Das vergiftete Geschenk an die Piraten (Allgemein)
Die Netzaktivistin und Neu-Piratin Anke Domscheit-Berg erklärt ihren Wechsel von den Grünen, warum sie das Chaos der Piraten begrüßt und wie sie die Partei zum Feminismus bekehren will.
Welt Online: Die Piraten wollen "postgender", also geschlechtsneutral sein. Sie bezeichnen sich als Feministin. Werden Sie umschwenken?
Domscheit-Berg: Ich bleibe Feministin. Davon abgesehen gibt es viele feministische Piraten, Männer und Frauen. Solche, die sich heute noch als postgender bezeichnen würden, sehe ich in der Minderheit. Die Piraten haben sich hier sehr weit entwickelt in den letzten 12 Monaten aber natürlich gehts immer noch besser.
Welt Online: Der Piraten-Bundesvorsitzende Bernd Schlömer lehnte zuletzt eine Frauenquote für die Wirtschaft ab. Sie befürworten eine solche bisher. Wie können Sie die anderen Piraten überzeugen?
Domscheit-Berg: Das geht sicher nicht mit drei Sätzen und wird bestimmt nicht einfach. Andererseits habe ich ein gewisses Training darin, Gegner von der Frauenquote zu überzeugen. Ich argumentiere vor allem mit Fakten und versuche, aufzuklären.
Zum Beispiel über die Effekte der Sozialisierung in unserer Gesellschaft und wie sie dazu beiträgt, eine Stereotypisierung der Geschlechter zu prägen, die letztlich dazu führt, dass Frauen häufig anders kommunizieren, weniger Risiken eingehen und sich seltener in den Vordergrund stellen und/oder sich für Führungspositionen geeignet halten - obwohl sie es sind.
Aber auch dazu, wie die Stereotypisierung in der Gesellschaft dazu führt, dass das gleiche Verhalten bei Männern und Frauen häufig anders bewertet wird - zum Nachteil der Frauen. Was man bei Männern für führungsstark hält, wird Frauen schnell als Aggressivität ausgelegt. Umgekehrt gilt das gleiche. Wenn sich Männer nicht entsprechend typisch männlich konnotierter Führungsstile verhalten, gelten sie als Weichei.
So schaden Rollenzuschreibungen Männern und Frauen gleichermaßen. Es ist wichtig zu verstehen, wie wirkungsstark solche subtilen Effekte in der Gesellschaft sind und dass man sie nicht ignorieren kann, wenn man sie verändern will. Gerade in den Spitzen der Wirtschaft sind die "gläsernen Decken" sehr stark.
Es geht offensichtlich nicht nach Leistung, wenn bei den Top 200 Unternehmen unseres Landes 97 Prozent der Vorstandsposten nur mit Männern besetzt sind. Piraten sind aber gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Daher glaube ich, dass sie solchen Argumenten gegenüber offen sein werden.