Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Entenhausen oder was?

Maesi, Monday, 19.09.2005, 22:51 (vor 6997 Tagen) @ Nick

Als Antwort auf: Re: Entenhausen oder was? von Nick am 17. September 2005 16:57:

Hallo Nick

"Hat jemand von euch diesen Aufkleber schon mal gesehen oder hatte ich da Halluzinationen?"
Nein, hattest du nicht. Ich habe ihn auch gesehen.
Die schalten jetzt eben konsequent auf "Gleichstellung" um.
Also genau so, wie es zu erwarten war.

Zustimmung. Wir alle werden jetzt von Staates wegen einander gleichgestellt, ob wir wollen oder nicht. Und es gibt auch genuegend Maskulisten, die auf diesen (Zwangs-)Gleichstellungszug aufspringen.

Meine Prognose: Wir alle werden demnächst ganz viele "Männerrechte" aus der Hand von Claudia Roth in Empfang nehmen dürfen.
Die Grünen werden nämlich jetzt zur "Männerpartei". Wollen wir wetten?

Diese Wette nehme ich nicht an, da Du sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gewinnst. Die regulatorischen Moeglichkeiten von Gender Mainstreaming sind nahezu unbegrenzt; de facto haben wir damit ein Ermaechtigungsgesetz - wenn auch nicht zugunsten einer Regierung sondern zugunsten einer Expertengruppe, die sich in der staatlichen Buerokratie verbirgt und dort realiter Macht ausuebt. Ob dabei eher feministische, maskulistische oder meinetwegen genderistische Kriterien angelegt werden, ist letzten Endes voellig unerheblich. Interessant wird die Feststellung, wie die professionellen, staatlichen Gleichsteller mit Abweichlern umspringen werden. Bei der obrigkeitlichen Behandlung dieser Abweichler (z.B. durch laecherlichmachen, ignorieren, pathologisieren, zwangsumerziehen, diffamieren, diskriminieren oder gar kriminalisieren von Andersdenkenden) werden wir am ehesten erkennen koennen, wie weit man den Totalitarismus im Rahmen von Gender Mainstreaming treiben wird. V.a. im Bereich Zwangsumerziehen (vgl. der Thread 'der Perlonstrumpf am Jungenbein bringt Schwung in die Koedukation') wird Gender Mainstreaming den Hebel ansetzen; das Antidiskriminierungsgesetz forciert demgegenueber eher eine 'positive' Diskriminierung sowie Kriminalisierung von Leuten, die sich nicht systemkonform 'verhalten'. Das alles erfolgt natuerlich unter dem Etikett 'Chancengleichheit'.

Der moderne Totalitarismus kommt nicht (mehr) im zackigen Stechschritt in schallenden Stiefeln daher; er huellt sich vielmehr perfiderweise in ein wohlmeinendes Gewand von Fuersorglichkeit und Hilfsbereitschaft. Das macht es so schwierig, ihn zu erkennen und ihm zu entgehen. Wer kann schon angebotene Hilfe ablehnen? Wer kann fuersorgende Menschen zurueckweisen?

Das Wort 'Maennerrechte' hast Du richtigerweise in Anfuehrungszeichen gesetzt. Allein schon die Vorstellung von spezifischen 'Maennerrechten' (bzw. dessen Gegenstueck 'Frauenrechte') ist voellig absurd; vielmehr handelt es sich immer um Rechte die fuer alle Menschen gelten. Die Betonung von geschlechtsspezifischen 'Rechten', die den Frauen angeblich zukommen, ist eine jener fragwuerdigen Errungenschaften des Feminismus; deren Vertreter quasseln andauernd von 'Frauenrechten' ohne tiefschuerfender darueber nachgedacht zu haben, was Rechte fuer eine bestimmte Gruppe (z.B. der Frauen) ueberhaupt bedeuten und welche sozialen Konsequenzen sie haben. Vor einiger Zeit (wenn ich mich recht erinnere in Bezug auf eine Kampagne von Amnesty International) hast Du hier einen sehr lesenswerten Beitrag ueber die unteilbaren Menschenrechte reingestellt und ausgefuehrt, was von sogenannten 'Frauenrechten' zu halten ist - naemlich nichts.

Wie das geht?
Krieg ist Frieden.
Freiheit ist Sklaverei.
Unwissenheit ist Stärke.

Das Wahrheitsministerium

Tja, Nick. Nachdenken ist fuer den Menschen das Anstrengendste ueberhaupt. So gesehen ist das Wahrheitsministerium eine patente Sache fuer den bequemen, denkfaulen Menschen; er braucht nicht mehr selbst nachzudenken, das Wahrheitsministerium uebernimmt das fuer ihn. Es gibt nicht-selbstverschuldete Unwissenheit und es gibt selbstverschuldete Unwissenheit, letzteres nennen wir Dummheit oder Ignoranz; und gegen Dummheit kaempfen bekanntlich selbst Goetter vergeblich...

