Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Ein sehr lesenswerter und nachdenklich stimmender Text. n/t

Andreas B., Sunday, 24.06.2001, 02:05 (vor 8314 Tagen) @ Jörg

Als Antwort auf: Was die Männerbewegung will (lang!) von Jörg am 23. Juni 2001 20:56:58:

Hallo,
da hier bereits mehrmals die Frage aufgetaucht ist "Was wollt Ihr Männer eigentlich?" und zu erwarten ist, daß diese Frage auch noch öfter gestellt wird, möchte ich an dieser Stelle einmal die Forderungen dreier Vorreiter für eine echte Gleichberechtigung wiedergeben. Der nun folgende Beitrag stammt von Arne Hoffmann und wurde ursprünglich am 28. April 2001 in Joachims altem Parsimony-Forum "Ist Gleichberechtigung auch Gleichbepflichtigung?", das inzwischen nicht mehr existiert, veröffentlicht. Ich habe diesen grundlegenden Beitrag lediglich in eine wie ich finde optisch ein wenig besser lesbare Form gegossen (es ist halt ein relativ langer Beitrag). Inhaltlich habe ich selbstverständlich nichts verändert.
Gruß, Jörg
<hr>
Ich glaube, ich hab hier schon einmal gepostet, dass ich sowas wie eine "Männerbewegung" überhaupt nur als Übergangslösung für sinnvoll halte. Dafür gibt es mehrere Gründe, z. B. dass ich es unsinnig finde, Männerinteressen und Fraueninteressen gegeneinander auszuspielen, als ob das eine Geschlecht nur gewinnen könnte, wenn das andere verliert. Ein anderer Grund ist, dass sich unter dem Banner der "Männerbewegung" tatsächlich auch Leute sammeln, die an einer echten Gleichberechtigung nicht das geringste Interesse haben, sondern einfach nur die uralten Verhältnisse mit der Frau am Herd etc. wiederhaben möchten.
Ich habe den Eindruck, die Männerbewegung stellt ihre Forderungen weniger an "die Frauen" als an Institutionen wie Politik, Justiz und Medien. Drei Autoren haben hier jeder für sich so etwas wie einen "Forderungskatalog" zusammengestellt. Ich stelle diese Kataloge einfach mal hier rein und halte mich mit Kommentaren zunächst weitgehend zurück.
Warren Farrell, Beziehungstherapeut und einige Jahre einziger Mann im Präsidium der führenden US-Frauenorganisation NOW, jetzt der Vorreiter des Maskulismus, 1994 benennt folgende Handlungsfelder:
<ul><li>SELBSTMORD. Aufgrund der erschreckend hohen Selbstmordraten bei Männern müssen spezielle Beratungs- und Hilfsangebote entwickelt werden. Am sinnvollsten wäre es, schon in der Vorpubertät einzusetzen, da wenig später das Missverhältnis zwischen Jungen und Mädchen drastisch in Erscheinung tritt. Der Druck der männlichen Geschlechterrolle muss abgebaut werden.
<li>STOP PRISON RAPE (ein größeres Thema in den USA als hierzulande). Wenn Vergewaltigungen von Männern innerhalb der Gefängnisse verhindert würden, würde das auch die Zahl der Vergewaltigungen von Frauen und Männern außerhalb der Gefängnisse senken.
<li>OBDACHLOSIGKEIT. Die Gründe für die hohe Anzahl an männlichen Obdachlosen müssen ermittelt werden, damit entsprechende Kriseninterventionen greifen können.
<li>TODESBERUFE. "Jungen sollen lernen, dass sie nicht verpflichtet sind, Mädchen freizuhalten. Dieser Zahlzwang nämlich zwingt sie später in gefährlichere, aber besser bezahlte Berufe." 24 der laut Weltgesundheitsorganisation schlimmsten Berufe sind reine Männerjobs und von tödlichen Berufsunfällen werden zwölfmal so viele Männer wie Frauen getroffen. (Hier könnte man noch zahlreiche Statistiken dieser Art anfügen, aber das werde ich NICHT tun.) Jeder Mann hat ein Recht, seinen Körper, seine Gesundheit, seine Freiheit und sein Leben nicht für Unterhaltszahlungen an eine Frau opfern zu müssen.
