Siebter Familienbericht im Familienausschuss
Berlin, 14. Dezember 2006
Siebter Familienbericht im Familienausschuss: Rahmenbedingungen der Fürsorge für andere
Prof. Dr. Hans Bertram, Soziologieprofessor der HU Berlin und der Vorsitzende der Sachverständigenkommission für den Siebten Familienbericht, stellte in einer öffentlichen Sitzung des Bundestags-Familienausschusses am 13. Dezember 2006 den Familienbericht vor, der "Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit - Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik" zum Thema hat.
Bertram hob hervor, Familie produziere Fürsorge für andere, für die er den Begriff "care" prägte, weil darin auch der Aspekt der Liebe und des füreinander Daseins ohne Erwartung einer Gegenleistung zum Ausdruck komme. Diese Aufgabe könnten Familien jedoch nur bewältigen, wenn eine neue Balance zwischen den Lebensbereichen geschaffen werde, so dass der Lebensverlauf gemäß den Herausforderungen einer modernen, postindustriellen Gesellschaft organisieret werden könne. Durch ein höheres Bildungsniveau komme es zu einer Verdichtung der Zeit, von der besonders gut qualifizierte, junge Frauen betroffen seien. So müssten sich im Lebensverlauf Phasen der Kinderbetreuung, der Bildung und auch der Pflege von Älteren mit Erwerbsarbeit abwechseln können. Die geänderten Zeitstrukturen einer postindustriellen Gesellschaft machten andere Formen der Unterstützung von Familien notwendig.
Die Ausschussvorsitzende, Kerstin Griese, betonte die große Bedeutung des neuen Familienberichtes. "Er ist eine wichtige Grundlage für unsere Arbeit." Griese lobte die zukunftsweisenden Erkenntnisse des Familienberichts, der über die Familienpolitik hinausgreife und auf wichtige Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft hinweise: "Besonders die Gestaltung des demografischen Wandels ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung."
Bertram unterstrich die Bedeutung der Familien für unsere Gesellschaft. Er stellte als wichtiges Ziel eine stärkere Verknüpfung der Familien- und Gleichstellungspolitik heraus: "Familienpolitik in einer gewandelten Welt kann nur gelingen, wenn sie auch Gleichstellungspolitik ist." So dürfe die Sorge für andere keine ausschließlich weibliche Aufgabe sein, sondern müsse von Männern und Frauen gemeinsam erbracht werden.
Andere europäische Länder, besonders die skandinavischen, hätten es besser geschafft, jungen Menschen Lebensverlaufsmodelle zu ermöglichen, die Qualifizierung, Berufseinstieg und Reproduktion miteinander kombinieren. Der Familienforscher lobte in diesem Zusammenhang die positive politische Entwicklung in den letzten Jahren, insbesondere die Einführung des Elterngeldes und den Ausbau der Kinderbetreuung. Der eingeschlagene Weg zeige in die richtige Richtung.
Als zentrale Empfehlungen des Berichts hob Prof. Bertram neben einer neuen Zeitpolitik in Lebensverlauf und Alltagszeit die Schaffung einer familiengerechten Infrastruktur in den Kommunen sowie eine zielgenauere Ausrichtungen der familienbezogenen Leistungen des Bundes hervor.
Kerstin Griese bedankte sich herzlich für die Arbeit der Expertenkommission zum Familienbericht. Sie zeigte sich erfreut, dass die Fachleute den Wandel in der Familienpolitik unterstützen. Der Ausbau der Kinderbetreuung sei zwar Aufgabe der Kommunen, der Bund habe aber vor allem durch Standardsetzung im Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG), das die Förderung und Betreuung von Unter-Dreijährigen regelt, Einflussmöglichkeiten. "Immer mehr Kommunen erkennen gute Betreuungseinrichtungen als Standortvorteil und wetteifern miteinander darum. So ergibt sich ein Schneeballeffekt, von dem Familien profitieren", so die Ausschussvorsitzende.
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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein
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