Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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4. 3. Alltag – weder spießig noch hardlinermäßig

Kurti, Wien, Saturday, 25.09.2010, 20:00 (vor 5175 Tagen) @ Kurti

Nachdem wir nunmehr den Alltag des Hardliners und den des vermeintlich linken, jedenfalls aber politisch korrekten Spießers kennen, soll folgender Beitrag daran erinnern, dass es zwischen Schwarz und Weiß jede Menge anderer Farbtöne gibt, und dass ein Alltagsleben, das die Extreme meidet und auf wahrer Gleichberechtigung aufbaut, und sich für diese auch einsetzt, ausgesprochen lebenswert sein kann.

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Ein Tag im Leben der Familie Lich

06:30 Uhr:
Im Schlafzimmer von Herrn und Frau Thomas und Sabine Lich wird deren Nachtruhe durch leises und dann zunehmend lauteres Piepen des Weckers beendet.

07:00 Uhr:
Frau Lich deckt für sich, ihren Mann und die Kinder Jochen (7) und Lina (5) den Frühstückstisch, Herr Lich besorgt derweil beim Bäcker vis à vis Brötchen und Croissants. Anschließend nimmt die Familie gemeinsam das Frühstück ein.
Lina: "Ich mag aber keine Cornflakes, ich will ein Nutellabrötchen."
Herr Lich: "Als ich dich vorhin gefragt habe, da wolltest du doch Cornflakes, also iss sie auch."
Lina: "Mama, der Papa will mir kein Nutellabrötchen geben."
Frau Lich: "Da hat Papa Recht. Du wolltest Cornflakes und die hast du bekommen. Also iss, was Anderes gibt 's nicht."
Nach kurzem Schmollen isst Lina ihre Cornflakes mit gutem Appetit.

07:45 Uhr:
Frau Lich verlässt mit Jochen die Wohnung und liefert ihn auf dem Weg zur Arbeit in der Schule ab.

08:00 Uhr:
Herr Lich verlässt die Wohnung mit Lina, der Weg zu seiner Arbeit führt an der Kita seiner Tochter vorbei.

08:30 Uhr:
Frau Lich erreicht ihren Arbeitsplatz als Abteilungsleiterin in der Buchhandlung Dugenhubel.

09:00 Uhr:
Herr Lich beginnt seinen Arbeitstag als Richter am Familiengericht. Heute ist – wie jeden Dienstag und jeden zweiten Donnerstag – Sitzungstag, das heißt, es finden Verhandlungen statt. An den anderen Tagen ist Herr Lich mit Dezernatsarbeit, Verhandlungsvorbereitung und Abfassen von Urteilen beschäftigt, das macht er, wie fast alle seine Kollegen, zu Hause.
Als Erstes steht die Verhandlung in der Scheidungssache Karla Kampfhenkel-Schickelgruber gegen Franz Schickelgruber an.
Herr Lich: "Frau Kampfhenkel-Schickelgruber, wie ich Ihrem Schriftsatz vom 23. 06. entnehme, sind Sie jetzt auf einmal mit dem Vergleich, den Sie selber vorgeschlagen haben, nicht mehr einverstanden und verlangen jetzt das alleinige Sorgerecht für die beiden Kinder sowie Unterhalt für sich und die Kinder, weil Ihnen Erwerbstätigkeit wegen Betreuung der Kinder nicht zugemutet werden könne. Ihre Begründung finde ich bislang aber nicht so recht überzeugend. Sie haben sich als Journalistin doch immer so vehement für die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere eingesetzt, die gute Ausstattung unserer Stadt mit Kita- und Ganztagsschulplätzen ist nicht zuletzt Ihr Verdienst? Und da entdecken ausgerechnet Sie jetzt Ihre, wie heißt es noch gleich im Schriftsatz ... 'eigentliche Bestimmung im völligen Da- und Bereitsein einer Mutter für ihre Kinder.'"
Frau Kampfhenkel-Schickelgruber (mit erhobener Nase und schnippischem Unterton): "Nichts kann mich daran hindern, klüger zu werden."
Herr Lich: "Und nichts wird das Gericht daran hindern, Ihren Antrag abzuweisen, wenn Ihnen keine überzeugendere Begründung einfällt."