Der IMHO folgenschwerste Suendenfall der letzten vier Jahrzehnte ist jener, dass man anfing Freiheit und Verantwortung auseinanderzudividieren. Freiheit einerseits und die Verantwortung fuer die Ausuebung dieser Freiheit andererseits sind untrennbar miteinander verknuepft; wer systematisch gegen dieses Prinzip der Unteilbarkeit von Freiheit und Verantwortung verstoesst, wird nichts weiter als verantwortungslose Menschen hervorbringen. Der wichtigste Zweck der Erziehung von Kindern ist, ihnen die Einsicht zu vermitteln, dass ihre individuellen Entscheidungen (wie auch immer sie ausfallen) entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen; durch das Abschaetzen dieser Konsequenzen sollen sie in die Lage versetzt werden, als erwachsener muendiger Mensch das eigene Handeln vorausschauend zu planen. Auf der Grundlage des muendigen, handlungsfaehigen Menschen ist jede emanzipierte Gesellschaft und auch unser demokratisches System aufgebaut.

Sehr vieles, was heute gesellschaftlich im Argen liegt, laesst sich auf die trotzige Ablehnung der Folgen der eigenen Handlungsweise zurueckfuehren bzw. auf das Bestreben, diese Folgen der Gesellschaft aufzubuerden. Geradezu exemplarisch ist in diesem Zusammenhang das 'moderne' Scheidungsrecht: im Verlangen, nur ja niemandem irgendeine Verfehlung anzuhaengen, wird jegliches Fehlverhalten nahezu vollstaendig ausgeblendet; sofern nicht gerade ein Kapitalverbrechen in einem Trennungs-/Scheidungsfall veruebt wird, bleibt jede Niedertracht folgenlos - wenn auch nur fuer den, der die Kinder als 'Faustpfand' im Besitz hat und genuegend skrupellos ist, sie als Schutzschilde zu verwenden. Eheliche/familiale Solidaritaet, Fairness und Ruecksichtnahme sind Fremdworte geworden, und die Rechtsprechung legitimiert das durch ihre ignorante Haltung. Erhellend hierzu sind die Texte von Prof. Joachim Wiesner ('Vom Rechtsstaat zum Faustrechts-Staat'), Prof. Wolfgang Klenner ('Rituale der Umgangsvereitelung') oder in einer populaereren Version das Buch von Matthias Matussek ('Die vaterlose Gesellschaft'). Im Bereich Trennungs-/Scheidungsrecht hat der Staat als Garant der oeffentlichen Ordnung und v.a. auch von Gerechtigkeit voellig abgedankt; kein Wunder, dass da keine oeffentliche Ordnung (oder gar Gerechtigkeit) mehr zu finden ist - dafuer umso mehr Zynismus.

Langfristig wird sich ein solches System der strukturellen Verantwortungslosigkeit nicht halten koennen, weil es sich selbst erledigt; das ist aber ein schwacher Trost. Wie lange wird es dauern, bis sich diese Erkenntnis gesellschaftlich durchsetzt? Viel zu lange! Wieviele Menschen werden dabei in Mitleidenschaft gezogen? Viel zu viele!

Ein Absatz aus Prof. Wiesners obenerwaehnter Studie erscheint mir (nicht bloss im Zusammenhang mit Trennung-/Scheidung) besonders bedeutsam:

'Metajuristische, aber normensystem-immanente Exegese ist nicht gefragt; sie wird wohl auch von der Mehrzahl der »Praktiker« in Anwaltschaft und Justiz nicht beherrscht. Die zugleich formalistische und rechtspositivistische Pauk-Mentalitaet der Repetitor-Juristerei, durch die die para-universitaere Ausbildung der jetzt amtierenden Juristen-Generation gepraegt war, charakterisiert das Rechtsdenken der Mehrzahl von Anwaelten und Richtern. Dieser Umstand wird in der Behandlung der »Kinderfrage« verfahrensmaessig und materiell-rechtlich wirksam.'

Die Rechtsethik ist fuer Prof. Wiesner sehr wichtig um nicht zu sagen existentiell - und das voellig zu Recht! Rechtsprechung ohne eine zugrundeliegende Rechtsethik fuehrt unausweichlich zur Pervertierung von Gerechtigkeit. Oft genug in der Geschichte haben sich Richter zum Buettel von dikatorischen Regimes machen lassen, oft genug wurde von einer korrumpierten Rechtsprechung selbst die uebelsten Menschenrechtsverletzungen als 'rechtmaessig' beurteilt; ausnahmslos musste vorher jegliche Rechtsethik ueber Bord geworfen werden, damit sowas moeglich ist.

Gruss

Maesi


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