Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wem dient eigentlich die Frauenförderung?

Gerd, Wednesday, 11.07.2001, 23:36 (vor 8327 Tagen)

mit interesse habe ich einige artikel auf diesem forum gelesen, was mich dazu veranlasste, mir einige gedanken über die hintergründe der dort beschriebenen sachverhalte zu machen. wenn man dabei nach sinn und zweck der durchaus vorhandenden ungerechtigkeiten fragt, warum es also überhaupt quotenregelung, frauenförderung oder gar gesetzliche vorzugsbehandlung von frauen gibt, könnte es von nutzen sein, bestimmte zusammenhänge unserer gesellschaft zu erkennen und daraus dann abzuleiten, für wen eigentlich diese verhältnisse von vorteil sind. erstaunlich dabei ist, das viele frauen sich selber keineswegs dem mann gegenüber gleichberechtig behandelt fühlen und dabei einige ebenfalls berechtige argumente vorbringen können. recht haben beide seiten, denn eine vollständige gleichheit zwischen mann und frau ist für diejenigen, die die rahmenbedingungen setzen nicht von vorteil, wohl aber durchaus eine bevorzugung der frau auf "niedrigerer ebene".
warum?
dazu der versuch, die folgende these zu widerlegen:
eine gleichhandlung aller menschen vor allen institutionen ist oberstes gebot einer modernen demokratischen gesellschaft!
jemand der anderer meinung ist, könnte es folgendermaßen begründen:
wir gerne würde ich dieser aussage ja zustimmen können. wie gern würde ich in einer welt leben können, in der nicht nur alle die gleichen rechte haben, sondern auch noch gleichwertig sind. ich zweifel daran. nun, mag da jemand einwenden, leben wir denn nicht alle in einem land, in dem jeder nach dem gesetz gleichbehandelt werden muß? richtig, da kommt von mir auch kein einwand, aber, und nun das unvermeidliche aber, aber unser land gehört zur sogenannten westlichen welt, den industriestaaten. nur dort können wir es überhaupt bei oberflächlicher betrachtung wagen, von einer gleichberechtigung zwischen mann und frau zu sprechen. überall sonst auf dieser welt herrscht der mann unumschränkt über der frau. wer würde nicht bezweifeln, daß dort der wille der frau überhaupt etwas gilt. und bei uns? wir in unserer fortschrittlichen welt, der moderne, dem paradies der demokratien, da wird doch wohl schon die gleichberechtigung verwirklicht sein? und tatsächlich, die überwiegende mehrheit der menschen im westen empfindet so. die frau fühlt sich im allgemeinen gegenüber dem mann nicht von grund auf benachteiligt, wie umgekehrt schon gar nicht. aber verstehen denn die massen wirklich, warum und nicht anders ihre eliten entsprechende vorgaben machen? die menschen in der demokratie leben zugleich in einem kapitalistischen system. beides gehört zusammen und ist untrennbar miteinander verbunden. in einem kapitalistischen system stehen die wirtschaftlichen eliten über den politischen, weil die politischen von der öffentlichen meinung abhängig sind, und diese durch die medien gestaltet wird, welche in den händen des kapitals sind. wie aber schaut die optimale gesellschaft denn für einen kapitalisten aus? das läßt sich leicht herleiten. in einer solchen gesellschaft sollte jeder aber auch wirklich jeder arbeiten und voll und ganz über die verwendung seines einkommens bestimmen können. das ist deswegen optimal, weil auf diese weise unendlich viele märkte geschaffen werden. wird einkommen geteilt, zum beispiel in einem mehrpersonnenhaushalt, reduziert sich damit automatisch nicht nur in der summe die anzahl der möglichen märkte, weil es überschneidungen des güterbedarfes gibt, sondern auch die nachfrage nach gütern überhaupt (ein mehrpersonnenhaushalt braucht eben nicht mehr als eine kaffeemaschine). das anzuerkennen bedeutet in der konsequens, es zu befürworten, das die frauen allesamt arbeiten, alleine leben und keine kinder haben.
es wird demnach eine radikale individualisierung der gesellschaft angestrebt, in dem niemand den anderen hilft (es würde zu güterteilungen führen, z.b verleih des rasenmähers), einer gesellschaft, in der partnerschaften zwischen mann und frau also möglichst unaktraktiv und deren auflösung nur umso erleichtert werden. die erziehung eines kindes müßte dann so schwierig wie nur irgend möglich gestaltet werden. all das erreicht man dadurch, in dem man der frau das recht gibt zu arbeiten, denn das sie arbeiten soll, ist ja optimal. gibt man der frau das recht zu arbeiten, wird sie dieses auch annehmen, denn zu verführerisch ist es, ein eigenes vom manne unabhängiges einkommen zu erzielen.
wenn es aber nun keine kinder gibt, wird die gesellschaft alsbald aussterben, mag da jemand einwenden. gemach, gemach, natürlich wird sich ein solches modell nicht eins zu eins auf die gesellschaft übertragen lassen, schließlich wirken starke bedürfnisse der menschen nach bindung dem entgegen. wohl aber läßt sich, bei für die kaptitalisten optimaler politischer weichenstellung, eine annäherung an dieses modell erzielen. um aber die durch starke geburtenrückgänge entstandenen zukünftigen lücken zu schließen, ist eine ausgleichende zuwanderung von außen notwendig. es sollen also möglichst fertig ausgebildete menschen auf dem arbeitsmarkt aktiv werden können, um die nichtgeborenen kinder zu ersetzen. und letzlich, was schert es jemanden, wenn morgen alles den bach runtergeht, wenn man heute seine höchstmögliche rendite einfahren kann.
wenn man alldies anerkennt, wird man auch verstehen können, warum es frauen möglichst leicht gemacht werden soll, ein vom mann gelöstes, unabhängiges leben zu führen.

