Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Reich-Ranicki und Herta Müller

Literaturnobelpreuße, Tuesday, 20.04.2010, 17:42 (vor 5709 Tagen)

http://www.tagesschau.de/ausland/nobelpreis156.html

Nur mal zum Thema "Quotenfrau", hier im Literaturbetrieb. Nach und vor dem Hochjubeln von Werken wie "Axolotl Roadkill" oder "Feuchtgebiete"...

Herta Müller erhielt den Literaturnobelpreis 2009. Ich finde interessant, was Reich-Ranicki dazu sagt:

Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki lehnte hingegen einen Kommentar ab: "Ich will nicht über die Herta Müller reden. Adieu", sagte er in einem Telefongespräch.

Der Mann ist ja dafür bekannt, jedem ganz offen seine (nicht ganz unmaßgebliche) Meinung zu sagen und auf pc weitgehend zu sch....

Eine sehr treffende Rezension bei Amazon:

2.0 von 5 Sternen Stilistische Unzulänglichkeiten, 30. Dezember 2009
Von macrosoft "macrosoft" - Alle meine Rezensionen ansehen
Rezension bezieht sich auf: Atemschaukel (Gebundene Ausgabe)
Die poetische Sprache Herta Müllers wurde vielfach gepriesen. Aber: Ich habe bisher bei keinem großen Autor so viele stilistische (anfängerhaft wirkende) Unzulänglichkeiten entdeckt wie bei Herta Müller.
Ihr Schreiben ist eine seltsame Mischung aus gelungenen und völlig missratenen Teilen. Selbst das Gelungene lässt die Autorin oft nicht wirken, sondern zerstört es durch unnötige Ergänzungen, als würde sie kein Vertrauen in die Fähigkeiten der Leser haben.

Die eher wenigen Stilmittel werden inflationär eingesetzt, so zum Beispiel
Anthropomorphismen (Personifizierungen), die manchmal wirkungsvoll sind (Aber mein Hunger saß wie ein Hund vor dem Teller und fraß.), oft aber peinlich (Der Schlackoblock hatte es gut, ..., Aber die Halle erkannte mich ...) und so häufig verwendet, dass sie zur Masche verkommen, zum Ausdruck stilistischer Limitiertheit.

Zusammengesetzte Wörter gibt es auch inflationär:
Atemschaukel, Hungerengel, Hautundknochenzeit, Eintropfenzuvielglück, Brotfalle, Brotgericht, Brotgerechtigkeit, Eigenbrot, Wangenbrot, Blechkuss, Ersatzbruder, Herzschaufel, Kartoffelmensch usw.
Auch hier schadet der zu häufige Einsatz, die vielen Konstruktionen mit Brot stören schon beim Aufzählen.

Kennzeichnend sind auch gequälte Assoziationen wie
Hotel - Appell,
Schamott - Schamhafte Motten,
gasowii (persönliche Vermutung, einen passenderen Begriff für Gaskohle hab ich nicht gefunden) Hasoweh verwundeter Hase

Den wahren Tiefpunkt bilden aber die häufigen Reflexionen.

S.86, Vom Hungerengel:
Immer ist der Hunger da.
Weil er da ist, kommt er, wann er will und wie er will.
Das kausale Prinzip ist das Machwerk des Hungerengels.
Wenn er kommt, dann kommt er stark.
Die Klarheit ist groß:
1 Schaufelhub = 1 Gramm Brot. [...]
Der Hunger ist kein Gegenstand.

S.144, erneut Vom Hungerengel:
Der Hunger ist ein Gegenstand.
Der Engel ist ins Hirn gestiegen.
Der Hungerengel denkt nicht. Er denkt richtig.
Er fehlt nie. [..]
Er sagt, er kommt wieder, bleibt aber da.
Wenn er kommt, dann kommt er stark.
Die Klarheit ist groß:
1 Schaufelhub = 1 Gramm Brot.
Der Hunger ist ein Gegenstand.

Es wirkt wie ein (beliebiges, oberflächliches) Spiel mit dem scheinbar Paradoxen (denkt nicht / denkt richtig, Gegenstand / kein Gegenstand).

Es geht auch noch schlechter:
Der Zement wird immer weniger, er kann von sich aus verschwinden. Ich bin doch auch aus Zement und werde auch immer weniger. Wieso kann ich nicht verschwinden.
Von einem Baum kann man nicht angeschrien und verprügelt werden. Unter einem Baum schon, aber er kann nichts dafür.

Wenn Mathematik und Physik ins Spiel gebracht werden, wird es unfreiwillig komisch:
Er schüttelte dreizehn dicke weiße Bohnen in meiner Wattekappe, stülpte sie auf den Kofferdeckel und studierte die dreizehn Entfernungen untereinander.
Die Erwähnung der Zahl der Entfernungen untereinander ist hier überflüssig. Wenn man elementarste Kombinatorik nicht beherrscht, sollte man davon absehen.
Er fragt: Warum grad 273 Kartoffeln.
Weil minus 273 Grad Celsius der absolute Nullpunkt ist, sage ich, kälter geht es nicht.
Du hast es heute mit der Wissenschaft , meint er, du hast dich doch bestimmt verzählt.
Verzählt haben kann ich mich nicht, sag ich, die Zahl 273 passt auf sich auf, sie ist ein Postulat.
273: Die Zahl die auf sich aufpasst und ein Postulat ist. Einfach nur Unsinn (wie überhaupt die Verbindung zwischen der Zahl der Kartoffeln und dem absoluten Nullpunkt).

