Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Gideon Böss: Gott und das Landgericht Köln (Gewalt)

Oliver, Saturday, 28.07.2012, 04:45 (vor 4292 Tagen) @ Holger


Gott und das Landgericht Köln

Vor ein paar Tagen hat eine jubelnde Taliban-Horde in Kabul eine Frau ermordet. Im Namen Gottes und mit dem besten Gewissen. Wahrscheinlich war das einer der schönsten Tage im Leben dieser Fanatiker. Vor ein paar Monaten wurden mehrere jüdische Schüler in Frankreich ermordet. Auch im Namen Gottes. Und jetzt hat ein Kölner Gericht religiös begründete Beschneidungen an kleinen Jungs verboten. Nicht im Namen Gottes.

Daraufhin brach eine wütende Debatte los. Darf man es den Eltern verbieten, am Körper ihrer Kinder rumzuschneiden? Und obwohl beide Seiten nicht mit unpassenden Vergleichen sparten, errang die „Vorhaut ab“-Fraktion in dieser Disziplin eindeutig den Sieg. Dieses Urteil sei das Werk „säkularer Taliban“ (was Taliban sonst so machen, wenn sie nicht gerade in einer liberalen Demokratie als Richter arbeiten, habe ich oben beschrieben), hieß es zum Beispiel oder dass dieses Urteil schlimmer ist als der Mord an Juden. Für die Konferenz Europäischer Rabbiner ist dieses Urteil gar die größte Bedrohung jüdischen Lebens seit dem Holocaust. Noch größere also als der Antisemitismus, der in Europa längst wieder zu Mord und Vertreibung an Juden führt.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der man zum sozialen Außenseiter wird, wenn man erwähnen würde, seinen Sohn hin und wieder mit einer Ohrfeige zu züchtigen. Gewalt gegen Kinder ist mittlerweile ein Tabu. Ist es da wirklich so unvorstellbar, weswegen eine Debatte um die Frage geführt wird, ob man mit scharfen Messern das Geschlechtsorgan von kleinen Kindern bearbeiten muss? Eigentlich ist es eher erstaunlich dass es trotz des Siegeszugs der antiautoritären Erziehung so lange dauerte, bis das Thema aktuell wurde.

Die Argumente der Religiösen überzeugen in dieser Debatte bislang nicht so wirklich. Da wird versucht, die Gegenseite als hysterisch abzutun, weil es doch nur um ein “kleines Stück Haut“ geht. Wenn es so unbedeutend ist, könnte man auf diesen Brauch aber auch einfach verzichten (statt zu behaupten, dass damit die ganze Religion steht und fällt). Alternativ werden hygienische und medizinische Argumente vorgebracht. Da Gott aber nicht sprach: „Und beschneiden sollt ihr die Jungs am achten Tag, denn das reduziert später beim Geschlechtsverkehr bei Frauen das Risiko für Gebärmutterhalskrebs“, fällt das als religiöse Begründung auch weg. Es scheint so, als bleibe als wichtigstes Argument nur übrig: Das haben wir schon immer so gemacht! Und das ist eigentlich kein Argument, sondern nur eine Feststellung.

Es spricht auch nicht für die religiöse Seite, dem „Gegner“ ausschließlich die schlimmsten Motive zu unterstellen. Da hält man sich gar nicht lange mit der Frage auf, ob es der Mehrheit unter Umständen wirklich um so etwas banales wie Kinderschutz oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit gehen könnte. Nein, es muss gleich eine atheistische Verschwörung sein und eine geistige Nähe zu den Nazis und den Taliban besteht sowieso. Was etwas unfair ist, denn man kann den Taliban ja viel nachsagen, aber gegen die Beschneidung haben sie noch nie gewettert.

Am Rande erwähnt: Vielleicht wäre es jetzt der richtige Zeitpunkt dafür, dass Gott mit einer Basta-Rede im schröderschen Sinne die Debatte beendet. Es wäre zumindest nett von ihm, wenn er sich in dieser Sache, die ihm angeblich alternativlos wichtig ist, auch mal zu Wort meldet. Vielleicht nächste Woche bei hart aber fair?

http://boess.welt.de/2012/07/15/gott-und-das-landgericht-koln/

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Liebe Grüße
Oliver


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