Das Ende des Patriarchats?
Weiter unten hat DschinDschin einen Beitrag über das Patriarchat gepostet. Finde ihn im Moment nicht. Ich wollte dazu einen interessanten Beitrag posten, den ich erstmal ein paar Tage suchen mußte. Hier ist er:
Das Ende des Patriarchats?
Vaterschaftstests als Chance für einen neuen Geschlechtervertrag
PETER DÖGE
Es mag geradezu paradox klingen - aber die Möglichkeit, dass Männer mithilfe der genetischen Vaterschaftstests ihre Vaterschaft nun eindeutig bestimmen können, birgt insgesaint die Chance für einen weiteren Schub hin zu einer egalitären Ausgestaltung des Geschlechterverhältnisses. Als Folge unserer konfrontativen Geschlechterkultur und eines entsprechend gestalteten Geschlechterdialogs sind hier zu Lande diese positiven Aspekte bisher weitgehend unterbelichtet geblieben.
Während Frauen immer eindeutig wissen, dass sie die Mutter des gerade geborenen Kindes sind, wissen Männer keineswegs immer mit Sicherheit, dass sie der leibliche Vater dieses Kindes sind. Vaterschaft ist immer fragil. Nach Ansicht derAnthropologin Sara Blaffer HRDY bietet diese Situation für eine Frau die Möglichkeit, für sich und ihr Kind einen Zugang zu zusätzlichen Ressourcen zu verschaffen. Indem sie mit mehreren Männern Geschlechtsverkehr hat, kann sie sich nach der Geburt des Kindes entwederein Netzvon männlichen Versorgern aufbauenoderdenjenigen Mann als Vater angeben, der über die meisten Ressourcen verfügt - eben solche Strategien von Frauen sind z.B. bei Indianerstämmen im Amazonasgebiet beobachtet worden. Diese Machtposition von Frauen bildet wohl auch die unbewusste (?) Grundlage der entsprechenden Regelungen im bundesdeutschen Familienrecht hinsichtlich der Durchführung von Vaterschaftstests. Allerdings schneiden sich Frauen mit deren restriktiven Handhabung bisweilen ins eigene Fleisch, denn unsichere Vaterschaft reduziert - wie zahlreiche Untersuchungen zeigen - das zeitliche und finanzielle Engagement von Männern für Kinder. Am deutlichsten sichtbar und am besten dokumentiert ist dies bei Stiefvätern.
Als Ausweg aus dieser ungleichen Situation und um sich ihrer Vaterschaft, die immer mit dem Einsatz (knapper) Ressourcen verbunden ist, sicher zu sein, wählten Männer fast überall auf dem Globus einen ähnlichen Weg: sie trachteten danach, die Sexualität der Frauen unter ihre Kontrolle zu bringen. Dieses Handlungsmuster trat - wie die Historikerin Gerda LERNER in ihrer sehr instruktiven Untersuchung zur Entstehung des Patriarchats gezeigt hat - spätestens dann in Erscheinung, als Eigentum entstanden war und patrilinear vererbt wurde. Männliche Kontrolle weiblicher Sexualität hat dabei im Laufe derZeit sehrextremeundauch sehr gewaltsame Formen angenommen, die keineswegs entschuldigt werden dürfen: Einsperren von Frauen, Keuschheitsgürtel oder direkte Kontrolle ihrer Aktivitäten im öffentlichen Raum durch männliche Verwandte.
Im historischen Kontext der Auseinandersetzungen der Geschlechter um die jeweils konkrete Ausgestaltung des Geschlechterverhältnisses stellen genetische Vaterschaftstests wohl einen ebenso drastischen Einschnitt dar, wie die Möglichkeit der Geburtenplanung durch Kontrazeptiva: Vaterschaft braucht nicht mehr länger unsicher zu sein, Mutterschaft muss nicht mehr ungewollt sein. Die Gestaltungsspielräume des/der Einzelnen im Geschlechterverhältnis werden nochmals einen Schritt größer. Männer könnten zum ersten Mal in der Evolutionsgeschichte des homo sapiens erfahren, ob ein Kind wirklich ihr leibliches Kind ist. Dies dient zunächst dem Wohl des Kindes. Denn wie die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen zu häuslicher Gewalt nahe legen, sindvorallem Stiefväter und unsich ere Väter männl iche Ki ndsmörder. Stiefväter scheinen auch einen ruppigeren und aggressiveren Spielstil mit den Kindern - insbesondere den Jungen - zu pflegen als leibliche Väter. Sicheren Vätern stünde außerden herkömmlichen Rollenbildern, die noch immer vorherrschende Leistungs- und Karrieremuster prägen - nun nichts mehr im Wege, ihr zeitliches und materielles Engagement für Kinder weiter zu erhöhen.
Sichere Vaterschaft dient aber auch dem Wohl der Frauen, denn Männer mit extremem Kontrollbedürfnis und übersteigerter Eifersucht bilden den Kein derjenigen Männer, die ihre Frauen kontinuierlich misshandeln. Über ihren Beitrag zur direkten Prävention häuslicher Gewalt hinaus, könnte durch eine klare Bestimmung von Vaterschaft das Verhältnis zwischen Frauen und Männer insgesamt weiter entkrampft werden: wenn die Spielregeln im Miteinander der Geschlechter klar dahin gehend formuliert sind, dass Männer jederzeit einen Vaterschaftstest durchführen lassen können - was spricht denn dagegen, dass dieser auf Wunsch des Vaters gleich bei Geburt des Kindes stattfindet? Dann wüssten Frauen, dass sie Männern keine fremden Kinder von wem auch immer "unterschieben", dass sie sich ungerechfertigterweise also keine zusätzlichen Ressourcen aneignen können. Dies könnte nicht zuletzt auch zu einermassiven Konfliktreduzierung imTrennungsfall führen. Ein neuer Geschlechtervertrag ist also möglich - zum Wohle aller.
Literatur
HRDY, Sarah Blaffer [2002]: Mutter Natur. Die weibliche Seite der Evolution. Berlin: Berliner Taschenbuch Verlag
LERNER, Gerda [19911: Die Entstehung des Patriarchats. Frankf./M: Campus
Peter Döge
Dr. rer. pol. Jg. 1961, Vorstand des Instituts für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung e.V. (IAIZ). Seit 9/2004 Gastprofessur für Geschlechterforschung an der TU
Braunschweig. Zahlreiche Publikationen zur Männer- und Geschtechterforschung.
Zur Zeit Forschungsprojekte zum Vereinbarkeitsproblem sowie zur Zeitverwendung von Männern. - Kontakt: pd@iaiz.de, www.iaiz.de
Aprit/Mai 2005 Switchboard Nr. 169 Seite 111
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