Re: Wem dient eigentlich die Frauenförderung?

Jörg, Thursday, 12.07.2001, 01:00 (vor 8327 Tagen) @ Gerd

Als Antwort auf: Wem dient eigentlich die Frauenförderung? von Gerd am 11. Juli 2001 20:36:09:

Hallo Gerd,

abgesehen davon, daß sich die Medien nicht nur in den Händen des Kapitals
befinden (vgl. öffentlich-rechtliche Sendeanstalten), kann ich nur sagen:
Das Modell klingt einleuchtend. Unbeantwortet geblieben ist jedoch die
Frage: Wie hat es das kapitalistische System überhaupt geschafft, einen
solchen Einfluß zu nehmen und warum hat es dies gerade in der jetzigen Zeit
geschafft? (Der Kapitalismus ist ja bekanntermaßen keine Erfindung des
21. Jahrhunderts, sondern existiert schon deutlich länger.) Meinst Du nicht,
daß auch in der Gesellschaft an sich die geeigneten Voraussetzungen dafür
vorliegen müssen, damit die Saat überhaupt aufgeht? Ich habe gewisse Zweifel
daran, daß allein der Kapitalismus an der Misere Schuld ist, wenngleich er
zweifelsohne einen erheblichen Machtfaktor darstellt.

Gruß, Jörg

P.S.: Dein Text kommt mir irgendwie bekannt vor. Hast Du ihn auch woanders
schon mal gepostet?

Überlegungen

Gerd, Thursday, 12.07.2001, 01:53 (vor 8327 Tagen) @ Jörg

Als Antwort auf: Re: Wem dient eigentlich die Frauenförderung? von Jörg am 11. Juli 2001 22:00:26:

hallo jörg,
wie gesagt, es sind nur von mir selber hergeleitete überlegungen, die in einem grob vereinfachten modell münden, welches keinesfalls alle fragen beantwortet. ich will aber dennoch versuchen, so weit mir das überhaupt möglich ist, zu antorten:

Hallo Gerd,
abgesehen davon, daß sich die Medien nicht nur in den Händen des Kapitals
befinden (vgl. öffentlich-rechtliche Sendeanstalten),

wensentliches merkmal einer demokratie ist es, das die medien frei sind. unsere staatlichen sendeanstalten passen nicht recht dazu, auch wenn man sich dort sicherlich sehr viel mühe um objektivität gibt. sind sie aber frei, befinden sie sich überwiegend (von schülerzeitungen, kirchenblättern und dergl. mal abgesehen) in den händen des kaptials oder dieses nimmt zumindest auf deren inhalt durch werbung und anzeigenaufträge oder sonstige geldflüsse maßgeblichen einfluß.

kann ich nur sagen:

Das Modell klingt einleuchtend. Unbeantwortet geblieben ist jedoch die
Frage: Wie hat es das kapitalistische System überhaupt geschafft, einen
solchen Einfluß zu nehmen und warum hat es dies gerade in der jetzigen Zeit

vielleicht deshalb, weil sich sämtliche alternativen als nicht tauglich erwiesen haben und es nun umso leichter fällt, gewisse dinge einfach zu tun

geschafft? (Der Kapitalismus ist ja bekanntermaßen keine Erfindung des
21. Jahrhunderts, sondern existiert schon deutlich länger.)

vom kapitalismus sprechen wir meines wissen seit dem beginn der industriellen revolution im 19. jahrhundert. eine frage ist es, wie die für das kapital optimale gesellschaft ausschaut, eine andere, deren tatsächliche verwirklichungen. deshalb unterscheiden sich kapitalistische staaten nicht nur von land zu land, sondern sicherlich auch in der zeit.

Meinst Du nicht,

daß auch in der Gesellschaft an sich die geeigneten Voraussetzungen dafür
vorliegen müssen, damit die Saat überhaupt aufgeht?

richtig, die weichen müssen dafür schon an vielerlei ort gestellt werden,
wobei es dann jeweils interessant ist, zu fragen, wer auf wen einfluß nimmt

Ich habe gewisse Zweifel

daran, daß allein der Kapitalismus an der Misere (misere? aber warum denn? das gegenwärtige system hat schon seine vorzüge, eign. anm.) Schuld ist, wenngleich er
zweifelsohne einen erheblichen Machtfaktor darstellt.

stellen wir uns doch die gesellschaft als ein riesiges netzwerk vor, in dem alles irgendwie miteinander verbunden ist, wobei dann die größten netzwerkpunkte vom kaptial gestellt werden.

Gruß, Jörg
P.S.: Dein Text kommt mir irgendwie bekannt vor. Hast Du ihn auch woanders
schon mal gepostet?

ja, extra für hier nochmal in neuauflage erschienen, :-)

gruß, gerd

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