AWO-Affäre in Frankfurt (Gutmensch)
Nach einer Honorarrechnung für das Jahr 2014, war die Geschäftsführerin der Wiesbadener Arbeiterwohlfahrt (AWO), Hannelore Richter, zugleich in Frankfurt als „Sonderbeauftragte“ tätig. Dafür stellte sie dem Kreisverband Frankfurt am 23. September 2014 insgesamt 141 000 Euro nur für das Jahr 2014 in Rechnung. Allein ein Posten umfasste 60 000 Euro für „Steuerleistungen“. Richter schrieb: „Mein Vorstand hat diese Tätigkeit genehmigt, dies wird mit der Unterschrift des Vorsitzenden Herrn Wolfgang Stasche bestätigt.“
Stasche ist vor wenigen Tagen als Vorsitzender des AWO-Kreisverbandes Wiesbaden zurückgetreten. Das Schriftstück trägt tatsächlich seine Unterschrift.
Der Rechnung zufolge war Richter zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin in Wiesbaden im Kreisverband Frankfurt „Sonderbeauftragte“ für die AWO-Altenhilfszentren Bürgermeister-Menzer-Haus und Mörfelden-Walldorf. Außerdem sei sie zuständig für die Abteilungen Kindertagesstätten, Jugend und offene Altenarbeit der AWO Frankfurt. Wie und ob diese Vielzahl von Zuständigkeiten in der Praxis überhaupt bewältigbar war, ist unklar.
Die AWO Wiesbaden bestreitet, dass das Arbeitgeber-Bruttogehalt für Richter in Wiesbaden bei 344 000 Euro im Jahr gelegen habe. Es sei niedriger gewesen. Der Frankfurter AWO-Sprecher Johannes Frass sagte, als Sonderbeauftragte in Frankfurt sei Richter seines Wissens nach vor allem dafür da gewesen, „Einsparpotenziale“ ausfindig zu machen und „Kostensenkungen“ zu erreichen.
Der Vorsitzende des AWO-Ortsvereins Nied, des größten in Frankfurt, Klemens Mielke, nannte die Doppelfunktion Richters in Frankfurt und Wiesbaden einen Beleg dafür, dass es AWO-Spitzenfunktionären „nur ums Geld gegangen“ sei. „Eine kleine Bande hat die AWO beraubt“, sagte Mielke.
Jörn Siemers, Vorsitzender des Ortsvereins Eckenheim, nannte es „bitter, dass einige wenige Leute so viel Geld bekamen“. Zeitgleich habe es an der Basis immer wieder an kleinen Summen gefehlt.
Die Frankfurter AWO bestätigte die Existenz einer „Somacon GmbH“. Deren Aufsichtsratschef soll der mittlerweile zurückgetretene langjährige Frankfurter AWO-Chef Jürgen Richter gewesen sein, die Geschäftsführerin seine Ehefrau Hannelore Richter.
Nach einem Bericht der „FAZ“ ging es bei der im Jahre 2006 gegründeten Firma mit Sitz im englischen Birmingham um „Beratung und Betrieb von sozialen Einrichtungen“. Tatsächlich habe Jürgen Richter als Berater für das Unternehmen, dessen Aufsichtsratschef er war, Leistungen in Rechnung gestellt und bezahlt bekommen. Es sei um ein Konzept für das AWO-Projekt „Alltagsengel“ in Wiesbaden gegangen, bei dem Arbeitslose zu Haushaltshilfen qualifiziert werden.
Der Frankfurter AWO-Sprecher Johannes Frass sagte, die „Somacon GmbH“ sei nach seinen Erkenntnissen „schon länger abgewickelt“. Der Wiesbadener AWO-Sprecher Jörg Meierotte sagte, er gehe davon aus, dass beide Kreisverbände die „Somacon GmbH“ gemeinsam gegründet hätten. Man werde das prüfen.
Nach der „Somacon GmbH“ wurde von führenden AWO-Funktionären die „Consowell GmbH“ ins Leben gerufen, deren Geschäftsführer Panagiotis Triantafilidis vom AWO-Kreisvorstand Frankfurt und der Wiesbadener AWO-Geschäftsführer Murat Burcu sind. Auch hier ging es um Beratungsaufträge im sozialen Bereich. Burcu beteuerte auf Anfrage der FR, die Firma habe „keine Geschäftstätigkeit“ entwickelt.
Unklar ist die Zukunft der AWO-Tochtergesellschaft AWO Protect GmbH. Sie ist laut AWO-Sprecher Frass als „Sicherheitsfirma zur Bewachung“ von AWO-Einrichtungen für Geflüchtete gegründet worden. Hier sollen Mitarbeiter doppelte Gehälter bezogen haben, einmal von der AWO selbst, dann von der Protect.
Da der AWO die Betreuung von Geflüchteten entzogen wurde, entfiel der Geschäftszweck. Das AWO-Präsidium habe deshalb beschlossen, zu prüfen, „wie es mit der Protect weitergeht“.