Geschlechterrollen einseitig aufgehoben - Erklärungsversuch
Hallo Robin
Diese einseitige Rollenerweiterung für Mädchen ist mir bereits als kind aufgefallen. Als Junge, der so gar nicht der stereotypen Vorstellung von Jungenhaftigkeit entsprechen wollte. habe ich diesen Druck natürlich zu spüren bekommen. Auch stellte ich fest, dass solche Restriktionen bei Mädchen viel schwächer vorhanden waren.
Das heisst nicht, dass es egal war, wie Mädchen sich verhielten. Aber ein Mädchen dass sich jungentypisch verhielt, verlor einfach einen Teil seiner weiblichen Ausstrahlung, das war alles. Egal, was es tat, sein Geschlecht wurde kaum in Frage gestellt. Ein Junge, der sich mädchentypisch verhielt, verlor nicht nur seine Männlichkeit sondern er verlor auch seine Akzeptanz als Junge und sein Ansehen.
Ich habe mich lange mit dieser Asymmetrie auseinandergesetzt. Leider wird dies kaum thematisiert. Es fällt fast nur jenen auf, die darunter leiden. Früher dachte ich, das Problem liege an der einseitigen Emanzipation der Frau. Sobald sich Männer auch emanzipierten, würden auch für Jungen die Geschlechterschranken fallen. Inzwischen habe ich an dieser Annahme Zweifel. Heute erscheint mir die Wirkung folgender Mechanismen, die ich in den Büchern von Esther Vilar kennen gelernt habe, am plausibelsten:
Die Vorstellung, was weiblich und was männlich ist, hängt allein davon ab, wie Frauen sich verhalten. Dabei gilt der Grundsatz, dass weiblich ist, was Frauen tun, und männlich ist, was Frauen nicht tun. Was Männer tun oder lassen, hat demnach auf diese Festlegung keinen Einfluss. Nun ist es logisch, dass wer die Wahl hat, sich für das Attraktivere entscheidet. Bei Frauen (und wohl auch objektiv) heißt dies, dass sie sich auf die einfacheren, weniger anstrengenden und weniger gefährlichen Verhaltensweisen festlegen. Für die Männer bleiben die schwierigeren, anstrengenderen und gefährlicheren Verhaltensweisen übrig. Durch diesen Mechanismus, der festlegt, was als männlich und was als weiblich empfunden wird, ist es logisch, dass Übertretungen von Männern automatisch stärker wahrgenommen werden als Übertretungen von Frauen.
Da Männer insgesamt den unattraktiveren Part übernehmen, ist es auch wahrscheinlicher als bei Frauen, dass sie unzufrieden sind mit ihrer zugewiesenen Rolle und auf Frauen neidisch werden. Aber für das Überleben ist es eben unerlässlich, dass alle Dinge, auch die Unangenehmen und vor allem gefährlichen Dinge erledigt werden. Rollenverweigerung auf Seiten der Männer ist daher für die Gemeinschaft eine viel größere Gefahr als bei Frauen, weil diese ganz von selbst bei ihrer Rolle bleiben. Beim Mann muss eine ganze Reihe von Sanktionen und Belohnungen zum Tragen kommen, damit er bei seiner Rolle bleibt. Die Sanktionen reichen von Belustigung (wenn einer Frauenkleider anzieht) bis Strafe (wenn einer den Militärdienst verweigert). Die Belohnung besteht darin, männliche Tugenden zu idealisieren und sie als wertvoller als weibliche einzustufen. Ein Mann, der seine Rolle brav erfüllt, darf sich somit als richtiger Mann und als der Frau überlegen fühlen.
Nun mag man einwerfen, dass Frauen ja auch Einschränkungen auferlegt wurden und unter Sanktionen zu leiden hatten, wenn sie in Männerdomänen eindrangen. Ich interpretiere diese Maßnahmen als Schutzmaßnahmen für Männer. Es sollte ihnen nicht allzu schwer gemacht werden, die Männerrolle zu erfüllen. Zudem gab es immer auch Männer, deren Veranlagungen nicht auf typische Männersachen ausgerichtet war. Durch Reservierung großer Betätigungsfelder für Männer konnten alle Männer einigermaßen in akzeptablem männlichem Rollenverhalten untergebracht werden.
Das sind meiner Meinung nach auch die Gründe, weshalb es zuerst eine Frauenbewegung gegeben hat und keine Männerbewegung. Für Frauen war es selbstverständlich, eine neue Rolle auszuprobieren, während Männer quasi nur mit Erlaubnis der Frauen dasselbe tun können. Mit dem Eindringen immer mehr Frauen in männliche Bereiche, wurden diese immer kleiner und einseitiger, und somit gab es immer mehr Männer, die nach dem alten System mit der männlichen Rolle überfordert waren und nun ihrerseits die Rollenverteilung in Frage stellten. Dazu kommt, dass die oben beschriebene Belohnung wegfiel, da nun das Verhalten von Frauen idealisiert wird. Die heutige Männerbewegung wäre demnach eine Folge der Frauenbewegung. Sie wäre wahrscheinlich nicht von selbst entstanden.
Gruß
Gismatis
gesamter Thread:
- Geschlechterrollen einseitig aufgehoben -
Robin Hood,
16.07.2006, 22:52
- Ja, viele Frauen sind nur noch Möchtegern-Männer (nT) -
Swen,
17.07.2006, 14:13
- Geschlechterrollen einseitig aufgehoben - Erklärungsversuch -
Gismatis,
19.07.2006, 07:28
- Geschlechterrollen einseitig aufgehoben - Erklärungsversuch -
Odin,
19.07.2006, 14:59
- Geschlechterrollen einseitig aufgehoben - Erklärungsversuch -
Odin,
19.07.2006, 14:59
- Ja, viele Frauen sind nur noch Möchtegern-Männer (nT) -
Swen,
17.07.2006, 14:13