Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Opfer? Frau! - Eine kleine Geschichte

Markus, Thursday, 16.01.2003, 20:06 (vor 7773 Tagen)

Anna war etwas nervös. Ihre Arbeitskollegin Sandra hatte sie zu einem Kaffeeklatsch eingeladen. Eigentlich waren solche Treffen ja weniger ihr Ding, aber der beruflich bedingte Umzug in die neue Stadt, weg von ihrem alten Freundeskreis, ließen sie über diesen Umstand hinweg sehen. Sie wollte sich so schnell wie möglich einen neuen Freundeskreis aufbauen. Sandra bot ihr die Chance neue Leute kennen zu lernen und Anna war gespannt, welche verschiedenen Persönlichkeiten sie hier erwarten würden. Wir sind alles starke, emanzipierte und geschiedene Frauen hatte Sandra ihr grinsend angekündigt.
Schon beim Betreten der Wohnung vernahm Anna, dass eine leidenschaftliche Diskussion im Gange war. "Das sind doch die typischen Versuche mit denen das Patriarchat uns schon immer in die Knie zwingen wollte", hörte Sie eine kleine, etwas untersetze Mitvierzigerin fauchen. Am Tisch saß neben der Wortführerin, die ihr im nächsten Moment als Sabine vorgestellt wurde, noch Saskia. "Da falle ich mit meinem Anfangsbuchstaben ‚A' ja richtig aus dem Rahmen", fügte Anne der Begrüßung der Frauen hinzu. "Das ist wohl mehr Zufall - in unserer Gruppe zählt mehr die Gesinnung als der Name", entgegnete Saskia dominant und wedelte schon mit der Kaffeekanne. Während Saskia den Kaffee einschenkte musterte Anna die anwesenden Damen. Sie schien mit ihren 30 Jahren die Jüngste zu sein. Sandra, ihre Arbeitskollegin war 39 und Saskia, wie sich später herausstellte 35. Mit den Worten "Wir sprachen gerade davon, dass Frauen im Beruf klar benachteiligt werden", beendete Sandra die Begrüßungszeremonie. "Seit 5 Jahren arbeite ich in meiner Firma und befördert wurden bislang nur die Männer. Typisch für dieses Maskulisten-Pack, wir Frauen sind doch in deren Augen nichts wert! Aber zum Aufziehen ihrer Kinder, dafür sind wir gut genug!", führte Sabine die Thematik energisch fort. Anna beschloss bei diesem Thema zuerst einmal die Rolle der Zuhörerin für sich in Anspruch zu nehmen. Sie fühlte die Verbissenheit, die in diesen Worten klang und wollte das Ganze auf sich wirken lassen. "Genau." nickte Sandra. "aber so langsam tut sich ja etwas. Der Schröder hat doch bei den letzten Wahlen die Schaffung von Ganztagsschulen angekündigt. Dann endlich sind auch wir in der Lage vollzeit zu arbeiten und den Kerlen zu zeigen, dass wir mindestens genauso gut sind." "Das glaubst aber nur du" entgegnete die mitvierzigerin Sabine. "Warum sollte ich dann vollzeit arbeiten? Damit mein Idiot von Exmann sich um seinen Unterhalt drücken kann? Nichts da, ich habe Anspruch darauf, bis die Kinder 12 Jahre sind und ich werde jede Minute davon ausschöpfen. Zudem ist es mit einer Schulkernzeit ja nicht getan, der Haushalt, waschen bügeln und sich um die Kinder kümmern, das braucht alles Zeit."
Anna brach ihr Schweigen. "Natürlich braucht das Zeit, aber glaubst du denn, dass Frauen, die Vollzeit im Beruf stehen, Rabenmütter sind?".
"Nein, aber wenn der Ex schon ordentlich zahlt, warum sollte man sich dann unnötigen Stress machen", blinzelte ihr Sabine grinsend zu.
Anna war etwas irritiert. Diese Worte aus dem Mund von Sabine, die eben noch über berufliche Benachteiligung von Frauen die Stimme erhoben hatte? Anne lächelte gequält zurück. "Da fällt mir etwas ein.", unterbrach die Gastgeberin Sandra. Ich muss nur schnell die Zeitung holen. Einen Moment später schon stand sie wieder am Tisch und präsentierte ihr Fundstück. Das Bild in der Zeitung war mit der Überschrift "Prügelndes Weib" untertitelt und zeigte eine Brunnenplastik des Künstlers Horst Engelhardt. Die Stadt Frankfurt/Oder hatte dieses Kunstwerk in Auftrag gegeben. Es zeigte eine Frau, die auf ihren am Boden liegenden Mann eindrosch. Dieser kauerte dort mit Bierflasche und Handy in der Hand.
Laut lachend riss Saskia Sandra die Zeitung aus der Hand. "Ja, richtig so" gröhlte auch Sabine. Saskia überflog nuschelnd den Text und wurde dann wieder klarer in ihrer Stimme:" Grund des Desasters ist, dass der Gute eine Sexnummer anwählte´, beschreibt der Künstler die drastische Szene". Sandra, Sabine und Saskia hielten sich die Bäuche vor lachen, während Anna befremdlich in die Gruppe sah.
"Würdet ihr darüber auch noch lachen, wenn die geschlechterspezifische Rollenverteilung hier anders wäre? Ich persönlich möchte, dass meine Kinder ohne Gewalt aufwachsen. Ich persönlich verurteile das eigentlich geschlechtsübergreifend.", entgegnete Anna zum ersten mal etwas bestimmter. Für einen Moment war Ruhe, dann aber ergriff Sandra das Wort. "Natürlich ist Gewalt zu verurteilen, aber dieses Bild zeigt doch nur, was Frauen jeden Tag passiert. Zudem wurde diese Skulptur ja von den Politikern, von denen die meisten ja bekanntlich Männer sind, in Auftrag gegeben. Du verstehst da einfach nicht die Ironie der Sache. Vielleicht hast du ja zu wenig Hintergrundinformationen, aber das Ministerium für Familie, Senioren, Kinder und Frauen - Männer sind da ja berechtigterweise nicht enthalten - hat mit dem neuen Gewaltschutzgesetz diesen Missstand ja nun zumindest mal einen ersten Riegel vorgeschoben." "Gewaltschutzgesetz?", entgegnete Anna fragend. "Ja, das Gewaltschutzgesetz. Es ermöglicht Frauen, die von ihrem Partner geschlagen werden, dass sie die Polizei rufen können und den Lebenspartner für bis zu einem Jahr ohne Gerichtsverhandlung aus der Wohnung verbannen können. Wird der Alte also handgreiflich, fliegt er raus.", erklärte Sandra. "Finde ich an und für sich gut, nur wie beugt man hier dem Missbrauch dieses Gesetzes vor? Ich meine, wenn es keiner Gerichtsverhandlung bedarf, dann kann die Frau ja den Polizisten - wenn sie dem Mann eines auswischen will - theorethisch alles erzählen. Ohne Gerichtsverhandlung gibt es keine Falschaussage vor Gericht, da gibt es keinen Meineid...", hinterfragte Anna, als ihr Sabine ins Wort fiel: "Aber Anna - ich darf doch Anna sagen - es ist doch bekannt, dass Frauen in unserer Gesellschaft die Opfer sind. Warum denkst du sonst, würde unsere Bundesregierung zum Beispiel Frauenbeauftragte einsetzen, die so wichtige Projekte wie Kinderspielplätze schaffen, die nur für Mädchen sind oder einen "Girls-Day" zur Förderung von Mädchen an Schulen. . Zudem würden Frauen dieses Gesetz doch nie missbrauchen. Solch niederen Instinkte sind Privilegien des Patriarchats., basta!