<li>KRANKHEITEN. Die Gründe für die höhere Lebenserwartung von Frauen müssen genauer erforscht werden. Männer brauchen eine bessere medizinische Versorgung. Auch nicht krankheitsbedingte Faktoren müssen beleuchtet werden. Der Schutz des Mannes vor Gesundheitsschädigungen am Arbeitsplatz muss mindestens so hoch eingestuft werden wie der Schutz der Frau vor sexuellen Offerten.
<li>JUSTIZ. Es darf kein gerichtliches Strafmaß geben, welches das männliche Geschlecht gegenüber dem weiblichen benachteiligt.
<li>WEHRPFLICHT. "Ausschließlich Männer zur Armee zu verpflichten entspricht dem Sklaventum. Eine `Kommission für gleiches Lebensrecht für Männer´ könnte einen Musterprozess anstrengen und die Rechte der einberufenen Männer vertreten". Dies gilt speziell für den Kampfeinsatz im Krieg.
<li>VERANKERUNG IN DER VERFASSUNG. Aus dem Gleichberechtigungs- muss ein Gleichberechtigungs- und -verpflichtungsgebot werden.
<li>BEWUSSTSEINSFÖRDERUNG. Frauen muss verdeutlicht werden, dass gleiche Rechte auch gleiche Pflichten bedeuten, dass Gütergemeinschaft auch Verantwortungsgemeinschaft heißt und dass es nicht hauptsächlich Sache der Männer sein kann, auf sexuellem Gebiet Zurückweisung zu riskieren.</ul>
Matthias Matussek, prominenter deutscher Vaterrechtler, 1998:
<ul><li>UMGANGSBOYKOTT. Dies ist eine Form der Gewalt gegen Kinder. Ein Elternteil, das dem anderen widerrechtlich den Kontakt zu seinen Nachkommen verweigert, sollte – wie in Frankreich – in Extremfällen mit Gefängnis bestraft werden können. Selbstverständlich verliert der Elternteil, der boykottiert, sein Sorgerecht.
<li>VERLASSEN DES GEMEINSAMEN HAUSHALTS. Wer den gemeinsamen Haushalt verlässt, sollte wie bei der Auflösung einer Partnerschaft im Wirtschaftsleben die Konsequenzen selbst tragen und keine Ansprüche an den Partner stellen dürfen. Wer den Haushalt mit Kindern ohne Kenntnis und Zustimmung des anderen verlässt, sollte wegen Kindesentführung belangt werden. Kinder sind nicht das Eigentum eines der beiden Elternteile.
<li>FALSCHBEZICHTIGUNGEN. "Anschuldigungen des sexuellen Missbrauchs werden zeitgleich mit Anzeigen der Verleumdung strafrechtlich untersucht und verfolgt. Jedem Verdacht einer falschen Anschuldigung wird mit gleicher Intensität nachgegangen wie der Anschuldigung selbst." Es ist nicht länger hinnehmbar, dass durch willkürliche Bezichtigungen Leben zerstört und Familien auseinandergerissen werden. (Das halte ich in dieser Schärfe für etwas problematisch, auch wenn offensichtlich ist, dass die Flut von Falschbeschuldigungen irgendwie eingedämmt werden muss, A.H.)
<li>GEMEINSAMES SORGERECHT. Grundsätzlich liegt das Sorgerecht bei beiden Eltern, gleichgültig ob verheiratet, geschieden oder getrennt. Die gemeinsame Verantwortungsgemeinschaft für das gezeugte Leben kann nicht einseitig zerstört werden.
<li>UNTERHALTSGERECHTIGKEIT. Wer seine Kinder nicht sehen darf, ist auch nicht zu Unterhaltszahlungen verpflichtet. Unterhaltszahlungen werden nach Aufwand angemessen gegeneinander verrechnet.
<li>LOYALITÄTSPFLICHT. Jeder Elternteil ist gegenüber den Kindern zu gegenseitiger Loyalität verpflichtet. Wer den Partner vor den Kindern herabwürdigt, stürzt Kinder in einen Loyalitätskonflikt und übt Gewalt aus.
<li>WOHNORTWECHSEL. "Der Elternteil, bei dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, kann den Wohnort nur nach Übereinstimmung mit dem anderen Elternteil und dem Kind wechseln."
<li>STEUERGERECHTIGKEIT. Vor der Steuer sind Vater und Mutter gleich.
<li>GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTE. "Frauenbeauftragte werden abgeschafft. Statt dessen werden Gleichstellungsbüros eingerichtet, die paritätisch mit einem Mann und einer Frau besetzt sein müssen." Schwerpunkt ist hier die Gleichstellung von Mann und Frau.
<li>VERHINDERUNG VON "UMGEKEHRTEM SEXISMUS". Die Herabwürdigung von Männern muss sozial ebenso geächtet werden wie die von Frauen. Beiden Geschlechtern kann gleichermaßen abverlangt werden, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten und ihre Familie zu ernähren. Beide Geschlechter müssen in Notsituationen dieselbe Unterstützung erhalten können.</ul>
Matussek führt noch einige andere Punkte auf, aber da sein Werk als Taschenbuch problemlos im Handel zu erstehen ist, kann man sich dort jederzeit näher informieren.
Cathy Young, renommierte US-amerikanische Journalistin (u. a. Washington Post) und Medienkritikerin, Vizepräsidentin des Women's Freedom Network, 1999:
<ul><li>Wenn Sie Urteile fällen, die ein Geschlecht betreffen, stellen Sie sich vor, wie Sie den umgekehrten Fall einschätzen würden. Hätte ein Buch mit dem Titel "Nur eine tote Frau ist eine gute Frau" auf dem deutschen Markt eine Chance, oder würde sein Verfasser juristisch belangt werden? Würden wir bei einem Film applaudieren, in dem sich Männer mit den fiesesten Schikanen an ihren Ex-Frauen rächen? Was wäre von öffentlichen Bibliotheken zu halten, die nur Männern den Zutritt gewähren würden?
<li>Zeigen Sie Frauen, die sich schlecht benehmen, ebenso ihre Grenzen wie Männern. Es gibt keinen Grund, das Fehlverhalten von Frauen als einen "Akt politischer Befreiung" zu entschuldigen.
<li>Hören Sie auf, jeden Konflikt, an dem eine Frau beteiligt ist, in die Rubrik "Sexismus" einzustufen.
<li>Kümmern Sie sich darum, die richtigen Fakten zu bekommen. Die Medien sollten nicht länger das Sprachrohr bestimmter politischer Fraktionen werden, auch wenn diese behaupten, für eine gute Sache zu kämpfen. Dies gilt insbesondere für fragwürdige Statistiken zu Themen wie "häusliche Gewalt".
<li>Überwinden Sie endlich Ihre Besessenheit von Geschlechtsunterschieden, und erkennen Sie, dass Mann und Frau weder identisch, noch grundverschieden sind. Wen kümmert es, wenn zwei Drittel der weiblichen Unternehmer, aber "nur" 56 Prozent der männlichen ihre Entscheidungen zuvor sorgfältig abwägen – zumal solche Zahlen von Untersuchung zu Untersuchung schwanken? Mars und Venus sind unbewohnt. Abgegriffene Klischees über Männer und Frauen sollten endlich der Vergangenheit angehören.
<li>Hören Sie auf, Frauenpolitik mit der Debatte über häusliche Gewalt zu vermischen. Die Medien müssen sich endlich mit häuslicher Gewalt beschäftigen, die von Frauen begangen wird, und aufhören, sich über männliche Opfer lustig zu machen. Vor der Polizei und dem Richter sollten beide Geschlechter gleich behandelt werden. Frauen müssen in Programmen psychologischer Beratung lernen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, statt, Constanze Elsner und anderen Autorinnen folgend, von "psychologischer Provokation" zu sprechen. Das Geld der Steuerzahler sollte nicht länger vorwiegend oder ausschließlich für Organisationen ausgegeben werden, die die Propaganda verbreiten, häusliche Gewalt sei ein Zeichen patriarchaler Unterdrückung – und so in Wirklichkeit nichts für die Lösung dieses Problems tun.
