Wenn Frauen Armut wittern
© DIE ZEIT 16.03.2006 Nr.12
Wenn Frauen Armut wittern
Sándor Márai spendet den Einkommensschwachen einen paradoxen Trost Von Dieter Borchmeyer
Nur in einem Punkt bleibt der Arme von der Poesie des Lebens ausgeschlossen: Vom Eros wird er verschmäht, denn die Frauen ? die eigentlich nie zu den Armen gehören ? bevorzugen immer den Reichen. Casanova hat gestanden, dass es ihm kein einziges Mal gelungen sei, eine Frau ohne Geschenke zu erobern. Es habe noch nie eine Frau an der Seite eines reichen Mannes gegeben, die sich heimlich das Glück an der Seite eines Armen erträumte, behauptet Márai. >Die Legende vom Glück im Winkel haben nicht die Frauen erfunden, sondern die armen Männer.« Nein, >die Frauen wittern beim Manne die Armut wie der Einsiedler die Sünde«. Von Márais Lob der Armut sind die Frauen ausgeschlossen, und sie werden deshalb ebenso wenig ins Himmelreich eingehen, wie ein Kamel durchs berühmte Nadelöhr gelangt. Für Feministinnen ist Márais Schule der Armen eine recht bittere Lektüre.
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Barbarus hic ergo sum, quia non intellegor ulli.