Anna wurde nachdenklich. Der Grund, dass sie in ihrer alten Firma gekündigt hatte, war eine Frau, eine Frau, die sie gemobbt hatte. Diese Frau hatte ihr Computerdateien manipuliert und gelöscht, um sie vor den Vorgesetzten dumm aussehen zu lassen. Diese Frau hatte ihre Existenz in dieser Firma mit einem miesen Intrigenspiel zerstört. Diese Frau passte einfach nicht in das Bild der globalen Frau, dass ihr hier vorgegaukelt werden sollte. "Tut mir leid", erwiderte Anna. "Ich sehe das schon etwas differenzierter. Sicher sollte man Frauen die geschlagen werden schützen, aber den Mann einfach aufgrund der Aussage einer Frau ohne gerichtliches Urteil auf die Straße zu setzen halte ich für falsch. Ich erinnere mich noch sehr genau an die letzte Fußball- Europameisterschaft in Deutschland. Da hat die Justiz sogenannte Schnellgerichte eingesetzt, um Hooligans vor der Einreise zu hindern. Bei König Fußball sollte sowas also möglich sein, wenn eine Frau geschlagen wird jedoch nicht? Da sollte also eine einjährige Grauzone bis zur Verhandlung vor Gericht legitim sein? Sorry meine Lieben. Ich trenne die Welt nicht wie ihr. Auf der einen Seite die bösen Täter Männer und auf der anderen Seite die armen Opfer Frauen. Derartige Attribute machen sich in meinen Augen nicht an einem Geschlecht fest. Ich kenne nette Männer und nette Frauen; ich kenne aber auch intrigante Männer und intrigante Frauen."

Totenstille herrschte. Anna fühlte die entsetzen Blicke der anderen auf sich geheftet und beschloss die Runde der emanzipierten Frauen von ihrem Anblick zu erlösen. Sie nahm den letzten Schluck Kaffee aus der Tasse, verabschiedete sich und begab sich nach draußen, in die Welt der vom Patriarchat unterdrückten Frau.

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