Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wer Schläge einsteckt, wird zum Schläger

Larry, Wednesday, 18.07.2001, 02:57 (vor 8336 Tagen)

Wer Schläge einsteckt, wird Schläge austeilen...

Der folgende Beitrag wurde mir zugespielt. Er stammt aus der Zeitschrift "Paps", die Ausgabe für 7,30 DM. Ich habe ihn eingescannt und nicht nachbearbeitet. Lesefehler können also nicht ausgeschlossen werden.

Hier wird deutlich, wie sich Frau Dr. Bergmann (Bundesfamilienministerin) um eindeutige Stellungnahmen herumdrückt. Andere Erfahrungen habe ich bei Frau Bergmann übrigens auch nicht gemacht.

Besonders toll ist die Werbung des BFMs, bei dem Jungen gezeigt werden, die Schläge einstecken und als Erwachsene dann selbst zu Schlägern werden. Diese Ettiketierung finde ich unmöglich und unglaublich diskriminierend; aber Frau Bergmann tut die Kritik daran als rhetorische Kleinkrämerei ab.

Aber lest selbst:

Gruß
Larry

"Eine Anzeige in einer Zeitschrift: Das Foto eines Jungen, sitzend nach hinten aufge-stützt, bekleidet nur mit einem Unter-hemd, schmale Lippen, den Abdruck einer Ohrfeige im Gesicht, darin der montierte Text ,,Ohrfeigen vergehen, der Schmerz bleibt", sein Blick - halb ins Leere gehend
- zwischen Skepsis, Unverständnis, sprach-loser Anklage. Links unten im Bild die in Großbuchstaben platzierten Worte ,,WER
SCHLÄGE EINSTECKT, WIRD SCHLAGE AUSTEILEN", einzig näher erläutert mit den darunter liegenden Zeilen: ,,Gewalt ist ein Teufelskreis und hat in der Kinderer-ziehung nichts zu suchen. Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung... Deutschland erneuern".
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte einige Wochen zuvor eine Kampagne gestartet unter dem Titel ,,Mehr Respekt vor Km-dem". Sie soll für den Gedanken des im Juli 2000 verabschiedeten, strafrechtlich aller-
dings folgenlosen Gewaltäehtungsgeset-zes (Änderung § 1631 Abs. 2 BGB) öffent-lich sensibilisieren. Ich besorgte mir die Begleitmaterialien zu der Anzeige, um mehr zu den Hintergründen und Absich-ten, vor allem aber zu der Frage zu erfah-ren, was das Bundesministerium wohl ver-anlasst haben mochte, die plakative Aufmerksamkeit für einen von Gewalt betroffenen Jungen innerhalb nicht ein-mal einer Sekunde auf die Aussage wird Schläge austeilen" zu lenken.
Was die Sensibilisierung betrifft: Ich bin es schon. Allerdings nicht nur für ,,Gewalt in der Erziehung" allgemein, sondern auch für die Situation von Jungen im besonde-ren. Seit vielen Jahren werde ich in der Hamburger Beratungsstelle ,,Männer-wege" mit den Ursachen und Folgen von Gewalt bei Jungen und Männern konfron-tiert. Das Verhältnis OpferiTäter ist bei Jungen 9:1. Jungen, die Gewalt erfahren haben, kämpfen zu allererst mit Verwir-
rung und Beschämung, Versagensängsten, Depressionen, auch somatischen Erkran-kungen - statt mit dem Vorhaben, wie sie wohl am effektivsten zuschlagen können. Sicher, ein Teil der gewaltbetroffenen Jungen mag - im Verlauf ungünstiger familialen sozialer Entwicklungen und bei dem eklatanten Mangel an adäquat vor-handenen Hilfeangeboten - Täterver-halten entwickeln.
Warum agiert eine Kampagne, die sich ,,mehr Respekt" vor Mädchen und Jungen zum Ziel gesetzt hat, beim Thema Gewalt an Jungen unmittelbar und ausschließlich mit dem Hinweis auf eine spätere Täter-schaft? Wieso beschreibt sie nicht die Ängste und Verletzungen von gewaltbe-troffenen Jungen? Wieso verdeutlicht sie nicht gerade diese plakativ, sondern arbei-tet mit Suggestionen und impliziten Drohungen?
Das fragten wir in einem offenen Brief die kampagnenverantwortliche Ministerin
Christine Bergmann, baten um die Strei-chung des kritisierten Satzes und um eine angemessene Überarbeitung.
Mit dem Inhalt des offenen Briefes müs-sen wir bei vielen Menschen einen Nerv getroffen haben, denn die Resonanz war und ist unerwartet - positiv Bis Anfang März unterzeichneten über 270 Personen und Institutionen - darunter ,,internatio-nale" und ,,prominente" von Männer- und Frauenberatungsstellen, Kinderschutz-und Jugendhilfeeinrichtungen. Täter-Opfer-Ausgleichs-Projekten und viele mehr. Es gab weitere, teils offene Briefe an das Ministerium, Unterstützung durch die Veröffentlichung des Briefes in Rund-briefen, Fachzeitschriften, auf einigen Websites und durch weitere Verteiler wie etwa dem der Bundesvernetzungsstelle Autonomer Frauennotrufe. Es gab zustim-mende Reaktionen auch aus den Reihen der Vor-Ort-Kooperationspartner der Kampagne und selbst in der SPD-
Bundestagsfraktion will man sieh dieser Debatte nicht verschließen.
Auch Ministerin Bergmann reagierte -allerdings mit einer Argumentation, die nicht zufriedenstellte, schon weil sie auf die kritisierten Inhalte nicht einging. Wir schrieben ihr einen zweiten Brief und ba-ten, auf konkrete Fragen auch konkret zu antworten und das Jungen-Plakat zwecks Überarbeitung zurückzurufen. Später war zu erfahren, dass bei einer Veranstaltung in Berlin am 19. Februar, an der die Ministerin beteiligt war, die Initiative als ,,intellektualisierte Debatte" bezeichnet wurde und man der Auffassung war, ,,dass doch die Sache zähle, man nicht jedes ein-zelne Wort nun umdrehen könne und schon gar nicht das ganze Ansinnen zerre-den solle'
Ob das Ziel der Initiative - eine Revision der kritisierten Inhalte - im Verlauf der Kampagne erreicht wird, ist ungewiss. Mit Sicherheit aber konnten wir mehr Auf-
merksamkeit auf das Thema ,,Jungen als Opfer von Gewalt" lenken und für eine Sensibilisierung der Diskussion sorgen.
Wer sich dem offenen Brief noch anschließen möchte, schreibe an Switch-board, Postfach 658720 in 223/4 Homburg, Fax: 040/387907 oder E-MaiI:
maennerweg®aaLeam (bitte mit voll-ständiger Adresse und ggf. Berufs-, Funk-tions- oder Organisationsbezeichnung).
Alexander Bentheim ist Diplom Pädago-ge, Bildungsrefercnt und Mitherausgeber von ,,Switehboard. Zeitschrift für Männer und Jungenarbeit" im Verlag männerwe-ge, Hamburg."

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