Einsamkeit wird vererbt
Welt am Sonntag
Professor John Cacioppo ist der weltweit bedeutendste Forscher zum Thema Einsamkeit. Seine Langzeitstudie läuft seit 2001 und wird bis Ende 2006 durchgeführt.
Welt am Sonntag: Wie definiert man als Forscher ein so subjektives Gefühl wie Einsamkeit?
Cacioppo: Wir untersuchen bei unseren Studien verschiedene Formen der Verbundenheit: die verwandtschaftliche Verbundenheit, die "relationale" zu Freunden zum Beispiel und die "kollektive" Verbundenheit. Die definiert, in welchem Maß sich unsere Testpersonen im Kopf irgendeiner sozialen Kategorie zuordnen: als Akademiker oder Sportler zum Beispiel. Jede Form von Verbundenheit mildert Einsamkeit, jedes Fehlen von Verbundenheit erzeugt Einsamkeit.
Gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen?
Cacioppo: Interessanterweise neigen Frauen zu mehr relationalen Verbindungen, reden gern mit ihren Freundinnen, während Männer allein vor dem Fernseher sitzen. Sie denkt: "Er ist immer allein. Er ist isoliert." Er dagegen: "Nein, das ist mein Lieblingsteam." Das ist kollektive Verbundenheit. Für Männer wichtig.
Wie erklären Sie das?
Cacioppo: Mit der Evolution. Die Männer waren draußen zum Jagen und gemeinsamen Sammeln. Da gab es so etwas wie kollektive Verbundenheit, während die Frauen sich um den Haushalt kümmerten und füreinander sorgten. Das erzeugte relationale Verbundenheit. Deshalb leiden Frauen und Männer unterschiedlich an Einsamkeit.
Wer ist am einsamsten?
Cacioppo: Interessanterweise hat sich unseren Forschungen zufolge niemand einsamer gefühlt als Verheiratete. Üblicherweise ist die Ehe einer der Faktoren, die geringere Einsamkeit produzieren. Und da Einsamkeit gesundheitsschädlich ist, tendieren Verheiratete dahin, in einer gesünderen Verfassung zu sein als Nichtverheiratete. Ist jemand in der Ehe einsam, ist das Gegenteil der Fall. Und zwar deshalb: Der Ehestatus läßt einen hoffen, weniger einsam zu sein. Wenn man sich jedoch in einer Ehe einsam fühlt, ist es schlimmer, als nicht verheiratet und einsam zu sein.
Ist der Mensch von Natur aus ein soziales Wesen, wie die Philosophie dies seit Aristoteles nahelegt?
Cacioppo: Ich glaube, es liegt in unseren Genen. Wenn die einsamen Jäger die Mütter und Kinder zurückließen, fühlten sie sich schlecht. Sie empfanden einen Schmerz. Sie könnten weggehen und nicht teilen, aber der Schmerz ließ nach, wenn sie zurückkehrten oder wenn sie einem Angreifer entgegentraten, der Mutter und Kind etwas antun wollte. So kommen alle Merkmale, die wir in der Menschheit in uns tragen, aus diesen Genen. So bieten diese Gene einen Schutz, der im Interesse des Individuums ist.
Es gibt demnach ein soziales Gen?
Cacioppo: Ja. Geselligkeit ist ein soziales Gen. Aber es gibt auch ein Einsamkeitsgen. Eine holländische Wissenschaftlerin hat Vererbungsstudien durchgeführt und herausgefunden, daß Einsamkeit zu 47 Prozent vererbt wird.
Was ist mit den gesellschaftlichen Gründen für Einsamkeit?
Cacioppo: Das sind vor allem die Zwänge, sich für Karrieren immer wieder von Herkunft und Familie zu trennen. Ständig unabhängig zu sein und niemals wirklich zu Hause.
Das Gespräch führte Ulf Poschardt
Artikel erschienen am 26. Dezember 2004
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