Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Ein Kindesentfremdungsfall (Familie)

Kurti, Wednesday, 26.09.2012, 18:53 (vor 4201 Tagen)

Ich habe dieser Tage den nachfolgenden Text von einem Informanten im Internet zugesandt bekommen. Ich stelle ihn mal hier rein:

Als Nathalie Friedrich (Namen der Betroffenen geändert) im Mai 14 Jahre alt wurde, lud sie nicht wie andere Jugendliche ihre Freunde zu einer Geburtstagsfeier ein. Stattdessen ging das zierliche Mädchen aus Niederösterreich in das Bezirksgericht Favoriten (Wien) und gab einen Antrag ab. Sie möchte das Sorgerecht für sie von ihrer Mutter auf ihren Vater übertragen wissen, stand darin. Seit der Trennung ihrer Eltern vor fünf Jahren hat sie darauf gewartet. Fünf Jahre Gerichtsverfahren, in denen sie Psychologen, Gutachtern und Richtern immer wieder sagte, dass sie bei ihrem Vater leben wolle. Fünf Jahre, in denen ihrem Wunsch nicht nachgekommen wurde. Doch jetzt, da sie 14 Jahre alt ist, sind die Gerichte verpflichtet, sie als Partei anzuhören. „Es war ein Triumph. Endlich habe ich mich wie ein Mensch gefühlt. Ich habe jahrelang als Stück Papier gelebt“, sagt Nathalie und lacht.
Viel zu lachen hatte sie in den vergangenen Jahren freilich nicht. Ihre Eltern trennten sich, als sie selbst neun und ihre kleine Schwester Mira ein Jahr alt waren. „Ich habe schon der ersten Gutachterin gesagt, dass ich beim Papa leben will“, erzählt sie. Ihr Vater Christian Friedrich, 50, war nach Nathalies Geburt in Karenz gegangen, die beiden haben eine innige Bindung. Nathalie besuchte ihren Vater regelmäßig, wohnte aber bei ihrer Mutter. Die dann den Kontakt abbrach. „Ich durfte den Papa nicht sehen, nicht mit ihm telefonieren oder Fotos von ihm aufhängen“, erzählt die 14-jährige. „Aber meine Mutter hat mir das Gefühl gegeben, dass wir eine Last für sie sind. Sie hat oft tagelang nicht mit uns gesprochen.“ So schlecht ging es dem Mädchen, dass sie mit nur elf Jahren ihrem Leben ein Ende setzen wollte. „Ich habe die Streitereien nicht mehr ausgehalten. Es hat mir die Brust zugeschnürt, ich konnte nicht mehr richtig atmen und nicht mehr klar denken. Ich wollte einfach, dass alles vorbei ist“, sagt Nathalie mit gesenktem Blick. Doch die Sorge um ihre kleine Schwester ließ sie durchhalten. „Mein Papa kann auf sich selbst aufpassen. Mira nicht.“
Sogar nach dem Selbstmordversuch des Kindes musste die Anhörung erst erkämpft werden, bis im Jahr 2009 vereinbart wurde, dass Nathalie abwechselnd eine Woche bei ihrem Vater und eine bei ihrer Mutter leben sollte. Mira konnte ihren Papa noch immer nicht treffen. Doch im Juni 2011 hatte Nathalie genug. Sie riss aus und zog zu ihrem Vater. Seit damals darf sie ihre sechsjährige Schwester nicht mehr besuchen. Es sei denn, sie kommt zur Mutter zurück. „Vor Weihnachten habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich habe Mira so vermisst, dass ich zur ihr in den Kindergarten gegangen bin. Als sie mich gesehen hat, ist zu mir gelaufen und hat mich umarmt. Sie hat geweint und gefragt, wo ich war, und gesagt, ich solle sie mitnehmen.“
Als Nathalie ein zweites Mal in den Kindergarten ging, bekam sie Hausverbot. „Ich habe Angst, dass mich Mira irgendwann nicht mehr kennt“, sagt sie leise. In ihrem Antrag suchte sie daher auch um ein Besuchsrecht zu ihrer Schwester an. Von den Behörden fühlt sie sich im Stich gelassen. „Wenn ich meinen freien Willen geäußert und gesagt habe, dass ich beim Papa leben will, hat es geheißen, er hätte mich beeinflusst.“ Jetzt hofft sie, dass ihrem Antrag so rasch wie möglich Folge geleistet wird.
Die 14-jährige ist kein Einzelfall. Von den 1,2 Millionen Kindern unter 15 Jahren lebten im Vorjahr rund 144.600 bei einem Elternteil, davon 135.300 bei ihrer Mutter, nur 9.300 bei ihrem Vater. „Es kommt leider zu oft vor, dass die berechtigten Wünsche der Kinder von Richtern und Sachverständigen übergangen werden und das Kindeswohl hinter dem Mütterwohl verschwindet“, sagt Mag. Michaela Krankl. Die Anwältin hat sich dem Kampf um Kinderrechte verschrieben und unterstützt Nathalie Friedrich. „Ich kenne einige Fälle, in denen die Kinder nur darauf warten, dass sie 14 Jahre alt werden und einen Antrag stellen dürfen, wo sie wohnen dürfen.“
Dass jener Elternteil, der das Sorgerecht hat, dem Ex-Partner die Kinder vorenthalten kann, ohne bestraft zu werden, ärgert die Juristin. „Bewusst betriebene Entfremdung ist ein Eingriff in die seelische Gesundheit von Kindern. Aber selbst die Entfremdung zweier Schwestern kümmert hierzulande niemanden, was einem Rechtsstaat unwürdig ist“, empört sie sich. „Auch der Streit um Väterrechte oder Mütterrechte ist eine Themenverfehlung. Es geht um die Rechte der Kinder. Und die brauchen beide Eltern.“
Das sieht auch Dr. Judith Barth-Richtarz so. Die Erziehungsberaterin hat für ihr Buch „Gemeinsame Elternschaft nach der Scheidung“ mit mehr als 30 Scheidungskindern gesprochen. „Eltern müssen ihren eigenen Trennungsschmerz zurückstellen und den Kindern eine Beziehung zum Ex-Partner zugestehen. Auch wenn ich wütend bin, muss ich meinem Kind sagen, dass es gut ist, wenn es den Papa lieb hat.“ Sonst drohen Folgen für spätere Beziehungen. „Scheidungskinder laufen bei Konflikten schneller davon, weil sie denken, sie wollen lieber den anderen verlassen, bevor sie wieder selbst verlassen werden.“
Auch Nathalie Friedrich wünscht sich sehnlich eine normale Beziehung zu ihrer Mutter. „Wenn alles so wäre, wie ich möchte, würden meine Schwester und ich beim Papa leben. Aber wir können die Mama jederzeit sehen, wann immer wir wollen.“

Starker Tobak …

Gruß, Kurti


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