Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Tabuthema Frauengewalt

Jörg, Saturday, 14.07.2001, 03:33 (vor 8340 Tagen)

Hallo,

das ist ja wieder einmal unglaublich.

Frauengewalt scheint ein absolutes Tabuthema zu sein, selbst wenn es auf-
grund von Mißhandlungen durch eine Frau zum Eintritt des Todes gekommen ist.

Zitat aus einem Artikel aus der "Mitteldeutschen Zeitung" (vgl. unten-
stehenden Link):

... im Gerichtssaal tauchte auch die Frage auf, ob die Tragödie nicht
vermeidbar gewesen wäre. Denn immerhin, so erklärte eine Sozialarbeiterin,
die als Zeugin geladen war, habe das Opfer ihr gegenüber die Misshandlungen
offenbart. Warum gab es daraufhin keine Nachforschungen? "Äußerlich war
nichts sichtbar. Damals glaubte ich ihr nicht", so die Betreuerin.

Aufsehen erregte ebenfalls die Aussage eines Notarztes. Er hatte den
Totenschein ausgestellt und trotz der eingangs geschilderten massiven
Verletzungen keinerlei unnatürliche Todeszeichen festgestellt. Vor Gericht
erklärte er gestern: "Es muss eine andere Leiche gewesen sein."

Gruß, Jörg

http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=mz_web/pages/regionales/news_Artike...

Re: Tabuthema Frauengewalt

ChrisTine, Saturday, 14.07.2001, 11:38 (vor 8340 Tagen) @ Jörg

Als Antwort auf: Tabuthema Frauengewalt von Jörg am 14. Juli 2001 00:33:35:

Hi Jörg,

das ist ja wieder einmal unglaublich.
Frauengewalt scheint ein absolutes Tabuthema zu sein, selbst wenn es auf-
grund von Mißhandlungen durch eine Frau zum Eintritt des Todes gekommen ist.

Weisst Du was ich glaube? Die Leute heutzutage wollen einfach keine Verantwortung mehr übernehmen. Leider findet man das in vielen Bereichen, besonders schlimm natürlich auch beim Jugendamt, wenn es um Gewalt gegen Kinder geht. Wie oft liest man in der Zeitung, das das Jugendamt bereits eingeschaltet war, aber nichts richtiges unternommen hat und dieses wiederum scheitert auch oft am Geld. Stellen werden immer mehr zusammengestrichen und die, denen solche Fälle zugetragen werden, sind oftmals überfordert. Solange auch hier die Leute nicht aufschreien, wird sich nichts ändern. Da kommt so ein Fall in die Medien, man regt sich kurz darüber auf, wie schlecht doch die Menschen sind, aber beim nächsten Beitrag ist das schon wieder vergessen :-(((

Gruß - Christine

Re: Tabuthema Frauengewalt

Jörg, Saturday, 14.07.2001, 20:44 (vor 8340 Tagen) @ ChrisTine

Als Antwort auf: Re: Tabuthema Frauengewalt von ChrisTine am 14. Juli 2001 08:38:20:

Hallo Christine,

das, was Du geschrieben hast, trifft sicherlich zu - davon sind jedoch
im Prinzip beide Geschlechter gleichermaßen betroffen. Ich halte den
angeführten Artikel aber gleichzeitig auch für einen Hinweis auf die
unterschiedliche Wahrnehmung von weiblicher und männlicher Gewalt.

Gruß, Jörg

Re: Tabuthema Frauengewalt

ChrisTine, Sunday, 15.07.2001, 04:39 (vor 8339 Tagen) @ Jörg

Als Antwort auf: Re: Tabuthema Frauengewalt von Jörg am 14. Juli 2001 17:44:31:

Hi Jörg,

das, was Du geschrieben hast, trifft sicherlich zu - davon sind jedoch
im Prinzip beide Geschlechter gleichermaßen betroffen. Ich halte den
angeführten Artikel aber gleichzeitig auch für einen Hinweis auf die
unterschiedliche Wahrnehmung von weiblicher und männlicher Gewalt.

leider ist das in unserer Justiz mittlerweile gang und gebe. Ich kann das beim besten Willen nicht nachvollziehen. Was soll man dazu schreiben? ich verstehe Euch ja, wenn Ihr da von Ungerechtigkeit sprecht, aber wie soll man das ändern?

