Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Kindsmord 1951 - Vernehmung der Täterin zur Nachtzeit (Recht)

Yussuf K @, Ankara, Tuesday, 15.05.2012, 12:22 (vor 4580 Tagen)

StPO § 136a

1. Strafsenat, Urteil vom 30. Oktober 1951 [ 30.10.1951 ] g. M.

1 StR 393/51

I. Schwurgericht Ellwangen

Ob die Vernehmung eines Beschuldigten zur Nachtzeit zulässig oder nach § 136a StPO verboten ist, hängt von den Umständen ab. Aus der Vernehmung zur Nachtzeit allein kann weder entnommen werden, daß der Vernehmende den Beschuldigten ermüden wollte, noch daß dieser so ermüdet war, daß die Freiheit seiner Willensbetätigung und Willensentschließung beeinträchtigt wurde.

Aus den Gründen:

Als Verfahrensrüge hat die Revision folgendes geltend gemacht:

Die Überzeugung des Schwurgerichts von der Schuld der Angeklagten (die wegen Kindestötung verurteilt ist) stütze sich hauptsächlich auf das Geständnis, das sie bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 24. September 1950 abgelegt habe. Bei dieser Vernehmung sei jedoch die Freiheit ihrer Willensentschließung und Willensbetätigung durch Ermüdung beeinträchtigt worden. Die Angeklagte sei am 22. September 1950 polizeilich festgenommen und bis in die Abendstunden vernommen worden. Im Laufe des folgenden Tages sei sie ebenfalls wiederholt verhört worden und habe noch in den Abendstunden der Ausgrabung der Kindesleiche beigewohnt. Im Laufe der Nacht zum 24. September sei sie geweckt und von 2 bis 4 Uhr erneut vernommen worden. Während dieser Vernehmung habe sie dann ein Geständnis abgelegt.

Dieses Vorbringen vermag nicht die Verletzung des § 136a StPO zu begründen.

Das Schwurgericht hat in der Hauptverhandlung und bei der Würdigung des früheren Geständnisses in den Urteilsgründen eingehend erörtert, zu welchen Zeiten und in welcher Weise die Angeklagte während des polizeilichen Ermittlungsverfahrens vernommen wurde und welche Angaben sie dabei machte. Sie leugnete zunächst jede Schuld und behauptete, im letzten Jahr weder schwanger gewesen zu sein noch überhaupt Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Erst als weitere Ermittlungen die Unrichtigkeit dieser Angaben ergeben hatten und ihr dieses Ergebnis vorgehalten wurde, gab sie die Tatsache der Schwangerschaft zu, behauptete jedoch, nur einen Fruchtabgang gehabt zu haben. Nachdem die Kindesleiche am Abend des 23. September 1950 gefunden und ausgegraben worden war, gab sie zwar die Geburt eines Kindes zu, behauptete jedoch, es sei schon bei der Geburt tot gewesen. Erst im Laufe der Nacht zum 24. September wurde der Polizei das vorläufige die Ergebnisse der Leichenöffnung verwertende ärztliche Gutachten bekannt. Der Sachverständige hielt danach für sehr wahrscheinlich, daß das Kind gelebt habe. Diesen Umstand nahm die Polizei zum Anlaß, die im Polizeigewahrsam schlafende Angeklagte gegen 2 Uhr nachts zu wecken und ihr dieses neueste Ermittlungsergebnis vorzuhalten. Bei dieser Vernehmung, die etwa 2 Stunden dauerte, gab die Angeklagte nach Vorhalt des Ermittlungsergebnisses zu, daß sie nach der Geburt gemerkt habe, wie das Kind zucke und also Leben in ihm sei. Die Urteilsgründe bezeichnen zwar die Stunde der polizeilichen Vernehmung mit Recht als außergewöhnlich, sie geben aber auch die Bekundungen des als Zeugen vernommenen Kommissars wieder, der eidlich erklärte, die Angeklagte habe bei der Vernehmung einen frischen und keinesfalls ermüdeten Eindruck gemacht, so daß er keine Bedenken getragen habe, die Vernehmung zu dieser Stunde durchzuführen. Diesen Bekundungen ist das Schwurgericht gefolgt. Es hat ferner noch erwogen, daß die Angeklagte nach ausreichender Ruhe am Mittag des 24. September ihr Geständnis vor dem Ermittlungsrichter wiederholte und am 25. September, als sie aus der Haft entlassen wurde, dem Ermittlungsrichter nochmals aus freien Stücken erklärte, weshalb sie >es getan« habe. Selbst wenn man noch unterstellen wolle, daß sie bei ihrer ersten richterlichen Vernehmung befangen gewesen sei, entfalle doch jede solche Möglichkeit bei ihren anläßlich der Entlassung aus der Haft abgegebenen Erklärungen.