Beim Minkowski-Draht ist SF-Trash-Niveau erreicht:
So wie ich hier sitze, steht über meinem Kopf der Minkowski-Draht gerade nach oben. Und wenn ich mich bewege, biegt er sich so wie ich und macht diese Bewegung mit.
Auch jeder Winkel im Keller hat seinen Draht ... (Auch Abstraktes hat einen Minkowski-Draht.)

Wenig plausibel erscheint der Brottausch: Hungernde erliegen täglich optischen Täuschungen und spielen Brottausch. Und es tappt auch jeder immer wieder in die Falle rein. (Jeder tappt in die Brotfalle.)
Dieses Spiel ist ohne Hungerengel wohl nicht nachvollziehbar.

Die Liebe zur Gaskohle erscheint infantil:
Die GASKOHLE ist flink. [...] Der Natschalnik nennt die Gaskohle fast flüsternd HASOWEH. Das klingt wie verwundeter Hase. Deshalb habe ich sie gern.

Der Humor ist oft unangemessen oder unfreiwillig:
Der Fuß war soviel kürzer, dass er auch ihre Mundwinkel hinunterzog.
Und so viele Tag- und Nachtschichten wie Erdschichten muss es im Keller hier geben.
Auch Schlagsahne ist bis heute kein Sahnehäubchen.
Mit einer lausigen Bescheidenheit im engsten Sinn des Wortes ...
Ich weiß, schon im Bereich der Läuse gibt es dreierlei Heimweh: die Kopflaus, die Filzlaus und die Kleiderlaus.
... in dem Namen ist eine Laus. Latzi kommt von Ladislaus.

Besonders störend sind floskelhafte Zutaten:
Das meinte der Akkordeonspieler Konrad Fonn. Meinen kann man allerhand. Wissen kann man es nicht.
Das ist nur noch trivial.

Es gibt auch beeindruckende, gelungene Bilder wie die vom vielen Träumen abgenutzten Bohnen oder die Gegenstände, die Jahre später Leo im Traum überfallen oder der Sommertanz, der über der Schwermut einen Leichtsinn wie Heu aufwühlt (das Bild ist schön, auch wenn vermutlich nicht vorhandener Leichtsinn aufgewühlt wird).
Leider zerstört die Autorin die Schönheit der Bilder oft selbst, durch unstimmige, unpassende oder überflüssige Ergänzungen. (Zum Beispiel wenn sie aus den 13 abgenutzen Bohnen des Traumdeuters eine Suppe kochen möchte.)

Es ist wie bei einem Pianisten, der immer wieder falsch spielt. Da kann er zwischen den Fehlern noch so gut spielen, die Wirkung ist zerstört. Kunst kann sich nur auf einer soliden handwerklichen Basis entfalten.

Herta Müller hätte zu einem wichtigen Thema ein wichtiges Buch schreiben können. Das wäre aus meiner Sicht ein Buch über die Freundschaft mit Oskar Pastior gewesen (einem Poeten einer anderen Generation), ein Buch über den Versuch, das von Oskar Pastior Erlebte zu verstehen und über das Gelingen oder Scheitern dieses Versuchs. In diesem Buch hätte auch Oskar Pastior selbst zu Wort kommen müssen. Und Herta Müller hätte durchaus da, wo sie nur fabuliert, (wie einst Max Frisch) mit dem Satz Ich stelle mir vor: beginnen dürfen.
So kann man nur vermuten (anhand der Qualität des Geschriebenen), was Realität (auf echte Erlebnisse beruhend) und was Fiktion (eigenes Reflektieren) ist.
Am Ende bleibt der bittere Beigeschmack, dass Herta Müller Oskar Pastiors Biografie verwertet hat, um das zu schreiben (einen Roman), was sich besser verkauft oder was sie (vermeintlich) besser kann.
Das Ergebnis ist nicht angemessen, auch wenn die tatkräftige Unterstützung aus Stockholm Oskar Pastior posthum zu deutlich mehr Popularität verholfen hat.

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Aber klar, dass es da nicht lange braucht, bis eine Frau Doppelname mit einem Haufen Beleidigungen aufkreuzt:

Veröffentlicht am 10. Februar 2010 09:57 CET
Cornelie Mueller-Goedecke meint:
Ihr Kommentar ist ein einziger egomaner Trip eines Besserwissers

Räumen Sie doch erstmal Ihre Sonderzeichen auf ;=)

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Unnötig zu sagen, dass ich das Buch auch gelesen habe und dem Rezensenten nur voll und ganz zustimmen kann. Ähnlich wie im Falle von "Axolotl Roadkill" - die Autorin wälzt sich überzogen in einem gezwungen wirkenden Haufen aus sinnlos, wirr und völlig übertrieben eingesetzten Stilmitteln und die Medien jubeln das u.a. als "Poesie" hoch.

Ich kann echt nicht nachvollziehen, warum da ein Nobelpreis für Literatur vergeben wurde.


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