Der Staat und die Hartz4-Debatte - oder: Die spätrömische Dekadenz
Der Staat belohnt eine Ehescheidung mit 300 Euro pro Monat
Familien, die von Hartz4 betroffen sind, müssen sich überlegen, ob sie nicht unverzüglich gegenüber der ARGE erklären sollen, dass sie auf Dauer getrennt leben. Der Staat belohnt diese Entscheidung nicht nur mit 68 Euro Geldleistung mehr pro Monat, sondern übernimmt auch die Miete für die Wohnung des Vaters inkl. Heizkostenübernahme und Möbel-Erstausstattung. Dort kann er sich ein Arbeitszimmer einrichten und - ganz ungestört vom Kinderlärm - seiner Arbeitssuche nachgehen. Natürlich darf er - nur wegen der Kinder natürlich - täglich abends in sein altes Zuhause zurückkehren, fast wie früher, als er noch Arbeit hatte ...
Wäre dies dann Missbrauch von Sozialleistungen? - Juristisch sicher nicht, solange er wirklich auf Dauer dieser bürgerlichen Institution entsagen will - und warum sollte er nicht? Wenn ein Unternehmer in ähnlicher Lage einen solchen "Gestaltungsspielraum" nicht rational zum Vorteil seiner Firma auslegen würde, dann würden ihm wahrscheinlich alle Banken sofort die Kredite sperren - wegen Kreditunwürdigkeit.[1]
Man sollte immer in Erinnerung behalten, dass Familie auch eine Wirtschaftsgemeinschaft ist und von daher unternehmerisches Denken erwartet werden kann. Es gibt keinen grundsätzlichen Unterschied zu einem Unternehmen, dass seine Standortwahl unter anderem von öffentlichen Fördermitteln abhängig macht. Wenn ein großes Unternehmen seine Produktion in Westdeutschland schließt und in Ostdeutschland oder Rumänien wieder öffnet, helfen auch alle Appelle von Bürgermeister, Stadtdirektor und vielen anderen Bürgervertretern an die Verantwortung an die Unternehmerfamilie bzw. die Aktionäre nichts. Die Antwort der Unternehmer wird stets dieselbe sein, dass es Aufgabe des Gesetzgebers sei, den volkswirtschaftlichen Rahmen zu gestalten, und sie müssten rein betriebswirtschaftlich denken.
Auch in den Gemeinden ist inzwischen betriebswirtschaftliches Denken eingezogen, selbst wenn dies volkswirtschaftlich von Nachteil ist. So sind Bezirksbürgermeister bestrebt, attraktive Bürger anzulocken und weniger attraktive möglichst in andere Stadtteile zu verdrängen. Vor diesem Hintergrund sollte öffentliche Wirtschaftsförderung, staatliche Sozialleistungen und die Hartz4-Debatte neu überdacht werden.
Die Vermittlungsleistungen der ARGE von Hartz4lern
Klaus Heck berichtet, wie er im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des Arbeitsamtes eine junge Mathematikerin betreute, die aus dem Iran geflohen war und nun im Rahmen einer Arbeitsfördermaßnahme für den gemeinnützigen Verein Schreibarbeiten erledigte. Innerhalb weniger Wochen erlernte sie die Grundlagen doppelter Buchführung.
Und mittels eines zusätzlichen Selbststudiums war sie bald in der Lage, in der Buchhaltung des Vereins eingesetzt zu werden. Zufällig rief eine befreundete Personalleiterin an und fragte K.H., ob er keine Buchhalterin empfehlen könne. Sofort sprach er mit der Geschäftsführerin des "Vereins für Arbeit", doch diese winkte ab: Er solle der Frau bloß nichts von dieser Stelle sagen, denn sie mache sich gerade in der Buchhaltung für den Verein so gut. Auch in diesem Beispiel stehen betriebswirtschaftliche Überlegungen höher, als der eigentliche Auftrag: Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt.[2]
Soviel zum Thema "spätrömischer Dekadenz"!
[1] Klaus Heck: "Füreinander einstehen" - Jenseits einer „Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft“ im Sinne des SGB II, Seite 28
[2] Klaus Heck, Seite 29
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