Warum der Feminismus die Position der Frauen geschwächt hat
Vor dreißig Jahren erschien - vielfach belächelt - die erste Ausgabe von "Emma", dem Zentralorgan des deutschen Feminismus. Untrennbar mit der Zeitschrift verbunden ist der Name ihrer Herausgeberin, Alice Schwarzer. Ein bekennender Nicht-Feminist hat sich mit ihr getroffen.
Von Roger Köppel
Wir trafen uns in Alice Schwarzers Wehrturm am Kölner Rheinufer. Das Gebäude überragt das Umland im Stil eines gigantischen Phallus-Symbols, mit dem die "Emma"-Herausgeberin offensichtlich das thematische Terrain absteckte. Die "Weltwoche"-Gesandtschaft wollte die Großfeministin in einem definitiven Interview endgültig widerlegen. Der Feminismus sollte als Irrlehre entlarvt, die Frauenbewegung als ideologisch übersteuerte Sekte zerzaust werden.
"Die Weltwoche" hatte sich im Vorfeld des Gesprächs aus Sicht der "Emma"-Redaktion die Ungeheuerlichkeit erlaubt, eine jüngere Journalistin darüber schreiben zu lassen, warum Schwarzer eigentlich überhaupt keine Rolle mehr spiele. Postwendend replizierte die unsanft Angegriffene und hielt der Kollegin vor, aus einer Art Wohlstandsverwahrlosung heraus die Grundlagen zu verkennen, die es ihr erst ermöglicht hätten, so einen Artikel zu schreiben. Die feministischen Befreiungskämpfe der Siebziger seien die Bedingung der Möglichkeit antifeministischer Attacken. Die Kollegin habe mit anderen Worten die Entwicklung nicht begriffen, deren Resultat sie sei.
Auf diesem hochdialektischen Anspruchsniveau sollte nun Alice Schwarzer ausgetänzelt und vom Widersinn ihrer Behauptungen überzeugt werden. Noch nie ging es den Frauen in westlichen Ländern so gut wie heute. Der Unterdrückungszusammenhang der Familie ist gesprengt, der Mann in die Rolle des braven, anspruchslosen Ernährers zurückgescheucht worden. Die Frau gehört heute zu den größten Netto-Profiteuren des Sozialstaats, und es gibt keinen Chef mehr, der nicht einen Großteil seiner Arbeitszeit darüber nachdenkt, wie er möglichst viele Frauen in Kaderpositionen hebeln kann, um sich vor dem Vorwurf in Sicherheit zu bringen, er habe ein Problem mit ihnen.
Nein, der Feminismus war in seinem Bemühen, die Geschlechterunterschiede zu verdrängen, derart erfolgreich, dass es selbst den Feministinnen zu viel wurde. Das Projekt lief im Grunde auf die totale Entmännlichung des Manns hinaus, auf die Zähmung des unrasierten, vor Testosteron dampfenden Alphatiers zu einem in Birkenstocksandalen und Latzhosen herumwatschelnden Hausangestellten, der seiner Frau auch noch lächelnd das Theater vorspielen musste, er fühle sich wirklich wohl dabei, eine vielversprechende Karriere als Anwalt zu ruinieren, um stattdessen, sexuell wie intellektuell völlig unattraktiv, auf die schreienden Kinder aufzupassen.
Seien wir ehrlich: Spätestens Mitte der 90er-Jahre wünschten sich auch einstige Hardcore-Feministinnen jenen Männertyp zurück, den sie jahrzehntelang bekämpften. Die Krux, und das sollte Alice Schwarzer ein- für allemal verdeutlicht werden, liegt eben darin, dass es Geschlechterunterschiede gibt. Dass man Frauen nicht in Männer und Männer nicht in Frauen verwandeln sollte.
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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein