Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Fragment eines geheimen Enwurfs aus einem Ossi-Bildungsministerium

Garfield, Friday, 12.05.2006, 14:41 (vor 6531 Tagen) @ Beelzebub

Als Antwort auf: Fragment eines geheimen Enwurfs aus einem Ossi-Bildungsministerium von Beelzebub am 10. Mai 2006 20:59:18:

Hallo Beelzebub!

Na, da warst du ja richtig kreativ! :-)

Aber findest du Aussagen wie "der allgemeine Haß auf alles ausländische hat die Zonis nicht davon abgehalten..." nicht etwas zu primitiv?

Immerhin kommen die wesentlichen rechten Parteien allesamt aus dem Westen, soviel ich weiß. Mag sein, daß sie im Osten besonders viele Mitläufer finden. Das sind aber überwiegend Jugendliche, die meist gar keine wirkliche politische Meinung und vom Nationalsozialismus kaum eine blasse Ahnung haben. Meist sind das diejenigen, die keine Lehrstellen und Jobs finden. Davon gibt es im Osten durch den wirtschaftlichen Kahlschlag mit dem sogenannten "Aufbau Ost" nun einmal mehr als im Westen.

Es gab da allerdings noch eine gewisse Erblast aus DDR-Zeiten. In der DDR war man ja bemühnt, sich nach außen hin möglichst positiv zu präsentieren. So betrachtete man es auch als Zeichen für die Attraktivität des Sozialismus, wenn Menschen aus dem Ausland in die DDR kamen, um dort zu arbeiten oder gar dort dauerhaft zu leben. Und so förderte man dies nach Kräften.

Wenn beispielsweise ein Rußland-Deutscher in die DDR übersiedelte, dann bekam der sofort eine Wohnung zugewiesen, und es gab auch Sonderkredite, mit denen sich dieser Rußland-Deutsche dann z.B. sofort ein gebrauchtes Auto kaufen konnte. Ein DDR-Bürger dagegen mußte oft lange auf eine Wohnung warten, auf ein neues Auto ebenfalls, und das Geld für ein gebrauchtes Auto mußte er sich auch jahrelang mühsam erarbeiten. So wird schon mal klar, wieso so mancher DDR-Bürger der Meinung war, daß man doch lieber erst einmal die eigene Bevölkerung anständig versorgen sollte. Zumal viele Rußland-Deutsche gar nicht in der DDR bleiben wollten. Die lernten in der DDR erst einmal richtig Deutsch, sie zeigten keine Eile damit, die DDR-Staatsbürgerschaft zu erwerben, und so konnten sie nach ein paar Jahren ganz offiziell in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen. Das durfte ein DDR-Bürger, der noch kein Rentner war, ebenfalls nicht.

Dann kamen noch andere Kleinigkeiten dazu. Mein Vater hat z.B. auf einer Großbaustelle mal erlebt, daß ausländische Gastarbeiter dort in der Kantine immer bevorzugt abgefertigt wurden. Die konnten ganz selbstverständlich vorgehen, während die normalen DDR-Bürger Schlange stehen mußten. Das trug dort auch nicht gerade dazu bei, die Sympathie für diese Gastarbeiter zu erhöhen.

Jugendliche neigen ohnehin stark zur Opposition gegen die etablierten Verhältnisse. Im Westen bildete sich so eine starke linke Untergrund-Bewegung heraus, die sich dann z.B. gern am 1. Mai in Berlin-Kreuzberg zwecks Randale traf. Im Osten dagegen bildete sich zwar durch den Druck der Stasi nicht direkt eine rechte Bewegung heraus, aber es gab dort unter Jugendlichen gewisse rechtsradikale Tendenzen, die zum einen aus den oben erwähnten Zuständen resultierten, zum anderen aber auch einfach aus diesem Oppositionsdrang der Jugendlichen gegen die in der DDR von oben verordnete "Völkerfreundschaft".

Die DDR existiert seit etwa 16 Jahren nicht mehr, und so dürfte dieser Faktor mittlerweile kaum noch ins Gewicht fallen. Allerdings gibt es im Osten eben besonders viele Menschen, die erwerbslos sind oder nur wenig verdienen. Und die es dann eben auch - ähnlich wie zu DDR-Zeiten - so sehen, daß man sich erst einmal um die eigene Bevölkerung kümmern sollte, bevor man Leute aus aller Welt nach Deutschland holt. Ob es nun in der jeweiligen Region wirklich viele Ausländer gibt oder nicht, ist dabei irrelevant. Gerade wenn wenige da sind, bilden sich Vorurteile noch schneller heraus.

Nur mit Vorurteilen läßt sich das alles aber auch nicht erklären. Wenn man mal eingetretene Türen in einem Asylbewerber-Heim oder in so einem Heim Toilettenbecken aus dem Fenster fliegen gesehen hat, oder wenn man mal miterlebt hat, wie ein Asylbewerber einen anderen mit einem Messer niedersticht, nur weil der mehr Stütze bekommt, dann kommt auch im Westen so mancher ins Grübeln. Oder auch, wenn man sieht, welche Luxus-Sozialbauten für Einwanderer hingesetzt wurden und wie die dann schon wenige Jahre später aussehen.

Leider haben wir generell in Deutschland die Situation, daß so etwas nicht thematisiert werden darf. In letzter Zeit scheint sich das zwar ein wenig zu bessern, aber eine generelle Trendwende sehe ich da noch nicht. Solange solche Probleme aber totgeschwiegen werden, werden rechte Parteien dadurch mehr Zulauf bekommen, weil sie nämlich die einzigen sind, die dieses Thema aufgreifen.

Freundliche Grüße
von Garfield


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