Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Rezension: Rosenbrocks Ode an den Feminismus - bzw. "antifeministische Männerrechtsbewegung"

bberlin, Saturday, 21.01.2012, 04:39 (vor 4692 Tagen) @ Michael

Berlin, am 21.1.2012
Bernhard Lassahn
Nehringstr. 6
14059 Berlin
030 30839273
0172 950 6660

Sehr geehrter Hinrich Rosenbrock!
Sehr geehrte Damen und Herren von der Heinrich Böll Stiftung!

Mit großem Interesse habe ich Ihre Studie zur Männerrechtsbewegung gelesen. Ich will jedoch ehrlich sagen, dass mein spezielles Interesse daran neben dem Thema vor allem dem Umstand geschuldet ist, dass die Stiftung, die „Heinrich Böll“ im Namen führt, sie ermöglich hat.

Sie erwähnen mich namentlich in Ihrer Studie – als Schriftsteller. Ich bin also Gegenstand Ihrer Betrachtungen. Darf ich vermuten, dass Sie mich nicht zu denen rechnen, über die Sie im Interview sagen: „ ... dass die meisten antifeministischen Männerrechtler/innen eben nicht kritikfähig sind und eine sachliche Diskussion kaum möglich ist.“?

An mir soll es nicht liegen. Mit Schriftstellern ist eine sachliche Diskussion gut möglich, und im Namen von „Heinrich Böll“ können wir von mir aus gerne den Anlass zu so einer Diskussion nutzen. Das biete ich an. Und so stelle ich es mir vor:

Es soll vier kurze Schriftwechsel geben. Aus Ihrer Studie habe ich mit copy-&-paste einige Passagen herauskopiert und zu vier Themen zusammengefasst. Sicherlich ließe sich noch über weitere Passagen diskutieren, aber diese Punkte haben mich sofort angesprochen. Da sehe ich mich in der Lage, einen Beitrag zu leisten, der das Bild bereichert und damit auch die Qualität der Studie verbessert.

1.
Merkmale der Männerrechtsbewegung
Da sind Ihre Ausführungen nicht abgeschlossen. Da täte eine Ergänzung gut.

2.
Hate-Speech: Männerhass/Frauenhass
Verständlich, dass ich mich da als Schriftsteller aufgerufen fühle – zumal ich das Buch dazu von Judith Buttler sehr schätze.

3.
Rollenbilder und Gender-Mainstreaming
Ein weites Feld. Hier will ich nah an der Studie bleiben, damit es nicht ausufert.

4.
Mögliche Zusammenarbeit
Wo bestehen echte Konfrontationen? Welche sind unnötig? Welche lassen sich überwinden?

Wenn Sie einverstanden sind und mitmachen, tue ich den ersten Schritt und schreibe zu Ihren Ausführungen unter Punkt 1 eine kleine Gegenrede. Sie antworten mir und verteidigen Ihre Position. Das dürfte Ihnen leicht fallen. Sie dürfen es sich auch gerne leicht machen und nur kurz etwas dazu schreiben. Oder meinen Beitrag als Ergänzung kommentarlos akzeptieren. Dann kommt Punkt 2. Sie können allerdings auch meine Gegenrede angreifen und mich zu einer weiteren Stellungnahme herausfordern, so dass ich den Beweis erbringen kann, dass ich durchaus kritikfähig bin. Aber das muss nicht sein. Ein einfaches Ping Pong tut es auch. Es soll ja keine neue Studie werden.

Damit bietet sich die seltene Chance, die Resonanz zu so einer Studie in einer Tiefe auszuloten, wie es mit einer bloßen Sammlung von Rezensionen, die dazu erscheinen, nicht möglich ist.

In diesem Sinne. Ich bin neugierig und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Lassahn

Machen Sie mit?

Nun kommt Ihr Text. Den kennen Sie ja schon.

Merkmale der Männerrechtsbewegung

Der Antifeminismus dieser Männerrechtsbewegung ist durch eine Reihe von Merkmalen gekennzeichnet. Erstens werden feministische Positionen nicht oder nur ansatzweise differenziert betrachtet. Gleichzeitig kopiert der Antifeminismus paradoxerweise in stark verzerrter Form Argumentationsmuster und Aktionen, die er selbst dem Feminismus zuschreibt. Zweitens wird dem Feminismus eine Allmachtsposition zugeschrieben. Drittens wird der Feminismus auch für Entwicklungen bzw. bestehende Gesetze verantwortlich gemacht, mit denen er nichts zu tun hat. Viertens steigert sich der Antifeminismus eines kleinen Teils der Bewegung bis zur offenen Frauenverachtung bzw. zum Frauenhass,
da Frauen mit dem Feminismus gleichgesetzt werden. Schließlich wird der Feminismus generell als männerhassende Ideologie missverstanden bzw. diffa¬miert, während eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Männerfrage im Feminismus fast völlig unterlassen wird. Die antifeministische Männerrechtsbewegung übersieht größtenteils, dass es nicht «den> Feminismus gibt. Zunächst einmal ist zwischen Gleichheits- und Differenzfeminismus zu unterscheiden.

Männlichkeit dient im antifeministischen Diskurs als durchgehend positiver Wert, der als kollektive Zwangsnorm gesetzt wird. Dementsprechend werden kultur- und sozialwissenschaftliche Gender-Ansätze heftig angegriffen. Diese wurden eigentlich zur kritischen Reflektion der Geschlechterbilder und Normen entwickelt und erlauben u.a., nach den individuellen Subjektpotenzialen von Menschen jenseits der kollektiven Geschlechternorm zu fragen.

