismus.

Ja bist du des... Wurde hier nicht der Fall der Frau Ferrero-Rocher (oder wie die hieß) gerade hier zitiert? Die mal locker so ein paar Diplomatinnenen nebenher zur diplomatischen Spitze beförderte? Genauso dummdreist wie unser heimisches Femi-Pack.

Es handelt sich um Frau Calmy-Rey; Frau Ferrero-Waldner ist IMHO die fruehere oesterreichische Aussenministerin.

Natuerlich gibt es auch in der Schweiz einen Staatsfeminismus. Allerdings kann dieser vielleicht nicht ganz so dreist auftreten; von Frauen beherrschte Gleichstellungsbueros gibt's aber auch in der Schweiz, sowohl auf Bundesebene als auch in fast allen Kantonen. Und wie in Deutschland sind auch hier die linken und gruenen Parteien bis zu wesentlichen Teilen der Christdemokraten feministisch unterwandert was die Geschlechterpolitik anbelangt.

Was die Pressefrei- und -frechheit angeht, darum beneide ich unsere Nachbarn allerdings. Scipio, Maesi, woran liegt das? Dass es bei euch kritische Zeitungsartikel gibt und bei uns nur Unterbietung im Grad der Schleimigkeit? Seid ihr Schwyzer Männer und wir Toitschen nur kleine Mösenkriecher?

LOL. Das sind Suggestivfragen! Die 'Schwiizer' (Schwyzer sind Bewohner des Kantons Schwyz) sind wohl nicht mehr aber auch nicht weniger Maenner als die Deutschen. Die deutschen Maenner haben aber politisch weniger Moeglichkeiten, den auf sie niederprasselnden Gleichstellungsschwachsinn in den politischen Orkus zu befoerdern, wo er eigentlich hingehoert; deshalb hat sich in Deutschland vielleicht auch eine etwas groessere Resignation gegenueber der (staatsfeministisch korrumpierten) Obrigkeit breitgemacht.

Ich weiss nicht, ob die Presse in der Schweiz tatsaechlich so viel freier ist, wie Du vermutest. Grundsatzdiskussionen ueber Sinn und Unsinn feministischer Politik bzw. ueber genderistische/staatsfeministische Geschlechterpolitik finden jedenfalls auch in der Schweiz kaum statt. Und auch hier kaempft man(n) gegen die ewiggleichen feministischen 'urban legends' an wie anderswo.

Allerdings gibt es zwei Elemente im helvetischen Regierungssystem, die IMHO einer zentralistischen/staatsgenderistischen/staatsfeministischen Geschlechterpolitik entgegenstehen und diese deshalb erschweren: der ausgepraegte Foederalismus und die stark ausgebaute direkte Demokratie.

Mit ersterem verhindern die Kantone eine allzu starke Einmischung des Bundes, da alle Aufgaben, die in der Bundesverfassung nicht ausdruecklich als Bundesangelegenheit benannt werden, den Kantonen zugeordnet sind (Kompetenzausscheidungsprinzip); selbst der Vollzug von Bundesgesetzen liegt haeufig in der Hoheit der Kantone. Und die Kantone wachen normalerweise recht eifersuechtig darauf, dass ihre Hoheit nicht verletzt wird. Diesen Foederalismus und das damit einhergehende Subsidiaritaetsprinzip fuerchten die Staatsgenderisten/Staatsfeministen wie der Teufel das Weihwasser, da sie nicht zentral Gesetze durchpeitschen koennen sondern in jedem Kanton taetig werden muessen und dadurch ihre Kraefte verzetteln.

Mit letzterem verhindern die Buerger allzu drastische Eingriffe des Staates, da dann normalerweise ein Referendum mit Volksabstimmung droht. Die schweizerischen Legislativen sind deshalb relativ vorsichtig bei der Formulierung von Gesetzen, um das Referendumsrisiko gering zu halten. Desweiteren finden bedingt durch die direkte Demokratie Abstimmungskaempfe statt, in deren Verlauf meist breite Diskussionen in der Bevoelkerung provoziert werden. Wenn Feministen sich mit sexistischen Spruechen zu sehr exponieren, koennen sie schnell einmal in solche Abstimmungskaempfe hineingeraten und gerade das Gegenteil von dem bewirken, was sie eigentlich wollten.

Der Staatsfeminismus in der Schweiz ist deshalb noch staerker als anderswo buerokratischer und dementsprechend noch weniger politischer Natur. Frau Calmy-Reys seltsame Methode bei der Ernennung von Diplomaten ist ein typischer Verwaltungsakt, der nur in ihrem administrativen Machtbereich Geltung hat; irgendwelche direkten Sanktionen hat sie bei ihrer 'heldenhaften Tat' nicht zu befuerchten, da es in ihrer alleinigen Kompetenz steht, wie sie ihr Departement organisiert. Sobald man Geschlechterquoten aber auf einer breiteren politische Ebene zu installieren versuchte, ergaeben sich mit Sicherheit massive Widerstaende. Und wenn der Schweizer an die Abstimmungsurne gerufen wird, erteilt er solchen schwachsinnigen Ideen normalerweise ohne lange Diskussionen eine Abfuhr. Der grosse Vorteil dabei ist, dass er sich nicht vor einer Schar politisch-korrekt dahergackernder Huehner - denen er womoeglich in Bezug auf Eloquenz unterlegen ist - fuer sein durch das Stimm- und Wahlgeheimnis geschuetzte Votum zu rechtfertigen braucht. Denn eines muss der Neid den Staatsfeministen lassen: punkto Rabulistik macht denen so schnell keiner was vor - aber das ist nicht eine Faehigkeit, auf die man stolz sein kann.

Gruss

Maesi


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