Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Was lief denn jetzt eigentlich gestern abend?

Jörg, Friday, 13.07.2001, 22:13 (vor 8341 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Was lief denn jetzt eigentlich gestern abend? von Arne Hoffmann am 13. Juli 2001 14:12:11:

Hallo Arne,

ich möchte hiermit einmal auf den ersten Fragenkomplex Deines Beitrages
eingehen.

Der gesamte Beitrag zum Thema "Männer als Opfer häuslicher Gewalt" innerhalb
der Sendung "Ländersache" hat fast genau 10 Minuten gedauert.

Die größten zeitlichen Anteile dabei hatten die Fallschilderung des
Christian K., der Opfer seiner gewalttägigen Partnerin geworden war, und das
Interview mit der Bundesfrauenministerin eingenommen.

Aus den Interviews mit dem Kriminologen Bock und Deiner Person wurden
scheinbar nur kurze Ausschnitte gezeigt (ich habe unten einmal eine
vollständige Mitschrift der Interviews angefügt).

Der Moderator der Sendung hat übrigens durchaus einen gewissen Biß erkennen
lassen, was mir gut gefallen hat.

Zu dem Interview mit Frau Bergmann:

Auf die Frage "Warum werden Männer als Opfer weiblicher Gewalt so sehr
ignoriert?" kam erwartungsgemäß die Antwort, daß sie nicht ignoriert werden,
daß das Gewaltschutzgesetz geschlechtsunabhängig formuliert sei und
überwiegend Frauen die Opfer seien.

Bei der Frage "Welche Dimension hat das Problem Männer als Opfer?" stellte
sich schnell heraus, daß keinerlei gesicherte repräsentative Daten
vorliegen. (Angeblich sei jedoch eine Pilotstudie ausgeschrieben worden,
anhand derer herausgefunden werden soll, inwieweit Männer Opfer von
partnerschaftlicher Gewalt werden.)

Die interessanteste Antwort war meines Erachtens jedoch die auf die Frage
"Warum gibt es keine Männerhäuser bzw. Schutzräume für Männer?". Ich zitiere
wortwörtlich: "... wir haben ja auch Erfahrungen mit dem Gewaltschutzgesetz
in Österreich, daß also Männerhäuser in diesem Sinne nicht gebraucht werden.
Meistens finden die Männer in solchen Situationen durchaus Hilfe und
Unterstützung. Sie gehen zu ihrer Mutter, zu ihrer Freundin oder wohin auch
immer. Also ich glaube, daß ist nicht das harte Problem." Im Klartext hat
das für mich ungefähr diese Bedeutung: "Sollen sie doch selbst zusehen, wo
sie bleiben."

Gruß, Jörg

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Der Mainzer Kriminologe Michael Bock kommt bei der Analyse internationaler
Studien zum Schluß, daß die Zahl der Männer, die Opfer werden, nahezu gleich
hoch ist wie die der Frauen. Zahlen, die in der Öffentlichkeit kaum einer
glaubt.

"Wenn man allerdings den internationalen Forschungsstand realistisch
betrachtet, sieht man, daß alle repräsentativen Untersuchungen zu dem
Ergebnis kommen: Unter Partnern ist die Gewalt - auch die schwere physische
Gewalt - eher gleich verteilt."

Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung Opfer häuslicher Gewalt in
Zukunft besser vor den Tätern schützen. Der gewalttätige Partner kann dann
beispielsweise aus der gemeinsamen Wohnung verbannt werden. Bock kritisiert,
daß in der Gesetzesbegründung fast ausschließlich von weiblichen Opfern die
Rede ist.

"Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder die Bundesregierung kennt die Studien
nicht - dann ist sie sträflich ignorant - oder sie macht eine bewußte
Desinformation in der Begründung für ihren Entwurf eines neuen Gewalt-
schutzgesetzes."

Wissenschaftliche Untersuchungen über männliche Opfer werden offenbar
vernachlässigt, die Bundesregierung verläßt sich wohl hauptsächlich auf die
Polizeistatistik. Warum so ein falsches Bild entsteht, erklärt Buchautor
Arne Hoffmann:

"Das eine Problem ist, daß die Männer selbst sich nicht wirklich trauen,
damit nach außen zu gehen, anderen Personen gegenüber sich zu öffnen. Es
gibt da Statistiken, wo nur 1 bis 2 Prozent aller Männer, die solche
Erfahrungen gemacht haben, Dritten darüber erzählen. Das ist deutlich
weniger als bei Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind."

(Die Interview-Passagen habe ich durch Anführungszeichen gekennzeichnet.)


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