Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Geschlechterrollen einseitig aufgehoben

Robin Hood, Sunday, 16.07.2006, 22:52 (vor 6936 Tagen)

Die Behauptung, Geschlechterrollen spielten heute keine Rolle mehr, ist einzuschränken: In den letzten Jahrzehnten liegt eine einseitige Aufhebung der Geschlechterrollen vor: Die traditionelle Mädchenrolle ist deutlich abgeschwächt: Ein Mädchen, das in die traditionelle Jugendrolle strebt, sich etwa für Technik interessiert und gern Fußball findet, wird in den meisten Fällen Anschluss finden und von ihrer Altersgruppe - aber auch insgesamt - akzeptiert werden, wagt sie sich in technische Bereiche vor, so erntet sie oftmals noch Bewunderung und Anerkennung. Auch Frauen haben heute in früher den Männern vorbehaltenen Berufen gute Chancen, etwa als Lokführerin, Busfahrerin oder Ingenieurin. Andererseits ist die Jungenrolle viel weniger stark aufgelöst: Ein Junge, der in die traditionelle Mädchenrolle strebt; etwa gefühlvoll ist und gern mit Puppen oder Pferden spielt, wird es wesentlich schwerer haben, akzeptiert zu werden, insbesondere unter den Geschlechtsgenossen. Dass die Geschlechterrollen nur einseitig aufgelöst sind, sieht man schon an einer Äußerlichkeit: Während Mädchen, die ehemals Jungen vorbehaltenen Hosen tragen, selbstverständlich voll akzeptiert werden; würde der Junge mit Mädchenkleidern verspottet werden.

Die Auflösung der alten Frauenrolle hat im Laufe dieses Jahrhunderts dazu geführt, dass auch Mädchen Abitur machen und in die Arbeitswelt streben. Die freie Entfaltung der Mädchen und Frauen ist dadurch erst möglich geworden. Jungen sind heute in gewisser Weise die Benachteiligten, weil sie noch immer viel stärker an ihre Rolle gebunden sind. Woran liegt es wohl, dass heute etwa auf Hauptschulen deutlich mehr Jungen als Mädchen zu finden sind, dass auch bei denjenigen, die gar keinen Schulabschluss schaffen, die Jungen deutlich in der Überzahl sind? Liegt es nicht vielleicht daran, dass Mädchen von den für das Zurechtkommen in der Gesellschaft nützlichen Teilen der alten Mädchenrolle - wie Verantwortungsbewusstsein und Geduld - weiterhin profitieren, während die sie ausgrenzenden Teile der alten Mädchenrolle - der Zwang zu Haus und Herd - verschwunden sind? Jungen dagegen bleiben in ihrer alten Männlichkeitsrolle des ?starken, gefühllosen? Geschlechts gefangen und erlernen dadurch die sich aus dem gefühlvollen Umgang miteinander erschließenden Kompetenzen nicht - auch eine mögliche Ursache von Gewalt.

Robin Hood

Ja, viele Frauen sind nur noch Möchtegern-Männer (nT)

Swen, Monday, 17.07.2006, 14:13 (vor 6935 Tagen) @ Robin Hood

Die Behauptung, Geschlechterrollen spielten heute keine Rolle mehr, ist
einzuschränken: In den letzten Jahrzehnten liegt eine einseitige Aufhebung
der Geschlechterrollen vor: Die traditionelle Mädchenrolle ist deutlich
abgeschwächt: Ein Mädchen, das in die traditionelle Jugendrolle strebt,
sich etwa für Technik interessiert und gern Fußball findet, wird in den
meisten Fällen Anschluss finden und von ihrer Altersgruppe - aber auch
insgesamt - akzeptiert werden, wagt sie sich in technische Bereiche vor,
so erntet sie oftmals noch Bewunderung und Anerkennung. Auch Frauen haben
heute in früher den Männern vorbehaltenen Berufen gute Chancen, etwa als
Lokführerin, Busfahrerin oder Ingenieurin.

Geschlechterrollen einseitig aufgehoben - Erklärungsversuch

Gismatis, Basel, Wednesday, 19.07.2006, 07:28 (vor 6933 Tagen) @ Robin Hood

Hallo Robin

Diese einseitige Rollenerweiterung für Mädchen ist mir bereits als kind aufgefallen. Als Junge, der so gar nicht der stereotypen Vorstellung von Jungenhaftigkeit entsprechen wollte. habe ich diesen Druck natürlich zu spüren bekommen. Auch stellte ich fest, dass solche Restriktionen bei Mädchen viel schwächer vorhanden waren.

Das heisst nicht, dass es egal war, wie Mädchen sich verhielten. Aber ein Mädchen dass sich jungentypisch verhielt, verlor einfach einen Teil seiner weiblichen Ausstrahlung, das war alles. Egal, was es tat, sein Geschlecht wurde kaum in Frage gestellt. Ein Junge, der sich mädchentypisch verhielt, verlor nicht nur seine Männlichkeit sondern er verlor auch seine Akzeptanz als Junge und sein Ansehen.

