Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Arne, du weißt das doch bestimmt...

Arne Hoffmann, Saturday, 11.08.2001, 16:56 (vor 8505 Tagen) @ Andreas

Als Antwort auf: Arne, du weißt das doch bestimmt... von Andreas am 11. August 2001 11:23:53:

...du hast doch im Zusammenhang mit deiner Arbeit bestimmt Informationen zu diesen Studien - vor allem die aus Niedersachsen würde mich interessieren...gibt es da irgendwie die Möglichkeit ranzukommen?
A. - Übrigens, hervorragender Artikel!

Danke schön! :-)

Einen der Links zu der KFN-Studie hat Norbert ja inzwischen dankenswerterweise schon gepostet. Auch unter www.bifir.de kann man dazu einiges nachlesen.

Viel mehr haben wir an deutschen Studien leider nicht vorliegen, und schon mit der KFN-Studie bin ich aus methodischen Gründen nicht ganz glücklich. Internationale Studien sind übrigens unter www.vix.com/menmag/fiebert.htm
übersichtlich zusammengestellt und mit etwas Sucherei auch unter
www.dvmen.org und www.safe4all.org zu finden. Für Deutschland existiert lediglich noch eine von der Zeitschrift FOCUS in Auftrag gegebene repräsentative Befragung, derzufolge ebenfalls erkennbar mehr Männer als Frauen Opfer mittelschwerer bis schwerer Gewalt in der Partnerschaft werden.

Ich bin allerdings sehr skeptisch, ob es den Aufwand lohnt, Frau Falk solche Statistiken zuzusenden. Wir wissen aus der Verhaltenspsychologie, dass Personen, die sich einmal oder gar wiederholt öffentlich in eine bestimmte Rechnung geäußert haben, sehr große Wahrnehmungsbarrieren hinsichtlich gegenläufiger Informationen errichten. Wenn wir also Frau Falk einfach nur die Statistiken senden, kämen vermutlich dieselben Einwände, wie wir sie unter anderem von Maya und Hannibal schon kennen:

- "Das meiste sind internationale Untersuchungen. Wir leben aber hier in Deutschland, und darum interessieren mich nur die deutschen. Hierzulande gibt es jedoch nur wenig Erkenntnisse über die Verteilung der Opfer, allerdings wissen wir aus den Frauenhäusern, dass die meisten Opfer weiblich sind. Oder kennen Sie irgendwo ein Männerhaus? Na sehen Sie!"
- "Es macht keinen Sinn, dass im Bereich der Gewaltkriminalität an sich die Männer deutlich führend sind und im privaten Bereich die Frauen die führende Täterrolle innehaben sollen."
- "Typisch: Kaum kommen Männer mal zu der Erkenntnis, dass auch Frauen böse sein können, wollen sie das weibliche Geschlecht gleich als das bösere hinstellen."
- "Die Täterschaft mag auch zu großen Teilen von Frauen ausgehen, aber das ist ein Trugschluss, der auf einer Entgrenzung des Gewaltbegriffes basiert. Wenn man sich die Opfer insbesondere schwerer Misshandlungen anschaut, dann sind diese doch weit überwiegend weiblich."
- "Es gibt für jeden Mist irgendwelche Statistiken, die ihn angeblich belegen."

Undsoweiter, undsofort. Ich führe diese Diskussion nicht seit gestern, und mir sind diese und andere Ausweichmanöver sehr gut bekannt. Darum erwarte ich wenig davon, dass man irgendeiner Politikerin ein paar Statistiken schickt und sie bittet: "Würden Sie sich das hier mal anschauen?" Die zweiseitige Belehrung, warum diese Statistiken irreführend und die Frauen die hauptsächlichen Opfer von Gewalt in der Partnerschaft sind, kann ich mir auch selber schreiben.

Die Strategie, die ich stattdessen verfolge, geht tatsächlich über mein Buch SIND FRAUEN BESSERE MENSCHEN?, in dem häusliche Gewalt eines der zentralen Kapitel einnimmt. Ich sehe bei dieser Strategie zwei Vorteile:

a) Das betreffende Kapitel BEGINNT nur bei dem Auflisten der unterschiedlichen Statistiken und Untersuchungen und erörtert das Problem davon ausgehend viel umfassender. Dabei erklärt es die Hintergründe und Zusammenhänge und nimmt die oben angeführten Einwände gleich vorweg. Ich habe durch Testleser (darunter auch mein neuer Lektor) inzwischen meinen Eindruck bestätigt bekommen, dass es extrem schwierig, wenn nicht unmöglich ist, dieser umfassenden Erläuterung des Problems häuslicher Gewalt ebenso auszuweichen, wie man es bei der bloßen Auflistung von Statistiken tun kann.
b) Mein Buch richtet sich nicht in erster Linie an die Politiker, sondern an die Medien. Wenn man Politiker anschreibt: "Aber hier, schauen Sie doch mal!" kann man sich doch insbesondere bei den feministisch geprägten unter ihnen sehr sicher sein, dass sie ihren Blick in die exakt entgegengesetzte Richtung wenden. Das Interview des SWR mit Ministerin Bergmann war ja ein typisches Beispiel. Aber wenn wir die Medien davon überzeugen können, dass hier ein heißes Thema auf der Straße liegt und die politisch Verantwortlichen seit mittlerweile fast zwei Jahrzehnten großen Mist bauen, dann kann man Politiker/innen mit diesem Druck beinahe zwingen, bestimmte Probleme nicht länger zu ignorieren.

Der Nachteil ist natürlich, dass es noch anderthalb bis zwei Monate dauern wird, bis mein Buch endlich draußen ist, und selbst danach wird es noch einige Wochen dauern, bis wir bei den Medien durchgedrungen sind. Es ist natürlich sehr unbefriedigend, in der Zwischenzeit herumzusitzen und sich das inkompetente Geschwafel bestimmter Personen anzuhören. Aber diese Frustrationserfahrung mache ich seit drei Jahren, und seitdem hat sich die Situation ständig verbessert. Unter anderem dank der Mithilfe Professor Bocks beginnen die Medien ja nach und nach dieses Thema zu entdecken.


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