10:00 Uhr:
Frau Lich hat die Verkäuferin Lilli Maya in ihr Büro gebeten.
Frau Lich: "Frau Maya, soeben hat sich ein Kunde über Sie beschwert. Er sagt, er habe sich bei Ihnen nach feminismuskritischen Sachbüchern erkundigt. Sie hätten sich daraufhin von ihm abgewendet, angefangen in einem Regal herumzustöbern und ihm dabei ohne sich umzudrehen zugerufen: 'Das Zeug muss irgendwo da links neben der Kasse stehen.' Frau Maya, wissen Sie etwa nicht, welche Bücher wir anbieten und wo die zu finden sind?"
Lilli Maya: "Ja doch, aber ... blablabla ... Bücher sexistischen Inhalts ... salbader ... unvereinbar mit meinem Gewissen als Frau und Feministin ... laber ... meine tiefste und innerste Überzeugung ... klugscheiß ... kann nicht meine Verpflichtung sein ... fasel …"
Frau Lich (ihr das Wort abschneidend): "Frau Maya, Ihre Verpflichtung besteht hier in dieser Firma zuvörderst darin, allen Kunden mit Höflichkeit zu begegnen, ob sie Ihnen persönlich sympathisch sind oder nicht. Und Sie haben sie umfassend über unser Sortiment zu unterrichten, auch wenn Ihnen der Inhalt einiger Bücher politisch missfällt. Sollte Ihnen das wegen Ihrer *hüstel* tiefsten und innersten Überzeugung oder Ihrem weiblich-feministischen Gewissen nicht möglich sein, sind Sie hier falsch. Vielleicht sollten Sie es dann in der Frauenbuchhandlung hinter dem Ostbahnhof versuchen. Oder ist die auch schon pleite wie das einst nebenan gelegene Frauencafé?"
Lilli Maya: "Frau Lich, bitte, das können Sie mir nicht antun, ich bin alleinerziehende Mutter, den Unterhaltsprozess habe ich gerade verloren, ich bin wirklich angewiesen auf diesen Job."
Frau Lich: "Warum benehmen Sie sich dann nicht entsprechend?"
Lilli Maya: "Gut, Frau Lich, es tut mir leid, es soll nicht wieder vorkommen."
Frau Lich: "Na also, warum nicht gleich so? Sie können dann gehen. Und ich will Sie wegen so was hier nicht wieder sehen."
Lilli Maya: "Danke, Frau Lich."

11:30 Uhr:
Im Familiengericht hat die Verhandlung Gerlinde Zillerthal-Petersen gegen Klaus Zillerthal begonnen.
Herr Lich: "Frau Zillerthal-Petersen, Sie haben Ihren Scheidungsantrag jetzt noch durch einen Unterhaltsantrag ergänzt, in dem sie Unterhalt in Höhe von 1200 Euro monatlich fordern, weil Sie neuerdings auf Dauer arbeitsunfähig seien. Nun behauptet Ihr Mann, Sie seien mit der Ärztin, von der das beigefügte Attest über Ihre dauernde Arbeitsunfähigkeit stammt, eng befreundet."
Anwältin der Frau: "Darf sich meine Mandantin etwa nicht von einer Frau behandeln lassen, zu der sie aus Gründen der Freundschaft besonders großes Vertrauen hat?"
Herr Lich: "Selbstverständlich darf sie das. Eine Freundin sollte man aber nicht leichtfertig einem solchen Risiko, etwa im Hinblick auf § 278 StGB, aussetzen. Zwar haben Sie Recht, wenn Sie in Ihrem Schriftsatz ausführen, dass ein jedes ärztliches Attest zunächst mal die Vermutung der Richtigkeit in sich trägt. Allerdings wird das Gericht in diesem besonderen Fall nicht umhin können, im Rahmen einer Beweisaufnahme ein Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben, wenn die Klägerin bei ihrer Behauptung bleibt. Und da könnte auf die Klägerin kostenmäßig so einiges zukommen."
Anwältin der Frau: "Darf ich mich kurz mit meiner Mandantin beraten?"
Herr Lich: "Selbstverständlich."
Frau Zillerthal-Petersen verlässt mit ihrer Anwältin den Saal. Fünf Minuten später kehren die beiden zurück.
Anwältin: "Wir nehmen den Unterhaltsantrag zurück."

13:30 Uhr:
Frau Lich hat die Verkäuferin Regina Graeberstein-Korkilli in ihr Büro gebeten.
Frau Lich: "Frau Graeberstein-Korkilli, mir ist aufgefallen, dass Sie jetzt schon das sechste Mal in Folge für vier Tage krank gemeldet sind? Immer wieder pünktlich nach genau vier Wochen."
Regina Graeberstein-Korkilli: "Ja, Frau Lich, wissen Sie, meine Therapeutin, bei der ich jetzt seit sechs Monaten in Behandlung bin, die meint, es sei ein prämenstruelles Syndrom ... jammer ... psychische Verwerfungen ... wehklag ... Opfer ... jammer ... Männergewalt ... stöhn ... Kindheit als Mädchen ... jammer ... seufz ... Sie als Frau ... jammer ... Verständnis für leidende Frauen ... weh&ach ..."
Frau Lich: "Sie brauchen mir wirklich nicht zu erläutern, was die Menstruation für Frauen bedeutet. Und wenn Ihr 'Prämenstruelles Syndrom', jene Krankheit, die merkwürdigerweise immer nur in Ländern diagnostiziert wird, in denen großer Wohlstand herrscht, noch länger andauert, dann werde ich, so leid es mir tut, der Geschäftsleitung empfehlen, Sie zur Vertrauensärztin zu schicken. Mit der haben Sie ja schon mal Bekanntschaft geschlossen, nicht wahr?"
Regina Graeberstein-Korkilli schluckt nicht ohne Mühe die Bemerkung herunter, die ihr auf der Zunge lag, verlässt wortlos das Büro und ist von Stund an von ihrem prämenstruellen Syndrom geheilt.