Ich habe mich lange mit dieser Asymmetrie auseinandergesetzt. Leider wird dies kaum thematisiert. Es fällt fast nur jenen auf, die darunter leiden. Früher dachte ich, das Problem liege an der einseitigen Emanzipation der Frau. Sobald sich Männer auch emanzipierten, würden auch für Jungen die Geschlechterschranken fallen. Inzwischen habe ich an dieser Annahme Zweifel. Heute erscheint mir die Wirkung folgender Mechanismen, die ich in den Büchern von Esther Vilar kennen gelernt habe, am plausibelsten:

Die Vorstellung, was weiblich und was männlich ist, hängt allein davon ab, wie Frauen sich verhalten. Dabei gilt der Grundsatz, dass weiblich ist, was Frauen tun, und männlich ist, was Frauen nicht tun. Was Männer tun oder lassen, hat demnach auf diese Festlegung keinen Einfluss. Nun ist es logisch, dass wer die Wahl hat, sich für das Attraktivere entscheidet. Bei Frauen (und wohl auch objektiv) heißt dies, dass sie sich auf die einfacheren, weniger anstrengenden und weniger gefährlichen Verhaltensweisen festlegen. Für die Männer bleiben die schwierigeren, anstrengenderen und gefährlicheren Verhaltensweisen übrig. Durch diesen Mechanismus, der festlegt, was als männlich und was als weiblich empfunden wird, ist es logisch, dass Übertretungen von Männern automatisch stärker wahrgenommen werden als Übertretungen von Frauen.

Da Männer insgesamt den unattraktiveren Part übernehmen, ist es auch wahrscheinlicher als bei Frauen, dass sie unzufrieden sind mit ihrer zugewiesenen Rolle und auf Frauen neidisch werden. Aber für das Überleben ist es eben unerlässlich, dass alle Dinge, auch die Unangenehmen und vor allem gefährlichen Dinge erledigt werden. Rollenverweigerung auf Seiten der Männer ist daher für die Gemeinschaft eine viel größere Gefahr als bei Frauen, weil diese ganz von selbst bei ihrer Rolle bleiben. Beim Mann muss eine ganze Reihe von Sanktionen und Belohnungen zum Tragen kommen, damit er bei seiner Rolle bleibt. Die Sanktionen reichen von Belustigung (wenn einer Frauenkleider anzieht) bis Strafe (wenn einer den Militärdienst verweigert). Die Belohnung besteht darin, männliche Tugenden zu idealisieren und sie als wertvoller als weibliche einzustufen. Ein Mann, der seine Rolle brav erfüllt, darf sich somit als richtiger Mann und als der Frau überlegen fühlen.

Nun mag man einwerfen, dass Frauen ja auch Einschränkungen auferlegt wurden und unter Sanktionen zu leiden hatten, wenn sie in Männerdomänen eindrangen. Ich interpretiere diese Maßnahmen als Schutzmaßnahmen für Männer. Es sollte ihnen nicht allzu schwer gemacht werden, die Männerrolle zu erfüllen. Zudem gab es immer auch Männer, deren Veranlagungen nicht auf typische Männersachen ausgerichtet war. Durch Reservierung großer Betätigungsfelder für Männer konnten alle Männer einigermaßen in akzeptablem männlichem Rollenverhalten untergebracht werden.

Das sind meiner Meinung nach auch die Gründe, weshalb es zuerst eine Frauenbewegung gegeben hat und keine Männerbewegung. Für Frauen war es selbstverständlich, eine neue Rolle auszuprobieren, während Männer quasi nur mit Erlaubnis der Frauen dasselbe tun können. Mit dem Eindringen immer mehr Frauen in männliche Bereiche, wurden diese immer kleiner und einseitiger, und somit gab es immer mehr Männer, die nach dem alten System mit der männlichen Rolle überfordert waren und nun ihrerseits die Rollenverteilung in Frage stellten. Dazu kommt, dass die oben beschriebene Belohnung wegfiel, da nun das Verhalten von Frauen idealisiert wird. Die heutige Männerbewegung wäre demnach eine Folge der Frauenbewegung. Sie wäre wahrscheinlich nicht von selbst entstanden.

Gruß

Gismatis

--
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Geschlechterrollen einseitig aufgehoben - Erklärungsversuch

Odin, Wednesday, 19.07.2006, 14:59 (vor 6933 Tagen) @ Gismatis

Insgesamt sehr guter Text, für den ich Dir danken möchte

Die Vorstellung, was weiblich und was männlich ist, hängt allein davon ab,
wie Frauen sich verhalten. Dabei gilt der Grundsatz, dass weiblich ist, was
Frauen tun, und männlich ist, was Frauen nicht tun. Was
Männer tun oder lassen, hat demnach auf diese Festlegung keinen Einfluss.

Fachleute sprechen hier von einer Nicht-"nicht-Mann"-Identifikation. Das bedeutet, daß durch das Fehlen von Männern in der Kinderwelt, die Jungen gezwungen sind, sich zweimal negativ zu identifizieren: Sie stellen fest, daß sie ein anderes Geschlecht als die Nicht-Mann(Frau)-Figur haben, die sie vor sich sehen. Weil ihnen also positive Leitfiguren fehlen, denken sie oft, daß sie sich einfach anders Verhalten müssen, als ihr weibliches Vorbild. Das führt dazu, daß viele Verhaltensweisen als "weiblich" abgelehnt werden, die nichts mit weiblich zu tun haben: Gefühle zeigen, weinen, Probleme mit Verstand und mündlich lösen, kochen, Kinder erziehen, waschen, lernen.....

--
Odin statt Jesus!
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