Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wie er sich doch windet

Krischan, Sunday, 21.08.2005, 21:02 (vor 7025 Tagen) @ Lucius I. Brutus

Als Antwort auf: Re: Wahlentscheidungshilfe, Teil1: Ein Musterexemplar von Lucius I. Brutus am 20. August 2005 01:56:

Sehr geehrter Herr Kleissle,
ich fange vielleicht am Besten mit Ihrer letzten Frage an. ["Sie behaupten einerseits, daß Macht, deren Inhaber die Männer sind, faul mache, andererseits bemängeln Sie, daß streßbesetzte Führungspositionen von Männern besetzt sind. Ist das kein Widerspruch?"; Krischan] Ich habe versucht in meiner Antwort an Herrn Dr.Maus die Dialektik des Philosophen Hegel (ein Zeitgenosse Hölderlins) zum Thema "Herr und Knecht" zu erläutern.
Hegel meint, dass das Herrsein und dass Knechtsein jeweils den Keim des Untergangs und des Seitenwechsels in sich tragen. Das ist nicht bezogen auf das Verhältnis Frau und Mann, sondern auf jedes Herrschaftsverhältnis. Weil der Herr ein Herr ist, muss er nichts tun, sondern lässt tun (Der Stress mancher Manager besteht auch darin, beim Golf das Loch nicht zu treffen und ob Sie's glauben oder nicht "Manager" die während der Arbeitszeit ihr Handicap trainieren, gibt's nicht nur in Hollywood-Filmen). Auf der anderen Seite: Der Knecht muss all das tun, was der Herr nicht tun möchte. Aus diesem Grund entwickelt er all die Fähigkeiten, die ihn eines schönen Tages zum Herren machen. Soweit Hegel (Und Philosophen mögen mir die etwas platte Aufbereitung Hegels verzeihen).

Wenn alleinerziehende Mütter in diesem Land ihren Beruf, ihren Alltag und die Sorge um ihre Kinder unter den selben Hut bringen müssen, dann vollbringen sie Leistungen, auch organisatorische Leistungen, die manchmal weit über dem stehen, was der eine oder andere gutbezahlte Manager (nicht) leistet (Wenn übrigens alleinerziehende Väter das gleich tun, was seltener vorkommt, dann gilt für sie das gleiche).

Nun bin ich nicht, wie mir einige Antwortmails (nicht Sie) angedichtet haben, ein "Männerhasser", ich bin auch kein "Frauenversteher", der sich bei den Frauen lieb Kind machen will, sondern ich bin aus tiefster Überzeugung ein Freund der Gleichheit und der Gleichberechtigung (nicht nur zwischen Mann und Frau).

Wenn Männer sich als "Feministen" bezeichnen, betrachte ich das als zutiefst lächerlich. Ich bin jedenfalls keiner. Es ist nämlich auch eine Form der Unterdrückung, wenn man anderen sagt, was für sie gut ist.

Damit komme ich zu Ihren anderen Fragen:
Meine Nicht ist in Bad Dürkheim Miglied der freiwilligen Feuerwehr und sie ist es gern und mit vollem Einsatz. Übrigens hat man in Bad Dürkheim auch deswegen die Feuerwehr für Frauen geöffnet, weil man nicht in die selbe Situation kommen wollte, wie Sylt. Wenn ich Sie recht verstanden habe, muss Sylt nämlich die Mitglieder der "freiwilligen" Feuerwehr
zwangsverpflichten. Zur Bad Dürkheimer Feuerwehr kommen Frauen und Männer in genügend grosser Zahl freiwillig. U.a. weil man eine Jugendfeuerwehr hat und weil man, als man die gründete, klug genug war, die Jugendfeuerwehr und in der Konsequenz auch die Erwachsenenfeuerwehr für Frauen und Männer zu öffnen.

Generell wünschen sich die Wenigsten (Frauen nicht und Männer auch nicht) einen Beruf mit harter, schwerer körperlicher Arbeit, zumal diese Berufe in aller Regel auch noch schlecht bezahlt werden. Wie das Wort "Herr"schaft schon verrät, besteht das Problem der Nicht-Gleichberechtigung von Mann und Frau schon deutlich länger als 30 Jahre. Aus diesem Grund können Sie auch nicht erwarten, dass heute schon alle Probleme gelöst sind.

Was muss man tun (und was wollen die Grünen tun) ?
1. Die Gesellschaft darf junge Frauen und Männer nicht so mit der Kindererziehung alleine lassen, wie das derzeit bei uns Usus ist. Wenn Sie aus dem Norden kommen, brauchen Sie ja nur mal einen Blick nach Dänemark zu werfen, um zu sehen, dass es auch anders geht.
2. Natürlich müssen traditionelle Rollenbilder aufgeweicht und in Frage gestellt werden. Allerdings darf man sich hier die entscheidenden Dinge nicht von der Politik erwarten. Es ist wichtig, dass es Männer wie Sie gibt, die in "Frauenberufen" arbeiten und es ist wichtig, dass Frauen, wie meine Nichte, zeigen, dass Frauen nicht schwach sind. In diesen Prozessen kann die Politik nur unterstützend wirken. Entscheidend ist,
dass es in der Gesellschaft genügend Menschen gibt, die sich, trotz der Schwierigkeiten, einfach für einen anderen Weg entscheiden als den traditionellen (Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiter viel Erfolg und eine anständige Bezahlung).

Gruss
Walter Altvater


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