16:30 Uhr:
Nach Beendigung der letzten Verhandlung verlässt Herr Lich das Gerichtsgebäude und begibt sich auf den Heimweg. Unterwegs holt er Jochen von der Schule ab. Heute haben die beiden vor, mal zusammen was zu unternehmen – "nur wir zwei Männer". Weil schönes Wetter ist, gehen sie ins Schwimmbad. Jochen hat unlängst Schwimmen gelernt, inzwischen schafft er zwei Bahnen am Stück, worauf Vater und Sohn sehr stolz sind.

16:31 Uhr:
Frau Lich verlässt ihr Büro und holt ihre Tochter aus der Kita ab. Lina braucht dringend neue Schuhe. Es dauert ganz schön lange, bis die kleine Prinzessin schließlich mit einem Paar blauer Schuhe zufrieden ist. Aber Mama, die zum Schuhe kaufen noch viel mehr Zeit braucht, hat dieserhalb viel Verständnis.

18:00 Uhr:
Gemeinsames Abendessen.
Jochen: "Frau Holtfreter-Bröckerbaum hat heute im Unterricht gesagt, wir Jungen müssten grundsätzlich hinter den Mädchen zurückstehen, weil die Männer die Frauen viele tausend Jahre lang unterdrückt haben."
Herr Lich: "So, hat sie das? Na, ich werde auf der nächsten Elternversammlung mal ein paar Takte mit ihr reden."
Frau Lich: "Lass mal, Thomas, das sollte besser ich machen. Die Bröckerbaum kenne ich noch aus meiner Schulzeit, wir haben zusammen Abi gemacht. Sie hat schon damals immer so ein Zeug zusammengefaselt, Frau nur gut – Mann immer böse. Was habe ich mich mit der auf dem Schulhof gefetzt! Dann hat sie, weil Frauen ja unbedingt als Frauen in Männerberufen das Patriarchat überwinden müssen, zwei Semester Physik studiert, war aber immerhin so schlau, ziemlich rasch zu kapieren, dass so ein Studium nicht mit Sprüchekloppen zu meistern ist. Dass sie dann auf Lehramt umgesattelt hat, passt zu ihr – immer schön den Weg des geringsten Widerstandes gehen und sich dabei lautstark als Opfer aufführen. Und ich wette, die hat ihr Examen nur mit Hängen und Würgen geschafft und ihren Job dann per Parteibuch und Frauenquote bekommen. Dieser dummen Pute habe ich schon damals mehr als einmal gründlich die Meinung gesagt – und wenn ich als Frau das tu, dann wirkt 's gleich noch mal so gut."
Herr Lich (grinsend): "Ach, die arme Frau Holtfreter-Bröckerbaum. Wenn die wüsste, was auf sie zukommt, würde sie dem Elternabend wegen plötzlicher Migräne fernbleiben."

19:10 Uhr:
Nach kurzer Instruktion der 16-jährigen Nachbarstochter, die heute als Babysitter ihr Taschengeld aufbessert, begeben sich Herr und Frau Lich in die Oper. Frau Lich hat durch gute Beziehungen Karten für eine von allen Kritiken in höchsten Tönen gelobte neue Inszenierung der "Salome" ergattert.

22:00 Uhr:
Herr und Frau Lich, denen die Aufführung ausnehmend gut gefallen hat, verlassen das Opernhaus.
Herr Lich: "Na Sabine, Lust auf noch einen Cocktail?"
Frau Lich (leise, dicht an sein Ohr gebeugt): "Eigentlich möchte ich jetzt was ganz Anderes in den Mund nehmen."
Herr Lich (grinsend): "Einem guten Ehemann ist der Wunsch seiner Gattin Befehl."
Die beiden begeben sich also ohne Umweg über eine Cocktailbar nach Hause und ziehen sich, nachdem sie sich vergewissert haben, dass mit den Kindern alles okay ist, ins Schlafgemach zurück. Was dort geschieht, soll aus Gründen der Diskretion unerwähnt und der Phantasie der geneigten Leser überlassen bleiben. Nur eines: beglückt und zufrieden einschlafen tun die beiden erst eine Stunde später ...

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Wäre es so nicht schöner?


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