<li>Nehmen Sie eine weniger umfassende Definition von "Vergewaltigung" vor. Es sollte klargestellt werden, dass Zwang zu einer sexuellen Handlung nur vorliegt, wenn diese vom Opfer nicht gefahrlos verweigert werden kann. Überreden und Verführen ist keine Vergewaltigung. Das Verhalten des Opfers muss ebenso in Betracht gezogen werden wie bei allen anderen Verbrechen, einschließlich Mord. Die Möglichkeit, dass eine Falschbezichtigung vorliegt, muss ernsthaft erwogen werden. Begriffe wie "date rape" haben in einer rationalen Debatte nichts zu suchen. (Auch bei diesem Thema müsste man eigentlich 50 Seiten zur Erklärung der Hintergründe einfügen.)
<li>Engen Sie auch die Definition von "sexuelle Belästigung" ein. Natürlich müssen Erpressung und Nötigung in diesem Zusammenhang weiter belangt werden. Es sollte jedoch allein ein objektiv und nicht rein subjektiv festgestellter Tatbestand als strafwürdig gelten. Firmen sollten nicht jede Form von Erotik faktisch aus dem Berufsleben verbannen müssen, nur um vor Millionenklagen sicher zu sein.
<li>Gehen Sie davon aus, dass Väter und Mütter als Eltern gleichermaßen geeignet sind. Kein Elternteil hat das Recht, das andere aus dem Leben der Kinder auszuschließen. Dies gilt auch für uneheliche Kinder – schließlich können deren Väter ja auch zu Unterhaltszahlungen herangezogen werden.
<li>Ermutigen Sie Frauen, ihre sexistischen Einstellungen gegenüber Männern zu ändern, wie wir das umgekehrt von Männern erwarten. Das Bild vom Mann als Geldverdiener für die Familie ist überholt.
<li>Hören Sie im politischen Bereich auf, so zu tun, als ob die Forderungen von Frauen berechtigter seien als die von Männern. Warum gibt es in Deutschland eine Frauenministerin, aber keinen Männerminister? Warum kann sich ein Politiker damit brüsten, was er alles für Frauen getan hat, aber nicht, was er für Männer erreichte? "Das wäre nur verständlich, wenn Frauen als Gruppe schlechter dran wären als Männer. Aber das ist nicht der Fall." </ul>
Soweit die Forderungskataloge dieser drei Vorreiter für die wahre Gleichberechtigung: ein Männerrechtler, ein Vaterrechtler und eine Feminismuskritikerin. Sie decken in der Tat die überwiegende Bandbreite aller wunden Punkte ab. Es gibt nur noch wenige Aspekte denkbarer Verbesserungen, die von anderen Autoren aufgegriffen wurden.
Der britische Maskulist David Thomas etwa macht darauf aufmerksam, dass endlich öffentliches Interesse für die männlichen Opfer sexueller Gewalt geweckt werden muss. Das ist nur zu unterstreichen. Männliche Opfer von Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch müssen endlich ernst genommen, und es muss auch hier öffentliches Bewusstsein geweckt werden. Das heißt anderseits natürlich nicht, dass eine zweite Opferkultur, jetzt eben von Männerseite, errichtet werden sollte!
Neil Lyndon, ebenfalls Brite, plädiert dafür, bei der Entscheidung über eine Abtreibung den Vater wenigstens nicht völlig auszuschließen. Nun ist die Situation vertrackt genug, wie sie ist, und einer von beiden wird entscheiden müssen. Dann sollte der Vater Lyndon zufolge aber wenigstens das Recht haben, seinen Einspruch protokollieren zu lassen, um sich nötigenfalls von einem Akt zu distanzieren, den er unter Umständen als Tötung seines Kindes wahrnimmt.
Okay, im Großen und Ganzen ist es das, was den Leuten unter den Nägeln brennt. Ich halte die Matussek-Forderungen stellenweise sehr weitgehend. Wenn eine Frau einen Mann verlässt, weil sie es bei ihm aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr aushält - sollte sie dann wirklich automatisch jedes Anrecht auf Unterstützung verlieren? Hm. Andererseits kann man jeden dieser grob geschnitzten Vorschläge sicher noch so verfeinern, dass er tatsächlich praktikabel ist.


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