Statt eigenständige Freiheit zuzulassen, wird die eigentümliche Freiheit verordnet, die «natürlichen Geschlechterrollen> zu übernehmen, die deterministisch mit den hegemonialen modernen Geschlech¬ternormen gleichgesetzt werden. Die antifeministische Kritik richtet sich auf den Begriff Gender. Dieser wird allein auf John Money zurückgeführt und so ausgelegt, dass das «soziale Geschlecht> völlig unabhängig vom «biologischen> existiere. Nun zeigt bereits die Ethnologie die unendliche Vielfältigkeit von Geschlechterverhältnissen, die eine einseitige biologische Determination der «Geschlechterrollen> widerlegt.

Hate-Speech: Männerhass/Frauenhass

Immer wieder setzten sich Feminist/innen mit dem Verhältnis zu Männern und Tendenzen zum Männerhass kritisch auseinander. Wenig diskutiert wurde in Deutschland das SCUM-Manifest von 1967 der Radikalfeministin Valerie Solanas, das den Antifeminist/innen als Hauptbeleg für den feministischen Männerhass dient: Es spielte kaum eine Rolle und wurde rasch vergessen.

Begründet wird dies meist mit dem vermeintlichen Männerhass des Feminismus und der Feminist/innen. Dazu dienen in der Regel zwei Verweise: Erstens wird auf das SCUM-Manifest der Radikalfeministin Valerie Solanas von 1967 verwiesen – das Akronym steht für Society for Cutting up Men. Es war in der Frauenbewegung durchgehend sehr umstritten. Es zur Hauptquelle für die Einstellung des Feminismus gegenüber Männern zu machen, hat die gleiche Logik, wie die Einstellung der katholischen Kirche zu Frauen aus dem Hexen¬hammer abzuleiten. Der zweite Verweis bezieht sich in der Regel auf Äußerungen von Alice Schwarzer, die nur selten im Zusammenhang wiedergegeben werden. Antifeminist/innen kennen offensichtlich die Entwicklungen von Kooperationen und Konflikten zwischen der neuen Frauenbewegung und emanzipationsorien¬tierten Männern nicht.

Rollenbilder und Gender-Mainstreaming

Auf sozialpsychologischer Ebene reagieren viele Männer mit Ambivalenz, da sie die Erosion des Ernährermodells mit seinen Belastungen als Freisetzung erfahren, aber nicht als Befreiung begreifen. Während für Frauen die Enge der Hausfrauen- und Mutter-Existenz aufbricht und sie selbstbewusst Gleichheit und ein Leben mit Partnerschaft, oft auch mit Kindern fordern, sind für Männer Ambivalenzen und Unsicherheiten damit verbunden.

Da essen¬tialistische und traditionelle Geschlechtervorstellungen nicht natürlich oder
göttlich gegeben, sondern sozial konstruiert sind, soll Menschen – im Einklang mit ihrer Körperlichkeit – die Möglichkeit gegeben werden, sich relativ frei von diesen individuell zu entfalten. Männer müssen nicht dominant sein und Frauen müssen nicht emotional sein, nur weil sie Männer und Frauen sind.

Aus antifeministischer Mehrheitssicht werden individuelle Wünsche und Ziele von Männern wie etwa ein Interesse an gleichberechtigten Beziehungen, ein Spielen mit vielseitiger oder sanfter Sexualität oder Homosexualität nicht als individuelle Selbstbestimmung wahrgenommen. Sie ist blind für die wachsenden Freiheiten und Wahlmöglichkeiten, die sich aus einer Relativierung männlicher hegemonialer Normen ergeben, oder lehnt sie als feministische Gehirnwäsche explizit ab.

Es lässt sich festhalten, dass sich die männliche Opferideologie zumin¬dest soweit mit der feministischen Entwicklung auseinandergesetzt hat, als sie erkannt hat, dass der Hinweis auf Benachteiligungen und das Einfordern von Rechten ein potenziell wirkmächtiger Diskurs ist. Dies ist immerhin leicht positiv zu bewerten, da das Aussprechen von spezifisch männlicher Benachteiligung zumindest teilweise die Überwindung traditioneller Männlichkeitsvorstellungen erfordert.
Insgesamt zeigt sich im Benachteiligungs- und Opferdiskurs eine tiefgehende Veränderung bei der antifeministischen Konstruktion der Männlichkeit.

Die männliche Opferideologie basiert erstens auf dem Ausklammern der Probleme anderer – insbesondere weiblicher – Gruppen. Zweitens fußt sie auf der Konstruktion des Feminismus als Feindbild. Und sie bietet drittens als Lösung eher traditionelle Geschlechtsvorstellungen an.

Mögliche Zusammenarbeit

Aber ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Feminismus und einer Bewegung, die Gleichheit auch für Männer fordert, denkbar? Die Geschichte der Neuen Frauenbewegung liefert dafür viele Ansatzpunkte, die in diesem Rahmen nur sehr knapp gestreift werden können. Bereits die erste Frauengruppe um den SDS wollte 1968 «über ein utopisches mann-frau verhältnis arbeiten> und strebte «lebensbedingungen an, die das konkurrenzverhältnis zwischen mann und frau aufheben>. Auf dem Bundesfrauenkongress 1972 wurde die Selbstorganisation von Frauen und eine Separierung von Männern beschlossen, «so lange Frauen in besonderer Weise und mehr unterdrückt sind als Männer>. Aber schon zu Beginn der 1980er Jahre arbeiteten Feminist/innen in der Friedens-, der Homose¬xuellen- und der Umweltbewegung wieder intensiv mit Männern zusammen. Zudem teilten sie in vielerlei Hinsicht die gleiche Lebenswelt des alternativen Sektors, und die große Mehrheit lebte in Beziehungen mit Männern.


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