Gruß - Christine

Re: Tabuthema Frauengewalt

BartS, Saturday, 14.07.2001, 21:45 (vor 8339 Tagen) @ Jörg

Als Antwort auf: Tabuthema Frauengewalt von Jörg am 14. Juli 2001 00:33:35:

Hallo Jörg,

leider habe ich jetzt nicht verstanden, inwieweit der Bericht von der Gerichtsverhandlung im Zusammenhang mit der Überschrift steht. Gibt es da weitere Infos, die man wissen müßte?

Gruss
BartS

Re: Tabuthema Frauengewalt

Jörg, Saturday, 14.07.2001, 21:58 (vor 8339 Tagen) @ BartS

Als Antwort auf: Re: Tabuthema Frauengewalt von BartS am 14. Juli 2001 18:45:42:

Hallo BartS,

ich bin einfach mal so frei und gebe an dieser Stelle den Inhalt eines
Postings von Joachim Müller wieder, der die Zusammenhänge aus meiner Sicht
ganz gut herausgearbeitet hat:

"1996 wurden im Bundestag Maßnahmen gegen Gewalt gegen alte Menschen
debattiert. Man gabe eine Studie in Auftrag und fand so heraus, dass jähr-
lich 180.000 Pensionäre (je zur Hälfte Männer und Frauen) Opfer schwerer
Gewalthandlungen in ihren engeren sozialen Beziehungen werden. Täter sind
die Partner und Pflegepersonen (wobei dies auch oft Partner sind). Der
Bundestag beklagte es und schlug Interventionen vor, verfolgte dann das
Thema aber zu Gunsten publikumswirksamerer Debatten nicht mehr weiter.

Alte Menschen haben offensichtlich eine noch schlechtere Lobby als Kinder.
Dabei sind sie ähnlich hilflos und werden in Zukunft den größten
Bevölkerungsteil darstellen.

Heute erschien in der Mitteldeutschen Zeitung ein Bericht über einen solchen
Fall (...), der die meisten der typischen Merkmale enthält:

- Die Täterin zeigt keine Reue

- Die zuständige Sozialarbeiterin hat dem Opfer zu dessen Lebzeiten die
Misshandlungen nicht geglaubt

- Der Notarzt will bei Ausstellung des Todesscheines die Gewalteinwirkung
gar nicht festgestellt haben

Dafür kann es doch nur eine Erklärung geben:

FRAUENGEWALT darf es nicht geben - sie ist TABU."

Gruß, Jörg

Re: Tabuthema Frauengewalt

BartS, Sunday, 15.07.2001, 21:45 (vor 8338 Tagen) @ Jörg

Als Antwort auf: Re: Tabuthema Frauengewalt von Jörg am 14. Juli 2001 18:58:39:

Hallo Jörg,

erstmal danke für die Infos. Das Verständnisproblem ist aber noch zum Teil geblieben.

- Die Täterin zeigt keine Reue

Das tun männliche Täter auch nicht

- Die zuständige Sozialarbeiterin hat dem Opfer zu dessen Lebzeiten die
Misshandlungen nicht geglaubt

Wird wohl kein Einzelfall sein.

- Der Notarzt will bei Ausstellung des Todesscheines die Gewalteinwirkung gar nicht festgestellt haben

Nicht nachgekommen seiner ärztlichen Pflicht.

Der Fall ist sicher traurig, wie jeder solcher Fall. Aber meinst Du damit, daß das alles Ursache davon ist, daß Frauengewalt tabuisiert wird?