Diese Umstände lassen zweifelsfrei erkennen, daß die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung bei der Vernehmung der Angeklagten nicht in unzulässiger Weise durch Ermüdung beeinträchtigt wurde. Jede neue Vernehmung wurde dadurch veranlaßt, daß die polizeilichen Ermittlungen inzwischen zu neuen Ergebnissen geführt hatten, die in Widerspruch zu den bisherigen Angaben der Angeklagten standen. Daß die mit der Ermittlung betrauten Polizeibeamten der Angeklagten jeweils die neu ermittelten Tatsachen vorhielten, um sie dadurch zu einer Ergänzung oder Berichtigung ihrer bisherigen Angaben zu veranlassen, ist nicht zu beanstanden. Nächtliche Vernehmungen können zwar je nach den näheren Umständen den Schluß rechtfertigen, daß sie den Beschuldigten ermüden und dadurch die Freiheit seiner Willensentschließung in unzulässiger Weise beeinträchtigen sollten. Je deutlicher eine solche Absicht erkennbar ist, um so eher wird die Annahme begründet sein, daß die Absicht auch verwirklicht und die Freiheit der Willensentschließung des Beschuldigten beeinträchtigt worden ist. Das Schwurgericht hat hier eine solche Absicht ohne Rechtsirrtum verneint, weil sich die nächtliche Vernehmung aus der Notwendigkeit ergab, den Verdacht eines Tötungsverbrechens mit jeder nur möglichen Beschleunigung aufzuklären. Dieses unabweisbare Gebot kann je nach den Umständen des Falles auch Einfluß darauf haben, in welcher Weise die Strafverfolgungsbehörden nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen der ausdrücklichen Vorschrift des § 136 Abs. 2 StPO genügen sollen und dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben haben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen. Es fehlt an jedem Anzeichen dafür, daß die mehrfachen Vernehmungen einen anderen Zweck verfolgten, als der Angeklagten diese Gelegenheit zu geben und die Ermittlungen schnell, aber sachgemäß weiterzuführen.

Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung könnte zwar auch dann beeinträchtigt sein, wenn der Zustand der Ermüdung durch die vernehmenden Polizeibeamten nicht absichtlich herbeigeführt worden wäre, sondern nur tatsächlich bestanden hätte und wenn die Vernehmung fortgesetzt worden wäre, obwohl eine Beeinträchtigung der Willensfreiheit durch die bestehende Ermüdung zu besorgen war. Ob ein solcher Zustand der Ermüdung bestand, ist Tatfrage. Das Schwurgericht hat sie geprüft und, gestützt auf die eidlichen und für das Gericht glaubwürdigen Bekundungen des Leiters der Vernehmung, verneint. Das ist rechtlich um so weniger zu beanstanden, als die Verteidigung mit der Behauptung, daß die Willensfreiheit der Angeklagten durch Ermüdung beeinträchtigt worden sei, zum erstenmal in der Revisionsbegründung ausdrücklich hervorgetreten ist. Weder in den sieben Monaten zwischen der Entlassung der Angeklagten aus der Untersuchungshaft und der Hauptverhandlung noch in der Hauptverhandlung selbst ist ein Verstoß gegen § 136a StPO behauptet worden. Er ist auch von den Beteiligten bis dahin anscheinend gar nicht empfunden worden. Sonst wäre es nicht zu erklären, weshalb die Angeklagte und ihr Verteidiger in der Hauptverhandlung auf die Vernehmung zweier als Zeugen geladener und erschienener Polizeibeamten verzichteten, die ebenfalls bei der nächtlichen Vernehmung anwesend waren. Hinzu kommt schließlich, daß das Schwurgericht zwar die Art, wie es zum Geständnis der Angeklagten in der Nacht zum 24. September kam, eingehend prüft, daß es aber seine Überzeugung von der Schuld der Angeklagten ersichtlich in erster Linie nicht auf dieses Geständnis vor der Polizei, sondern darauf stützt, daß die Angeklagte bei ihrer Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter und bei ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft das Geständnis wiederholte.

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