Kindermorde
An jenem Morgen, so schildert es die Angeklagte heute, habe sie sich mit ihrem Freund, dem Vater des Kindes, heftig gestritten. Er verließ das Haus, sie blieb allein mit dem Säugling. Sie klinkte sich am Computer ins Internet ein, chattete mit Bekannten. Das Baby erwachte, begann zu schreien - vermutlich aus Hunger. Der Anklageschrift zufolge nahm die Mutter das Kind ruckartig aus dem Bettchen, zerrte es auf dem Wickeltisch grob hin und her und warf es mit Wucht auf die Unterlage, wobei der Säugling mit dem Kopf gegen die hölzerne Umrandung des Wickeltischs prallte. Danach soll sie das Baby beim Ausziehen so kräftig am Strampelanzug gezogen haben, dass das Kind vom Tisch zu Boden fiel.
Das Baby erlitt Schädelbrüche und Hirnverletzungen und hörte wenig später auf zu atmen. In der Klinik konnte es zwar wiederbelebt werden, erwachte aber nicht mehr aus dem Koma.
Auf Fragen erklärte die 22-Jährige vor Gericht, sie habe das Kind nicht mit Absicht zu Boden geworfen. In dem Moment habe sie "nicht darauf geachtet, was ich tue". Wegen eines "Blackout" habe sie völlig die Kontrolle über sich verloren. Das geschah aber offensichtlich nicht das erste Mal. Laut Staatsanwalt hat die Frau den schreienden Sohn wenige Tage vorher derart geschüttelt, dass er Hirnblutungen erlitt. Und in einem dritten Fall schlug sie den Säugling mit der flachen Hand gegen den Kopf.
Auch mit ihrem ersten Kind, das sie mit 17 zur Welt gebracht hatte, war die offenbar überforderte Mutter unsanft umgegangen. Das Jugendamt schritt ein und gab das Kind in eine Pflegefamilie. "Ich konnte mit dem Kind nichts anfangen", sagte sie selbst. Dennoch wurde sie mit Absicht bald wieder schwanger, weil sie ihrer Umwelt beweisen wollte, dass sie es schaffe, ein Kind aufzuziehen. Doch habe sie "verzweifelt auf die Muttergefühle gewartet".
Das Frühchen, in der 30. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt auf die Welt geholt, wurde in ein sonderbares Umfeld hineingeboren. Die Mutter hatte sich mit einem Zoo umgeben: Ein Kampfhund, eine Katze, Ratten, vier Schlangen, zwei Spinnen und ein Skorpion. Einmal riss der Hund auf der Straße den Kinderwagen um, das Baby fiel auf den Boden. Der psychiatrische Sachverständige Peter Winckler fragte die Angeklagte: "Warum holten Sie sich einen schwierigen Hund ins Haus, als sie wieder schwanger wurden?"
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Unmenschlichkeit - eine bemerkenswerte charakteristische Eigenschaft des Menschen.
(Ambrose Gwinnet Bierce)