Nachlese zur Fußball-EM (Männer)
Schon etwas länger in meiner Schachtel mit den unerledigten Sachen lag dieser Kommentar aus einer österreichischen Wochenzeitung namens „Die ganze Woche“. Er stammt noch aus den Wochen des großen Fußballereignisses dieses Jahr:
Die Männer, der Ball, die Emotionen
Gut, auch Frauen sind heuer (Anm.: Kurti: Österreichisch für momentan) Fußball-Anhänger. Sie malen sich die Gesichter bunt, singen heisere Gesänge und flippen aus, wenn Tore fallen, nicht etwa, weil sich einer der Kicker das Trikot vom Leibe reißt. Aber Männer und Fußball, das ist eine ganz andere Geschichte. Nie sehen wir sie so losgelassen wie dann, wenn die Jagd auf den großen Titel beginnt. Nichts erhitzt sie so ausdauernd wie Fußballfieber. Blanke Nerven, Seele pur, nie zeigen Männer so unverhüllt ihre Gefühle wie angesichts ihrer Lieblingsstürmer. Hör nur, wie sie schreien oder stöhnen, sowie das Gerenne im Stadion beginnt. Und wie ungebremst sie vorher und nachher debattieren und ihre Zungen lösen, wo sie doch in alltäglichen Zeiten kaum die Lippen auseinander bringen.
Nun ja, sie ereifern sich auch in politischen Diskussionen, sie überschreien einander in Diskussionssendungen. Sie eröffnen auch das große Kämpferherz, wenn ihnen einer die Vorfahrt nimmt oder andere Schwachheiten verübt. In der Küche werden sie manchmal zu äußerst sensiblen Helden. Auch wenn sie eifersüchtig sind, können sie hoch-emotional werden.
Ist ja immer wieder überraschend, wie berauscht sie sich zeigen können. Und das in aller Öffentlichkeit, ohne Hemmungen. Und ohne Katerstimmung danach. Wie würden wir es, als ihre Eheliebsten, Mütter, ihre Geliebten und Seelenverwandten, wohl schaffen, ihnen auch andernorts jegliche Gefühls-Scheu zu nehmen? Sieh nur, wie sie Arme hochreißen, wie sich auch die Helden auf dem Rasen in den Armen liegen, einander überstürzend, voller Jubel, oder ist das doch eine Art Jagd- oder Kriegslärm?
Es ist ja nicht so, dass Menschen in ihrer Seinsform als Anhänger jederzeit zurechnungsfähig wären. Aber zu sehen, wie Männer vor Glück japsen, nur weil einer von ihnen da unten in der Arena ins Tor traf, ist durchaus berührend. Und wie sie sich, wenn denn doch alles anders verlief als erhofft, an ihre Bierflaschen klammern, das sollten Frauen nie vergessen. Jenseits aller vagen Sprüche („Der B all ist rund“, „Ein Spiel ist nur ein Spiel“, „Zum Elfmeter braucht’s auch Glück“) ist während jeder Europa- und Weltmeisterschaft zu entdecken. Männerseelen sind tiefer, als sie selbst wahrhaben wollen.
Gruß, Kurti
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