Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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R. D. Precht: "Liebe in Zeiten der Krise"

Der_Dezentrale, Thursday, 01.04.2010, 21:08 (vor 5727 Tagen)

Hat das einer von euch am vergangenen Sonntag auf 3Sat gesehen: den Vortrag des Philosophen Richard David Precht zum Thema Liebe?

Er meinte, es ist Quatsch, heutiges Verhalten von Männern und Frauen von dem der Großwildjäger und Höhlenbewohner abzuleiten, weil die Struktur des menschlichen Gehirns schon vor 100.000 Jahren festgelegt gewesen sei, als die Menschen vom Fischfang lebten und noch kein Großwild jagten. Und könnte man heutiges Verhalten von der Fischfang-Epoche ableiten, müsse das ja bedeuten, dass Frauen nicht angeln können. Alte Rollenverteilungen seien also für uns heute irrelevant - im Gegensatz zur Macht der Hormone.

Dann erklärte er noch was zum Thema Testosteron: Dessen Konzentration steige, so meint er, um das 100fache, sobald ein Wesen die Spitze der Hierarchie erreicht. Dadurch werde das Testosteron giftig und führe zur Verblödung...
...Na da wird mir doch einiges klar! *Deshalb* glauben also Spitzenpolitiker, es sei sinnvoll, einseitig Frauen zu fördern!! Und deshalb bilden sich Unternehmer mit 60- oder 70-Stunden-Arbeitswoche ein, sie hätten es besser als Hausfrauen!

Grüße
D_D

--
"Gegen die Befreier des Geistes sind die Menschen am unversöhnlichsten im Hass, am ungerechtesten in Liebe."

Friedrich Nietzsche

Unfug. (k.t.)

Stammbaum-Gerontologe, Thursday, 01.04.2010, 23:02 (vor 5727 Tagen) @ Der_Dezentrale

- kein Text -

Testosteronvergiftung?

kein name, Friday, 02.04.2010, 00:31 (vor 5727 Tagen) @ Der_Dezentrale

bezieht sich denn der "Philosoph" Precht mit seiner Theorie der verblödenden Testosteronvergiftung auf irgendeine existierende Studie? Oder war der Beitrag von vornherein ironisch gemeint (ich fürchte nicht)?

Steinzeit-Unfug

Isegrim, Friday, 02.04.2010, 03:21 (vor 5727 Tagen) @ Der_Dezentrale

Dieser ganze Steinzeit-Mist führt doch sowieso zu nichts.
Wer weiß schon, was in der Steinzeit war. Und diese ganzen "Ableitungen" aus den Verhältnissen in der Steinzeit sind doch allesamt unwissenschaftlich: sie sind nicht falsifizierbar. Wir wissen nicht, wie die "Steinzeit-Gesellschaft" aussah, falls sie überhaupt so homogen war, als daß man sie so nennen könnte.
Allesamt unbeweisbare Aussagen (wie: diese oder jene Eigenschaft hat sich entwickelt weil... sind immer höchstens plausibel, nie beweisbar) auf Basis von Vermutungen (Ur-Matriachat, Geschlechtertrennung Jagd/Sammeln etc.), welche im Grunde nur den Versuch darstellen, auf heutige Probleme mit "natürlichen" Argumenten zu antworten und meist nur eine Projektion persönlichen Wunschdenkens in die Vergangenheit sind. Humbug.

Und der Quatsch mit der Testosteron-Konzentration, die um das 100(!)-fache steigt: Schuster, bleib bei Deinen Leisten. Das gilt auch für Philosophen.

R. D. Precht, nur wichtig als Zeitgeistindikator.

Roslin, Friday, 02.04.2010, 03:40 (vor 5727 Tagen) @ Der_Dezentrale

Herr Precht ist ein Saloncauseur, der Darwin "frauenfreundlich" macht, konsumierbar für die Anything-Goes-Generation der Post-68'er, der nichts schwerer im Magen liegt als Evolutionsbiologie und -psychologie.
Von beidem hat Precht wenig Ahnung, über beide starke Meinungen, die, wie angenehm für die herrschende Kulturschickeria, mit ihren eigenen kulturalistischen Vorurteilen übereinstimmen.
Er verspricht die Rettung der Soziologie vor der Biologie, der Herr Precht.

Hierzu eine Rezension seines Buches über die "Liebe, ein unordentliches Gefühl", Zitat aus dieser Rezension vom 9.12.2009:

Nicht einmal von den meistzitierten, paradigmenstiftenden Klassikern der evolutionären Fachliteratur des letzten halben Jahrhunderts kann Precht reden, ohne sie falsch zu identifizieren, falschen Zeitabschnitten zuzuordnen oder einfach ihre Aussagen auf den Kopf zu stellen. Irgendwann ist man so weit, dass man fast Dankbarkeit empfindet, wenn Precht bloß die Anzahl der in einem Mannesleben produzierten Spermien um einen fünfstelligen Faktor zu gering beziffert und ansonsten keinen Schaden anrichtet.

