"In den letzten Jahrzehnten ist das Image von erarbeitetem Bildungserfolg unter Jungen derart gesunken, dass keiner mehr ein Streber sein will. So extrem war das damals nicht."
Stimmt. Ich habe das ähnlich erlebt. Meine ersten acht Schuljahre habe ich in der DDR standardmäßigen zehnklassigen Polytechnischen Oberschule erlebt. Rückblickend muss ich sagen, dass für die Kultur des sozialen Umgangs dort vor allem eines charakteristisch war: Es war ein relativ Leichtes, durch schulische Leistungen sozialen Statusgewinn zu erlangen.
Nach der Wende hat sich das in exakte Gegenteil verkehrt. Das gesamte Schulsystem wurde über den Haufen geworfen, auch das, was eventuell noch brauchbar gewesen wäre. Die Schule, in der ich war, wurde zur Hauptschule. Auch ich landete dort aufgrund eines zwischenzeitlichen Formtiefs in den Schulleistungen. Wer halbwegs auf sich hielt, dampfte hingegen ab in Richtung Realschule oder gleich Gymnasium. Unsere Schule erhielt im Gegensatz die wirklich allerproblematischsten Problemfälle der ganzen Umgebung.
Und so sah auch der Alltag aus. Ich war nämlich von Anfang an bestrebt, aus dem Leistungstal wieder herauszukommen. Aber da hatte ich nicht mit den lieben Mitschülern gerechnet. Als Streber hattest du da ohne Übertreibung den gleichen sozialen Status wie ein Kinderficker in Sing-Sing. Im Schnitt alle paar Wochen wurdest du da auf dem Schulhof mal zur Seite genommen und bekamst eine Wellness-Spezial-Behandlung verpasst. Ergebnis: vier ausgeschlagene Zähne. Die österreichischen Zahnärzte verdienen bis heute gut daran.
Wollte ich nur mal so nebenbei loswerden als kleinen Praxisbericht zur allgemein beliebten Femi-Meinung Die-faulen-dummen-Jungs-sind-an-allem-selber-schuld.
Gruß, Kurti