Sehr gehrte Frau Ministerin von der Leyen,
mit Freude stelle ich fest, dass ihr Haus die Kritik zahlreicher Männerrechtler am einseitigen girls-day aufnimmt und sich bei der Suche nach "neuen Wegen für Jungs" behilflich zeigt. Die Idee zur Website "Respekt Jungs" finde ich großartig, auch Jungen und jungen Männern Respekt zu zollen, ist längst überfällig. Das genannte Portal richtet sich - wenn ich es recht verstehe - an die Altersgruppe bis 24 Jahre. Also auch an junge Männer, die ihren Wehr - bzw. Wehrersatzdienst bereits ableisten mussten. Freilich handelt es sich um Zwangsdienst, aber Respekt verdient er dennoch, meine ich. Bislang habe ich allerdings auf der "Respekt"-Site dazu noch nichts gefunden. Vielleicht habe ich es ja überlesen, oder das Portal ist noch im Aufbau. Aber ein Lob für die Dienenden gehört dort hin; oder irre ich mich, verehrte Frau Ministerin? Ich meine ja nur , dass möglicherweise mitlesende Mädchen mal sehen, was Jungen alles tun, während girls bereits Zukunftswege beschreiten. Jedenfalls werde ich aufmerksam verfolgen, ob sich in dieser Sache etwas tut.
Bei aller Freude über ein Portal für Jungen, bleiben doch einige Fragen offen, die ich als Vater eines 19-jährigen zu gern beantwortet haben würde. Vielleicht können Sie mir dabei helfen.
Zunächst: Die Empfehlungen für Jungs , die auf die Berufsfelder Erzieher und Grundschullehrer abzielen, kann wohl nur jede und jeder begrüßen. Dort herrscht augenscheinlich großer Nachholbedarf, wenn wir gendergerechten Unterricht und Betreuung wünschen. Darf ich aus den Aktivitäten und Empfehlungen ihres Ministeriums schließen, dass in absehbarer Zeit eine Quotierung geplant ist, die für Jungen das wichtige Zeichen setzt, es sei der Bundesregierung ernst mit der Gleichstellung auf allen Berufsfeldern? Gibt es bereits Kontakte zum Bildungsministerium, was eine bevorzugte Einstellung von jungen Männern betrifft, bis ihr Anteil - sagen wir mal - 40% beträgt?
Bei aller Begeisterung für die "neuen Wege" gestatten Sie mir bitte folgende Fragen:
1. Zweifellos sind Männer auch in Pflegeberufen höchst wünschenswert. Was mich aber verwundert, ist, dass alle Vorschläge, die Ihre Mitarbeiter für Jungen bereithalten, schlecht bezahlt werden. Finden sich keine Berufe, die Männer jenseits des tradierten "Rollenverständnisses" ergreifen könnten und dennoch ordentliche Einkünfte sichern? Schließlich geht es ja auch um finanzielle Unabhängigkeit, die die Jungen, gleich den Mädchen, in zukünftige Partnerschaften einbringen wollen. Ich mache mir Gedanken, wie ich diese Auffälligkeit meinem Sohn erklären soll. Vielleicht können sie mir auf die Sprünge helfen?
Es ist doch wohl nicht etwa so, dass die Mädchen in gehobene Stellungen geschoben und zu guter Ausbildung ermuntert werden, während die Zukunft der Jungen vorrangig in schlecht bezahlten, nur wenig qualifizierten Berufen liegen soll? Ich male mir gelegentlich aus, wie eine Beziehung, womöglich eine Ehe, auf Augenhöhe funktionieren könnte, wenn der weibliche Teil die Karriereleiter mit vielerlei Hilfen erklimmt, während der männliche auf einem relativ flachen Niveau verharren soll. Ein Bundesministerium für Familie sollte sich da vielleicht auch Gedanken machen. Oder sind in ihren Augen Männer in Familien Variable, die nach ökonomischen Kriterien behandelt werden?
2. Apropos Familie. Wenn ich recht informiert bin, gelten die Bemühungen der Frauenbewegung und aller fortschrittlichen Kräfte der Beseitigung des würdelosen, abhängigen Hausfrauendaseins, schon wegen all der Einengungen, die es mit sich bringt. Erst im vergangenen Jahr konnte ich Zeuge werden, wie eine nicht unbekannte Nachrichtensprecherin heftige Kritik hinnehmen musste, weil sie das Hausfrauendasein als Lebensvariante in Erwägung zog. Nun frage ich mich ein wenig besorgt, ob die Empfehlung an die Jungen auf der neuen Website , sie mögen sich über den Job "Hausmann" Gedanken machen, in die Richtung zielt, Männern jenes Dasein schmackhaft zu machen? Zeitweilig oder auch als Full-Time-Job. Angenommen meine Vermutung träfe zu, wären Sie, verehrte Frau Ministerin, bereit, sich für gewisse Privilegien stark zu machen, von denen bislang Mütter und Hausfrauen profitierten? Beispielsweise in Sachen Aufenthaltsbestimmungs- und Sorgerecht für die Kinder? Verbunden mit üblichen Unterhaltsleistungen?
Ich könnte mir vorstellen, dass ein Gesetz, welches im Scheidungsfalle Männern bei gleicher Eignung die Sorge für die Kinder solange als Recht zugesteht, bis 50 % aller Väter das Sorgerecht ausüben, neues Denken beflügeln könnte.
Dies sind Fragen, die ich mit meinem Jungen und seinen Freunden gern und lang diskutiere. Aber in gewisser Weise sehen Sie mich ratlos. Ich bitte Sie also, mir bei der Lösung dieser Prombleme argumentativ behilflich zu sein. Und weil ich vermute, dass es nicht wenigen Männern ähnlich ergeht wie mir, erlaube ich mir, diesen Brief zu veröffentlichen. Selbstverständlich Ihre werte Antwort auch.
Mit freundlichen Grüßen!
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Extemplo simul pares esse coeperint, superiores erunt-
Den Augenblick, sowie sie anfangen, euch gleich zu sein, werden sie eure Herren sein.