Gruss
BartS

Re: Tabuthema Frauengewalt

Jörg, Sunday, 15.07.2001, 21:59 (vor 8338 Tagen) @ BartS

Als Antwort auf: Re: Tabuthema Frauengewalt von BartS am 15. Juli 2001 18:45:31:

Der Fall ist sicher traurig, wie jeder solcher Fall. Aber meinst Du damit, daß das alles Ursache davon ist, daß Frauengewalt tabuisiert wird?

Hallo BartS,

möglicherweise habe ich mich noch nicht verständlich genug ausgedrückt. Ich
meine, daß solche Fälle wie der beschriebene nicht die Ursache, sondern eine
der Folgen sind von der Tabuisierung der Frauengewalt. Motto: Es kann nicht
sein, was nicht sein darf.

Gruß, Jörg

Re: Tabuthema Frauengewalt

BartS, Sunday, 15.07.2001, 22:10 (vor 8338 Tagen) @ Jörg

Als Antwort auf: Re: Tabuthema Frauengewalt von Jörg am 15. Juli 2001 18:59:00:

Der Fall ist sicher traurig, wie jeder solcher Fall. Aber meinst Du damit, daß das alles Ursache davon ist, daß Frauengewalt tabuisiert wird?

An der Stelle habe ich mich selbst verschrieben, es sollte natürlich "Folge" heißen.

Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Hmm, sicher das Gewalttaten die ungesühnt bleiben anwachsen. Ob die genannten Punkte aber daraus resultieren, daß es ein Tabu ist, ist erstmal Spekulation. Ich finde es auch nicht so toll, daß man solche Fälle aus dem Gesichtspunkt der Geschlechterzugehörigkeit betrachtet. Klar, "Männergewalt" und "Frauengewalt" ist ja nicht die Erfindung von diesen Forum, diese Begriffe haben andere geprägt, aber besser wäre es schon von solchen Kategorien wegzukommen.

meint
BartS

Re: Tabuthema Frauengewalt

Jörg, Sunday, 15.07.2001, 23:22 (vor 8338 Tagen) @ BartS

Als Antwort auf: Re: Tabuthema Frauengewalt von BartS am 15. Juli 2001 19:10:15:

Ich finde es auch nicht so toll, daß man solche Fälle aus dem Gesichtspunkt der Geschlechterzugehörigkeit betrachtet. Klar, "Männergewalt" und "Frauengewalt" ist ja nicht die Erfindung von diesen Forum, diese Begriffe haben andere geprägt, aber besser wäre es schon von solchen Kategorien wegzukommen.

Hier sind wir absolut einer Meinung.

Leider scheint es aber gerade neuerdings so zu sein, daß - ich komme immer
wieder auf das Beispiel häusliche Gewalt zurück - diese Aufteilung nach
Geschlechtern nicht abgebaut, sondern sogar noch gefördert wird. Und ich
denke, daß dies nicht ohne Grund so passiert.

So schreibt der Kriminologe Prof. Bock von der Uni Mainz sehr treffend in
der FAZ: "... die Projekte, die in großer Zahl landauf, landab aus der Taufe
gehoben werden, haben in der Regel einen schweren Geburtsfehler: Sie kennen
nur Männer als Täter und Frauen als Opfer und sehen entsprechend mehr
Kontrolle oder Strafe nur für Männer vor und mehr Hilfe und Schutz nur für
Frauen. Männer und Alte, die Opfer weiblicher Gewalt werden, haben keine
Chance, Kinder nur, wenn der Vater prügelt." (FAZ vom 17.02.2001)

Das ist die gegenwärtige Situation und aus männlicher Sicht finde ich das
alles andere als okay. Mit dem anstehenden Gewaltschutzgesetz wird diese
Situation aller Voraussicht nach noch weiter verschärft, da ein Mann dann
schon seine Wohnung verlieren kann wenn sich eine im gleichen Haushalt
lebende Frau auch nur von ihm bedroht fühlt.

Gruß, Jörg

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