Das Schlimmste an diesem Buch aber sind die widerlichen Ad-hominem-Äußerungen, an denen sich Precht fortwährend aufrichtet - die ständigen Andeutungen und Diffamierungen in der ganzen überflüssigen, beleglos dargereichten biographischen Sauce, in die er seine verunglückten Ideenreferate eindeckt. Es hat geradezu zwanghaften Charakter. Selbst die epochemachende Entdeckung der DNS-Doppelhelix durch Crick und Watson kann er nicht erwähnen, ohne im Vorübergehen zu versichern: "Zuvor galten beide Forscher nicht gerade als Leuchten ihrer Zunft." Über William Hamilton, den wichtigsten theoretischen Biologen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, lässt er sich seitenlang mit keiner anderen Absicht aus, als Bemerkungen wie diese anzubringen: "Die entscheidende Frage war, ob Hamilton dagegen nicht immer schon sonderbar gewesen war."

Einen führenden Vertreter der Evolutionspsychologie stellt er so vor: "Einige Jahre war David Buss ein unzufriedener Sozialpsychologe. Dann stürzte sich der heute 55-jährige (. . .) auf die evolutionäre Psychologie." Richard Dawkins, im Blickpunkt wegen seiner klassischen Monographie von 1976, in der er die genselektionistische Perspektive der konventionellen Evolutionsbiologie veranschaulichte, darf noch froh sein, wenn ihm Schwachsinn zugeschrieben wird wie ein Glaube an "einen Gott in den Genen: Sie sind allmächtig, allgewaltig und für alles verantwortlich", oder wenn Precht keift: "Du bist nichts, deine Gene sind alles!" Doch, doch, so geht es hier wirklich zu, und über Dawkins' Stellung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft und seine Forscherkarriere in Oxford tischt Precht noch ganz andere Falschaussagen und Halblügen auf.

Kein Autoritäts- oder Herkunftsargument ist Precht zu dumm. Zu einem Buch des weltweit führenden Autismus-Forschers Simon Baron-Cohen über Unterschiede von Gehirn und Geist zwischen Männern und Frauen schreibt Precht, es sei "äußerst umstritten. Denn" - denn?! - "Baron-Cohen ist kein Hirnforscher, sondern Professor für Psychologie am Trinity College der University of Cambridge."

Derlei kolossale Eigentore und andere Versuche Prechts, unverstandene Positionen durch irrelevante, falsche oder schlicht lachhafte Bemerkungen zur fachlichen Herkunft ihrer Autoren zu untergraben, sind das eine. Das Unglaublichste aber ist, dass sie ausgerechnet von einem stammen, der auf die gute wissenschaftliche Grundregel der herkunftsneutralen Bewertung von Gedanken stärker angewiesen ist als alle von ihm beschimpften Forscher zusammengenommen: von einem Solinger, dessen akademische Laufbahn nie über seine Heimatuniversität Köln und eine Promotion in germanistischer Literaturwissenschaft hinausführte.

Testosteronvergiftung?

Der_Dezentrale, Sunday, 04.04.2010, 19:43 (vor 5724 Tagen) @ kein name

bezieht sich denn der "Philosoph" Precht mit seiner Theorie der
verblödenden Testosteronvergiftung auf irgendeine existierende Studie? Oder
war der Beitrag von vornherein ironisch gemeint (ich fürchte nicht)?

Ob es eine Studie gibt, ist mir nicht bekannt. Der ganze Beitrag war populärwissenschaftlich aufbereitet. Aber auch sowas kann ja ganz amüsant sein.

--
"Gegen die Befreier des Geistes sind die Menschen am unversöhnlichsten im Hass, am ungerechtesten in Liebe."

Friedrich Nietzsche

Steinzeit-Unfug

Der_Dezentrale, Sunday, 04.04.2010, 19:52 (vor 5724 Tagen) @ Isegrim

Dieser ganze Steinzeit-Mist führt doch sowieso zu nichts.
Wer weiß schon, was in der Steinzeit war. Und diese ganzen "Ableitungen"
aus den Verhältnissen in der Steinzeit sind doch allesamt
unwissenschaftlich: sie sind nicht falsifizierbar. Wir wissen nicht, wie
die "Steinzeit-Gesellschaft" aussah, falls sie überhaupt so homogen war,
als daß man sie so nennen könnte.
Allesamt unbeweisbare Aussagen (wie: diese oder jene Eigenschaft hat sich
entwickelt weil... sind immer höchstens plausibel, nie
beweisbar) auf Basis von Vermutungen (Ur-Matriachat,
Geschlechtertrennung Jagd/Sammeln etc.), welche im Grunde nur den Versuch
darstellen, auf heutige Probleme mit "natürlichen" Argumenten zu antworten
und meist nur eine Projektion persönlichen Wunschdenkens in die
Vergangenheit sind. Humbug.

Und der Quatsch mit der Testosteron-Konzentration, die um das 100(!)-fache
steigt: Schuster, bleib bei Deinen Leisten. Das gilt auch für Philosophen.

Hallo Isegrim!

Zum ersten Absatz deines Beitrags: Dass Schlussfolgerungen von früheren Rollenverteilungen auf die heutige Funktionsweise des menschlichen Gehirns nicht möglich sind, sagt Precht ja *selbst*. Das habe ich mit meinem ersten Beitrag auch auszudrücken versucht.

Zum zweiten Absatz: Eine Steigerung des Testosterons um das Hundertfache ist in der Tat schwer vorstellbar. Auch meine Schlussfolgerung war mit einem sachten Augenzwinkern gemeint, aber Tatsache ist und bleibt: Politiker, die einseitige Frauenförderung für sinnvoll halten, sind dämlich, und Manager, die am Rande des Herzinfarktes glauben, ein schöneres Leben zu führen als Hausfrauen, ebenso - welche wissenschaftliche Ursache diese Dämlichkeit auch immer haben mag.

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