Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.
Milwaukee Daily Journal, 29. Oktober 1886
Gedanken zum Zitat von Christa Schyboll
Regierungen täuschen häufig ihr eigenes Volk, wenn es darum geht, an der Macht zu bleiben. Täuschungen sind immerhin keine glatten Lügen, die moralisch als noch verwerflicher angesehen werden. Dennoch kommen sie de facto oft nahe an sie heran oder sind letztlich in ihren Ergebnissen deckungsgleich.
Die Täuschung eignet sich dazu, eine falsche Vorstellung zu erzeugen. Dabei werden unzutreffende Bilder, Assoziationen oder halbwahre Argumente eingesetzt. Manchmal werden auch die Sinneswahrnehmungen der Menschen absichtlich getäuscht. Das Ergebnis ist in jedem Fall eine Fehlvorstellung oder eine Irreführung von der Wirklichkeit und der Wahrheit. Und genau um diese geht es. Das ist der Plan, um andere Pläne durchsetzen zu können.
Abraham Lincoln, der die Sklaverei in den USA abschaffte und zu den bedeutendsten Präsidenten der Vereinigten Staaten gehörte, wusste um die Gefahr der Täuschungen durch Regierende allzu gut. Und sein warnendes Wort hat bis in die Gegenwart noch immer höchste Aktualität, weil diese Täuschungsabsicht politisch nach wie vor en vogue ist.
Es fallen vor allem jene Bevölkerungsgruppen politischen Täuschungen anheim, die wenig bis keine Ahnung von Politik haben, über ein großes allgemeines Informationsdefizit verfügen und auch kein kritisches Bewusstsein für die Lage der Nation entwickelt haben. Ihnen kann man fast alles erzählen. Sie sind eine weiche Knetmasse in den Händen der Herrschenden. Mit ihnen lässt sich komfortabel regieren, weil von ihrer Seite kein nennenswerter Protest zu erwarten ist.
Doch ein Volk besteht aus Individuen, die eben sehr verschieden auf das Gleiche reagieren. So gibt es in unterschiedlichen Graden eben auch jene Menschen, die mehr Informationen haben als ihre müden Mitbürger und das Agieren gewählter Politiker kritisch begleiten. Demokratie, so wissen sie, ist ebenso zur Täuschung geeignet wie eine Diktatur oder eine Monarchie. Dieser Typus gehört zu den aktiven Mitbürgern, die sich einmischen, die laut mit Protest hervortreten oder eine Schlacht der Argumente öffentlich herausfordern. Von ihnen werden die Täuschungen, die Regierungen ihnen zumuten, früher oder später durchschaut und auch bekämpft werden. Insofern haben Täuschungen keine dauerhafte Chance, als Mittel der Wahl für ein ganzes Volk eingesetzt zu werden, um die eigenen Ziele machtvoll durchzusetzen.
Nah verwandt mit der Täuschung sind die Begriffe von List und Strategie. Auch diese werden nicht nur allein in privaten zwischenmenschlichen Beziehungen als geschickter Schachzug in den Ring der Auseinandersetzungen geworfen, sondern auch im großen Zusammenhang zwischen Staat und Volk – oder auch unter Staaten selbst.
Hier hat sich zum Beispiel der Begriff der Kriegslist etabliert. Ein starker Gegner wird in einem solchen Fall von einem schwächeren Gegner durch eine Täuschung besiegt. Die Geschichte von David und Goliath aus der Bibel steht hier Pate.
Auch die griechische Mythologie ist beispielsweise reich an listigen Helden. Zu ihnen gehörten beispielsweise Odysseus wie auch Hera, die Gattin und Schwester des Göttervater Zeus. Im Märchen hat sich die Geschichte vom Hasen und dem Igel als geschickte Metapher für List und Täuschung ins Gedächtnis der Menschen gebrannt.
Was aber die Binnenbeziehung zwischen Staat/Regierung und Volk angeht, so kann die Täuschung im Zusammenhang mit dem Faktor Zeit nur zum Bumerang werden. Doch Zeit ist genau das Pfund, mit dem Regierende, die an der Macht sind, zu wuchern versuchen. Damit haben sie natürlich vor allem ihre eigene, ganz persönliche Zeit im Zusammenhang mit Macht und weiteren Vorteilen im Blick.
Nur weise Regierende nehmen eine kluge Nachhaltigkeit von vorausschauender Politik mit in ihr konkretes Handeln auf. Sie sind sich der Gefahr des Machtverlustes durch unbequeme Entscheidungen dabei voll bewusst und nehmen diese um der Sache willen dann auch in Kauf.
Das Volk wiederum murrt oder rebelliert, wenn es Täuschungen aufdecken kann. Manchmal jagt es seine Politiker in die Wüste – zu anderen Zeiten und Gelegenheiten verhält es sich vielleicht wie ein Opferlamm, das zum Altar geführt wird. Doch auch das hat einmal ein Ende, wie Abraham Lincoln wusste. Die Geduld des Volkes mit der Unwahrhaftigkeit ist nicht endlos. Und irgendwann wird der Preis, den Politiker für Täuschungen am Ende zahlen, sehr hoch sein.
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